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    Frei nach Plan
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Frei nach Plan
    Von Christian Horn

    Franziska Meletzky ist auf einem guten Weg, sich als Regisseurin zu etablieren. Ihr Langfilmdebüt „Nachbarinnen“ gefiel durch einen feinen Humor und eine spannende Geschichte, wofür es prompt den DEFA-Nachwuchspreis gab. Nun kommt „Frei nach Plan“, ihr zweiter Spielfilm, ins Kino. Wieder sind die Protagonisten weiblich und wieder gelingt es Meletzky, Humor und Tragik, Anspruch und Unterhaltung punktgenau auszutarieren. Das vortreffliche Schauspieler-Ensemble, in erster Linie aus Dagmar Manzel, Corinna Harfouch, Kirsten Block und Christine Schorn bestehend, wurde auf dem Shanghai Film Festival völlig zu Recht mit dem Darstellerpreis geehrt und trägt wesentlich zum Gelingen des Films bei. Die bodenständige Inszenierung erinnert zwar bisweilen an eine Fernsehfilm-Dramaturgie, kann aber dennoch überzeugen und funktioniert alles in allem prächtig.

    Der Schauplatz der Geschichte ist ein Dorf in Brandenburg. Dort wollen drei Schwestern, die recht verschiedene Lebenswege gegangen sind, eine Geburtstagsparty für ihre Mutter Silvia (Christine Schorn, „Der Verdacht“, Good Bye, Lenin!) organisieren. Iris (Corinna Harfouch, „Solo für Klarinette“, „Der große Bagarozy“), die älteste der drei, wohnt mit der Mutter im selben Haus, hat keinen Mann (mehr) und kommt kaum dazu, ihr eigenes Leben zu führen. An ihr bleibt dann auch letztlich der Großteil der Vorbereitungen hängen: Von der Geburtstagstorte bis zum Geschenk gibt es einiges zu erledigen. Die jüngste Schwester, Marianne (Kirsten Block, „Nachbarinnen“, „One Day In Europe“), lebt ebenfalls noch im Heimatort, mit Familienhaus, Ehemann und Sohn. Von ihrem Leben, das für sie zum Gefängnis geworden ist (so nimmt sie es jedenfalls wahr), ist sie zunehmend gelangweilt. Schließlich gibt es da noch Anne (Dagmar Manzel; „Nachbarinnen“, „Freischwimmer“), die freieste von allen. Sie macht mit einer Band Musik und reist um die Welt; zwar ohne Sicherheiten und meistens pleite, dafür aber erfüllt und glücklich. Während der Vorbereitungen tun sich immer mehr Eifersüchteleien und Streitereien zwischen den dreien auf und die Nerven liegen zunehmend blank. Als dann auch noch der Vater (Otto Melies) mit seiner neuen Geliebten auftaucht, droht alles im Chaos zu versinken. Dass Anne eine heiße Affäre mit Mariannes Mann Martin (Robert Gallinowski) anfängt, macht es natürlich nicht gerade besser.

    Der wesentliche Unterschied zwischen den Schwestern – und letztlich das Thema des Films – ist der zwischen „Treiben lassen“ und „Planen“. Iris: die unspontane Planerin. Marianne: die zum Planen gezwungene. Und Anne: die durchs Leben treibende. Diese Differenz wird im Film in etlichen Momenten explizit thematisiert, auch auf der Dialogebene. Etwa, wenn Iris und Anne, die in ihren Lebenseinstellungen am weitesten voneinander entfernt sind, über diesen Unterschied diskutieren. Oder, wenn Marianne ihrer Schwester Anne gesteht, dass sie ein wenig neidisch auf deren wildes, ungebundenes Leben ist. Franziska Meletzky macht deutlich, was eigentlich auf der Hand liegt, aber gerne mal vergessen wird: Es ist schlicht und ergreifend nicht möglich, alles zu planen. „Frei nach Plan“, improvisieren, sich auf Sachen einlassen können und angemessen auf Überraschungen reagieren: So läuft der Hase (schön, dass der Anlass des Films eine Überraschungsparty ist). Dabei muss natürlich auch geplant werden, zumindest ein bisschen. Es ist die Ausgewogenheit zwischen Planen und Treiben, die funktioniert. Sagt der Film – und entlarvt den viel beschworenen Gegensatz zwischen „Treibern“ und „Planern“ als Paradoxon, als scheinbaren Widerspruch.

    Es gelingt dabei den drei Hauptdarstellerinnen, diese differenten Lebensweisen glaubhaft zu kommunizieren, ohne überspitzt zu wirken. Die unaufdringliche, klare Inszenierung gibt ihnen dafür ausreichend Raum und entfaltet die Dramaturgie – das Näherrücken der Feier, Annes Affäre – unaufgeregt und übersichtlich. Einige wundervolle Kameraeinstellungen, die nicht nur gut aussehen, sondern etwas zur Erzählung beitragen können, fügen sich in das positive Bild ein. Leider ist die dramaturgische Entwicklung der Figuren und Ereignisse, also das Drehbuch, insgesamt allzu konventionell und – das hört sich wohl schlimmer an, als es ist – lehrbuchmäßig. Aber immerhin: Am Ende ist der Bogen geschlossen, ohne dass alle Konflikte aufgelöst werden. Es liegt nun am Zuschauer, sich über den weiteren Verlauf Gedanken zu machen. Und „Frei nach Plan“ schafft es, dass dieser sich auch weiter mit den Figuren beschäftigen will – und das gelingt bei weitem nicht jedem Film. Was, zum Beispiel, ist wohl aus dem Elefanten geworden…?

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