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    RockNRolla
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    RockNRolla
    Von Carsten Baumgardt

    Um die Jahrtausendwende stieg der Engländer Guy Ritchie mit nur zwei Filmen zum Kult-Regisseur und zur großen Regie-Hoffnung des Vereinten Königreichs auf. Sein Name wurde in einem Atemzug mit Wunderkind Quentin Tarantino (Pulp Fiction, Jackie Brown, Death Proof) genannt, die Zukunftsaussichten waren rosig. Eine Dekade später ist der Ruhm verblasst. Nun ist Ritchie nicht mehr der Hot-Shot-Regisseur, sondern der Ex-Mann von Kabbala- und Fitness-Jüngerin Madonna, der Gerüchten zufolge 18 Monate ohne Sex mit seiner Ehefrau auskommen musste und sonst streng nach Terminplan stramm zu stehen hatte. Die Karriere ist im Keller. Stürmische Liebe (2002), sein kläglicher Versuch, Madonna als Schauspielerin hoffähig zu machen, steckte böse Prügel ein. Revolver floppte drei Jahre später ebenfalls derb und kam in Deutschland nicht einmal mehr in die Kinos. Doch mit Madonna ist Schluss und da soll das Karrieretief, das Ritchie während seiner Ehe heimsuchte, nun ebenso weichen. Mit der Gangster-Komödie „Rock N Rolla“ versucht der Regisseur an seine Glanzzeiten von Bube, Dame, König, grAs (1998) und Snatch (2000) anzuknüpfen, muss sich aber trotz eines launigen Films den leisen Vorwurf gefallen lassen, einfach seine beiden großen Erfolge lediglich leicht variiert zu wiederholen. Macht aber nichts. „Rock N Rolla“ ist eben ein Schritt zurück in die richtige Richtung.

    Die Londoner Kleinganoven One Two (Gerard Butler), der schöne Bob (Tom Hardy) und Mumbles (Idris Elba) stecken in der Klemme. Bei einer Grundstücksspekulation hat sie der Unterwelt-Pate Lenny Cole (Tom Wilkinson) böse auflaufen lassen. Das Trio steht am Ende der verunglückten Aktion mit zwei Millionen Pfund in der Kreide. Da kommt ihnen ein Geschäft, das die gerissene Buchhalterin Stella (Thandie Newton) vorschlägt, gerade recht. Ihr Boss, der skrupellose russische Milliardär Uri Obomavich (Karel Roden), will Lennys Kontakte im Stadtrat nutzen, um sich eine Baugenehmigung zu erschleichen. Die sieben Millionen Pfund Schmiergeld fangen One Two, der schöne Bob und Mumbles auf Stellas Tipp hin bei der Übergabe ab. Das ist aber nur der Anfang von nicht enden wollenden Verwicklungen. Eine Schlüsselrolle spielt dabei Lennys ungeliebter Stiefsohn, der Punk-Rockstar Johnny Quid (Toby Kebbell). Obwohl offiziell für tot erklärt, fällt ihm durch Zufall Uris Lieblingsgemälde, das dieser leihweise Lenny überlassen hatte, in die Hände. So wird Quid zum gesuchten Mann…

    Die Welt ist im Wandel. Permanent. Auch die Unterwelt, speziell in London. Selbst wenn Guy Ritchie in seinem Comeback stilistisch und dramaturgisch nur einen Aufguss seiner früheren Erfolge serviert, hat der Brite doch sein Näschen in den Wind gehalten und verstanden, wie der Hase in der Gegenwart läuft. Statt mit Drogen zu handeln, feilschen moderne Gangster im großen Stil um Immobilien. Da wird betrogen und bestochen, was das Zeug hält. Die eingesessenen Bosse des Londoner Mobs sind in ihrer Existenz von neureichen Eindringlingen aus dem Osten bedroht. Das artet zu einem regelrechten Krieg der Gangstersysteme aus. Der Old-School-Gauner Lenny hat für den Russen-Milliardär Uri nur Verachtung übrig, ist aber dennoch gezwungen, mit ihm Geschäfte zu machen. Jeder will dem anderen zeigen, wer der tatsächliche Herrscher über das kriminelle London ist. Doch das sind nur die Eckpfeiler der fein verästelten Story, die nach bewährtem Ritchie-Muster von einem Fallstrick in den nächsten stolpert. Das Milieu wird etwa in David Cronenbergs meisterhaftem Tödliche Versprechen noch weit präziser porträtiert, aber bei Ritchie bildet es eben auch nur den Hintergrund für ein ironisches Twist-Feuerwerk.

    In seiner hippen Inszenierung orientiert sich der Regisseur an Altbekanntem aus dem eigenen Oeuvre: treibende Rockmusik, ausgeblasste, kühle Optik, ungewöhnliche Schnitte und Figuren, von denen eine cooler angelegt ist als die andere. Auch wenn Ritchies Ruf ramponiert ist, genießt er immer noch das Vertrauen der britischen Schauspielelite. Dementsprechend erstklassig ist die Besetzung. Gerard Butler (300, Lara Croft Tomb Raider 2) dient als zentrale Figur zur Identifikation für das Publikum. Der Schotte besitzt das nötige Charisma, sich gegen einen herausragenden Charakterschauspieler wie Tom Wilkinson (Geliebte Lügen, Michael Clayton, Cassandras Traum) zu behaupten. Mit offensichtlicher Freude am dezenten Overacting (und künstlicher Halbglatze) spielt Wilkinson dick auf. Thandie Newton (W., Das Streben nach Glück, Mission: Impossible 2) reiht sich in Sachen Coolness als weiblicher Blickfang nahtlos ein.

    Als herrlich amüsanter Seitenhieb entpuppt sich die Figur des Russen-Milliardärs Uri Obomavich, den Karel Roden (Die Bourne Verschwörung, Mr. Bean macht Ferien) als kriminelle Inkarnation von Öl-Milliardär und Chelsea-Besitzer Roman Abramovich gibt. Das geschieht natürlich ironisch überhöht, aber die Parallelen sind unverkennbar, wobei eine Szene im Bauch des neuen Wembley-Stadions endgültig alle Restzweifel beseitigt. Bei allem Bemühen Ritchies, jeden einzelnen Charakter mit Originalität und Skurrilität vollzukleistern, taugt aber nur einer zum Kult: der titelgebende Rock’n’Roller. Jungstar Toby Kebbell (Control, Wilderness) rockt als coole, ausgeflippte Sau, dass die Schwarte kracht.

    Ist Guy Ritchie nun ein Two-Hit-Wonder oder einer der talentiertesten britischen Regisseure der Gegenwart? „Rock N Rolla“ gibt darauf keine eindeutige Antwort. Das lässig-hippe Gangster-Genrestück ist ein kurzweiliges Konglomerat aus Ritchies Greatest Hits. Das ist nicht originell, aber sehr unterhaltsam. Ein Erfolg an den Kinokassen blieb dem Comeback-Kid zwar verwehrt, aber als kreatives Lebenszeichen nach langen Jahren des Darbens taugt dieser „Rock N Rolla“ allemal. Denn Hand aufs Herz: Die stilsichere Fingerübung ist eben doch nur das Aufwärmprogramm für Ritchies groß angelegte Neuverfilmung von Sherlock Holmes...

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