„Hollywood ist auf den Hund gekommen“ – hieß es hier auf „Filmstarts“ schon vor einigen Monaten zum Start der Familienkomödie Marley & ich, und das gilt auch nun, ein halbes Jahr später, noch genauso. Der beste Freund des Menschen ist eben auch der beste Freund der Studiobosse in Hollywood. Gelegentlich sieht es zwar so aus, als ob eine andere Tierart den Hunden ihre Vormachtstellung in der Traumfabrik streitig machen könnte – zuletzt haben es die Pinguine versucht –, aber meist enden diese Höhenflüge wie alle Modeerscheinungen genauso abrupt, wie sie begonnen haben. Selbst Pferde, die immerhin schon seit Jahrzehnten vor allem Mädchenherzen höher schlagen lassen, werden in der Gunst von Filmproduzenten wohl auf ewig nur den zweiten Platz einnehmen. Schließlich geben sie – und das haben sie mit allen anderen Tierarten gemeinsam – weder story- noch charaktertechnisch so viel her wie Hunde. Alle, die daran auch nach mehr als hundert Jahren Filmgeschichte immer noch zweifeln, sollten sich auf jeden Fall Lasse Hallströms anrührendes, aber niemals rührseliges Drama „Hachiko“ ansehen. Diese märchenhafte, aber trotz allem auf realen Ereignissen basierende Geschichte um eine mehr als nur außergewöhnliche Freundschaft zwischen einem Professor für Musik und einem Akita-Hund gibt nicht nur dem abgenutzten Wort „Treue“ eine neue Dimension.
Für Parker Wilson (Richard Gere, Pretty Woman, Chicago) ist es ein Abend wie jeder andere. Er ist wie immer mit dem 17-Uhr-Zug aus Providence auf dem Bahnhof von Bedrigde angekommen und will weiter nach Hause. Doch dann läuft dem Professor ein kleiner Hund zwischen die Beine. Seine Versuche, noch vor Ort herauszufinden, wem der Welpe gehört, scheitern. Und auch Carl (Jason Alexander, Schwer verliebt), der Bahnhofsvorsteher, will dem niedlichen Kleinen kein Asyl gewähren. Also nimmt Parker ihn mit. Als Parkers Frau Cate (Joan Allen, Nixon, An deiner Schulter) den Welpen sieht, macht sie unmissverständlich deutlich, dass sie keine Hunde im Haus haben will. Er verspricht ihr, ihn noch am nächsten Tag woanders unterzubringen. Doch das erweist sich als schwierig, zumal der kleine Akita-Hund sich ihn als sein Herrchen auserkoren hat. Nach einigen Tagen erfolglosen Suchens nach einem neuen Zuhause für den Welpen ist Parker so begeistert von ihm, dass er ihm den Namen Hachiko gibt und beschließt, ihn zu behalten. Von da an begleitet ihn der Hund jeden Tag zum Bahnhof und wartet dort auch wieder auf ihn, wenn der 17-Uhr-Zug einfährt. Doch eines Tages kommt Parker nicht mehr zurück.
Schon mit seinen noch in Schweden entstandenen Kinderfilmen „Mein Leben als Hund“, „Wir Kinder aus Bullerbü“ und „Neues von uns Kindern aus Bullerbü“ hatte sich Lasse Hallström als ungeheuer sensibler Filmemacher etabliert. Wie kaum ein anderer Regisseur unserer Zeit versteht er es, alltägliche Momente und Situationen sehr eindringlich zu erzählen, ohne ihnen dabei eine Aura übertriebener Dramatik aufzubürden. Dieses seltene und gerade deswegen so kostbare Talent Hallströms ist in den vergangenen Jahren allerdings ziemlich in Vergessenheit geraten. Seit er in Hollywood arbeitet, hat er sich nahezu ausschließlich auf die Verfilmung von Bestsellern und Kultbüchern verlegt. Mit Filmen wie „Gilbert Grape – Irgendwo in Iowa“, Gottes Werk und Teufels Beitrag und Schiffsmeldungen konnte er zwar beachtliche Erfolge feiern. Aber letztlich wirken sie trotz all ihrer offensichtlichen Stärken etwas bemüht. Sie haben so etwas „Offizielles“ an sich und tragen ihre Ernsthaftigkeit und Bedeutsamkeit ein wenig zu offensichtlich vor sich her.
Für dieses amerikanisierte Remake von Seijirô Kôyamas 1987 entstandenem Melodrama „Hachiko monogatari“, das wiederum auf der in Japan legendären Geschichte des Akita-Hundes Hachiko basiert, der von 1925 bis 1935 jeden Spätnachmittag vor dem Tokioter Bahnhof Shibuya auf seinen verstorbenen Herren gewartet hatte, hat sich Lasse Hallström nun wieder ganz auf seine alten Tugenden besonnen. Einen so zurückhaltenden, so subtil erzählten Film über Liebe und Loyalität hat es lange nicht mehr gegeben. Hallström bleibt über weite Strecken des Films bei Hachiko, einem fast schon aristokratischen Tier, und macht sich dessen Perspektive zueigen. Trotzdem erliegt er nie der Versuchung, diesen so treuen wie stolzen Hund in irgendeiner Weise zu vermenschlichen. Das besondere Band, das vom Augenblick ihrer ersten Begegnung an zwischen Professor Wilson und dem Akita besteht, ist ohne Frage so etwas wie bedingungslose Liebe. Aber trotzdem verleugnet Hallström nie die von der Natur gegebene Distanz zwischen dem Menschen und dem Hund, die so viele andere Hollywood-Filme leugnen.
Hallströms ganz und gar unaufgeregter Erzählstil – im Gegensatz zu Seijirô Kôyama drückt er in keiner Szene auf die Tränendrüse – scheint auch eine geradezu befreiende Wirkung auf seine beiden menschlichen Stars gehabt zu haben. Richard Gere und Joan Allen wirken in ihren Rollen ganz und gar natürlich. Auf eine erstaunlich beiläufige Art gelingt es ihnen, ein Gefühl für die vielen Jahre zu vermitteln, die Cate und Parker nun schon zusammen sind. Jeder Blick und jedes Wort, jede Bewegung und jede Berührung ist ein weiteres Puzzleteil, und sie alle zusammen ergeben das Bild eines beneidenswerten Paares, dem es gelungen ist, alle die Krisen und Stürme, die Teil jeder Beziehung sind, zu überstehen. Da muss keiner Liebe in großen pathetischen Worte behaupten, sie schwingt einfach in jeder Einstellung mit. So kann Lasse Hallström schließlich auch voller Trauer und Wehmut von einem viel zu frühen Tod erzählen und muss sich dafür nicht in aufgesetzte Dramatik flüchten.