Alles begann mit einer zufälligen Begegnung. Im Januar 2001 traf die Cutterin und Kamerafrau Linda Hattendorf ganz in der Nähe ihrer Wohnung im New Yorker Stadtteil Soho auf den obdachlosen Künstler Jimmy Mirikitani. Dieser bat sie, eine seiner Katzenzeichnungen zu fotografieren. Fortan kehrte Linda immer wieder mit ihrer Videokamera zu dem Mann mit den Katzenbildern zurück. Dabei erfuhr sie mehr über Jimmys bewegte Vergangenheit: Als Abkomme japanischer Einwanderer wurde er 1920 in Sacramento geboren. In Folge des Angriffs auf Pearl Harbor wurde er – wie Hunderttausende andere Amerikaner mit japanischen Vorfahren auch – als „feindlicher Ausländer“ eingestuft und in einem Lager interniert, das er erst 1947 wieder verlassen konnte – allerdings ohne seine Staatsbürgerschaft wiederzuerhalten, die er unter dem Druck der US-Regierung „freiwillig“ aufgegeben hatte. Durch diese Erfahrung traumatisiert, hat Jimmy seither Tausende von Lagerbildern gemalt. Außerdem hat er jegliches Vertrauen in den Staat verloren, weshalb es für ihn trotz Obdachlosigkeit nicht in Frage kommt, sich hilfesuchend an die Behörden zu wenden.
Nach den Angriffen auf das World Trade Center am 11. September 2001 ändert sich die Lage komplett. Die einstürzenden Twin Towers hüllen ganz Manhattan in eine Giftwolke. Während die Anwohner Fenster und Türen geschlossen halten, haben die Obdachlosen keine Chance, dem gefährlichen Aschestaub zu entkommen. Daher bringt Linda Jimmy kurzerhand in ihrer eigenen Wohnung unter. Natürlich geht diese Aktion nicht gänzlich konfliktfrei über die Bühne, zum Beispiel legt Jimmy einen engen moralischen Maßstab an Lindas Ausgehverhalten an. Aber dennoch verbindet die beiden bald eine tiefe Freundschaft. Schließlich hilft Linda ihrem neuen Mitbewohner dabei, seine US-Staatsbürgerschaft wiederzubekommen, seine verschollene Schwester aufzutreiben und eine Sozialwohnung zu finden…
Es ist ein schöner Gedanke, dass hinter jedem beliebigen Menschen, dem man auf der Straße begegnet, eine solch spannende Story wie hinter Jimmy Mirikitani stecken könnte. Für Linda Hattendorf erwies sich die zufällige Begegnung zumindest als krasser Glückstreffer. Einen ergiebigeren, abwechslungsreicheren Protagonisten kann man sich für einen Dokumentarfilm eigentlich gar nicht wünschen. Auf der einen Seite gibt es die bewegte Vergangenheit: Ganz im Gegenteil zu Guantanamo ist die Geschichte der amerikanischen Internierungslager während des Zweiten Weltkriegs bisher nämlich kaum filmisch beleuchtet worden. Auf der anderen Seite steht die Gegenwart: Mirikitani hat die seltene Fähigkeit, Sachverhalte und Stimmungen sowohl in seinen Bildern als auch im Gespräch präzise und pointiert auf den Punkt zu bringen.
So strahlen seine Bemerkungen trotz der einen oder anderen skurrilen Note auch immer eine tiefe Weisheit aus. Diese Qualität besitzt Hattendorf, die an manchen Stellen zu gefühlig um den heißen Brei heruminszeniert, zwar nicht, aber sie fügt Mirikitanis Beobachtungen und Zeichnungen so zusammen, dass ein faszinierendes Künstlerporträt dabei herausspringt. Und schließlich ist „Mirikitanis Katzen“ auch noch eine Feel-Good-Doku – immerhin sprengt die Regisseurin, indem sie Jimmy bei sich aufnimmt und damit eine große Verantwortung für ihn übernimmt, jegliche Grenzen des Dokumentarfilms. Das Ergebnis ist eine zutiefst rührende Ode an einen großartigen Künstler und Menschen – die Taschentücher sollte man auf jeden Fall nicht allzu weit wegstecken.
Fazit: Es verwundert nicht, dass „Mirikitanis Katzen“ auf Festivals rund um den Erdball Preise ohne Ende abgesahnt hat. Jimmy Mirikitani ist einfach ein außergewöhnlicher Mensch und Linda Hattendorf hat aus seiner bewegenden Geschichte auch noch das letzte bisschen Emotionalität heraus gekitzelt. Da verzeiht man die eine oder andere kleine Schwäche, vor allem das zeitweilige Abgleiten ins Rührselige, schnell und gerne.