Das moderne Japan verarbeitet den Clash der Kulturen von Tradition und Postmoderne auf seine ganz eigene Weise. Ganz selbstverständlich stehen sich die Phänomene zweier Welten gegenüber und verbinden sich in anrührender Harmonie - oder entladen ihre Energien in übermütigem Trash. In seinem ersten Spielfilm, der Science-Fiction-Komödie „Dai Nipponjin“, spielt der japanische Starkomiker Hitoshi Matsumoto nicht nur die Hauptrolle, sondern auch munter mit den Monstermythen und der Godzilla-Ästhetik. Unsanft katapultiert er die Endzeitsagen mitten in die mediale Welt des 21. Jahrhunderts, wo der Kampf zwischen Gut und Böse zu einem Quotenspektakel und der Held zu einem sonderbaren Loser verkommen sind.
Masaru Daisatou (Hitoshi Matsumoto) wird dem Zuschauer im Stil einer Dokumentation vorgestellt, als einer, der sich in der modernen Welt seine eigene verschrobene Nische gesucht hat. Perspektivlos sinniert er über seine zerbrochene Ehe, die ab und an vorbeischauende Katze und den Nährwert seiner Fertiggerichte. Sein Job könnte besser bezahlt sein, die Auftraggeber halten sich bedeckt, und irgendwie scheint Masaru nicht stolz zu sein auf das, was er tut. Dabei ist er der Letzte aus der einst großen Dynastie der „Dainipponjin“, im modernen Japan auch „Big Man Japan“ genannt. Seine ererbte Aufgabe ist es somit, Japan vor diversen Monstern zu bewahren, die übermannsgroß und mit absurden Körperbewaffnungen die Menschheit bedrohen. Dumm nur, dass die Zeiten der Heldenverehrung längst vorbei sind. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der offensichtlich vom Burnout befallene Dainipponjin von Helden der neuen Generation abgelöst wird.
Der 1983 geborene Matsumoto lässt es sich nicht nehmen, unter der eigenen Regie auch in die Hauptrolle zu schlüpfen. Einen komischeren Ritter der traurigen Gestalt kann man sich kaum vorstellen, wenn der unauffällige Masaru lustlos zu seinem nächsten Auftrag schlurft. Kein Wunder, muss doch der erst durch seltsame und schmerzhafte Rituale zum „Big Man“ regelrecht aufgeblasen werden, um dann unambitioniert gegen tumbe Giganten anzutreten, die mit ihren bunten Farben und weichen Formen eher an Riesenbabys als an Monster erinnern. Längst weiß er, dass sein Kampf eine Projektion ist, um zu später Nacht günstig Sponsorenbanner im Fernsehen platzieren zu können. Vor der Kamera behauptet er sich nur mit Mühe als Held der Nation, hinter den Kulissen haben längst Manager und Geldgeber das Zepter in der Hand. Mit resigniertem Stoizismus spielt Dainipponjin seinen Part in der Farce weiter, weil es die Familientradition so verlangt. Der Show setzt Matsumoto noch eins obendrauf, wenn er Passanten ganz ernsthaft über die Kämpfe sinnieren lässt, als ob es nichts Bedeutenderes in der Medienwelt gäbe.
Es ist gerade die zum Teil recht schrille Fassade, die den Leerlauf hinter der 24/7-Mediengesellschaft enthüllt. Nichts könnte das Vergessen alter Mythen deutlicher zeigen als deren Verniedlichung mit Kindchenschema und grobschlächtiger Animation, denen ein an Alzheimer erkrankter Opa und ein rückgratloser Unentschiedener als Gegner gegenüber gestellt werden. Die Verlorenheit des tragischen Helden wird nicht nur offenbar, wenn er unter Alkoholeinfluss von der resignierten Abgeklärtheit in ein larmoyantes Jammern verfällt. Viel deutlicher wird sie, wenn er trotz des Wissens um die Sinnlosigkeit seines eigenen Tuns die Möglichkeit erwägt, seine Tochter in die eigenen Fußstapfen treten zu lassen. Dass er keinen anderen Zugang zu ihr hat, enthüllt obendrein sein Versagen als Vater.
Eine Menge Kritik an der modernen Gesellschaft präsentiert Matsumoto hier, und er tut es so laut und überzogen, dass manches davon leicht untergeht. Wenn Japaner Humor zeigen, dann gerne mal mit großen Gesten und durchaus nicht zimperlich. Dem westlichen Zuschauer erscheint diese Art schnell albern, und in der Tat erschöpft sich der Witz, der hinter den lachhaften Monstern in Dainipponjin steht, spätestens beim dritten Mal. Matsumoto selbst ist zweifellos ein guter Komiker, der seinen bemitleidenswerten „Big Man Japan“ geschickt auf einem Grat zwischen Selbstmitleid und Eigensinn hält. Der gewagte Mix aus Fake-Doku, Comedy und Horror/Science-Fiction-Animation lässt den Zuschauer immer mal wieder verblüfft dastehen, funktioniert über weite Strecken recht gut, wird jedoch nicht wirklich durchgehalten. Der Dokufilmer löst sich im Eifer der Gefechte irgendwann in Wohlgefallen auf. So muss er wenigstens nicht das Ende dokumentieren, das durchaus Fragen offen lässt.
Die Grundidee des Films ist wirklich saukomisch und hält Gelegenheiten für allerlei Seitenhiebe parat. Viele davon streift Matsumoto jedoch nur, so dass die Story sich zu sehr auf die Hauptfigur konzentriert und alle anderen zu bloßen Statisten degradiert. Diese eine Figur allein trägt jedoch nicht über die knapp zwei Stunden, so dass slapstickhafte Einschübe zu Hilfe genommen werden, die den makabren und bissigen Humor auf die Spitze treiben, aber nur mühsam die Story vorantreiben. Hätte man darauf verzichtet und stattdessen der einen oder anderen Nebenfigur etwas mehr Aufmerksamkeit geschenkt, wäre das Ergebnis knackiger geworden. So ist es eine irrwitzige Fahrt durch eine absurde Welt, deren Fassaden eifrig erneuert werden, sobald die alten bröckeln.