Schön, dass es bei der Überpräsenz amerikanischer und westeuropäischer Filme trotzdem auch immer wieder andere Werke schaffen, in Deutschland einen Kinostart zu erhalten. Das Glück hat jetzt auch Srdan Golubovics „Klopka“, der auf der Berlinale 2007 uraufgeführt wurde. Nach einer Novelle von Nenad Teofilovics nimmt sich der Regisseur den düsteren Seiten seiner Heimat Serbien an und erzählt die Geschichte eines Familienvaters, der sich, um seinen Sohn zu retten, in dunkle Machenschaften hineinziehen lässt. Trotz interessanter Idee, stimmiger Atmosphäre und guten Darstellerleistungen bleibt der Film der Form nach zu sehr Gedankenexperiment und wirkt im Resultat wie ein überlanger Kurzfilm.
„Nichts im Leben ist schwarz oder weiß“ (Srdan Golubovic)
Eine junge Familie in Belgrad: Mladen (Neboja Glogovac), Marija (Nataa Ninkovic) und ihr Sohn Nemanja (Marko Djurovic) kommen im Nachkriegs-Serbien so über die Runden. Er ist Bauingenieur, sie Lehrerin. Das Land befindet sich in einer Phase der Veränderung, doch zusammen können sie die Last des Umbruchs stemmen. Sie sind glücklich – bis bei ihrem Sohn ein schwerwiegender Herzfehler diagnostiziert wird. Das einzige, was Nemanja nach Aussage der Ärzte retten kann, ist eine Operation im Ausland. Fast 30.000 Euro würde diese kosten. Weil die Familie aber soviel Geld nicht aufbringen kann, inserieren sie in einer Zeitung und hoffen auf Hilfe. Als sie schon fast ihre Hoffnung aufgegeben haben, meldet sich ein Mann bei Mladen, der sich bereit erklärt, ihm das Geld zu leihen. Diese Gefälligkeit verlange allerdings nach einer Gegenleistung. Mladen soll einen Rivalen seines Auftraggebers ermorden.
Die Konstruktion des moralischen Dilemmas, in dem sich der Protagonist befindet, ist schnell klar. Soll Mladen zum Killer werden, um das Leben seines Sohnes zu retten? Darf er das Wohl seiner Familie über das Wohl einer anderen stellen? Der Film spinnt seine Geschichte mit sehr geringem Tempo, nimmt sich viel Zeit für die Vorstellung seiner Charaktere und ihres Umfelds. Zur Ausgestaltung der Atmosphäre ist dies ohne Zweifel sinnvoll – um auf Spielfilmlänge zu kommen bestimmt auch. Nicht jeder Zuschauer wird an den langen Einstellungen seine Freude haben. Nur gut, dass Srdan Golubovic, der am 24. August 1972 in Belgrad geboren wurde, etwas von seinem Handwerk versteht und dass ihm mit Neboja Glogovac und Nataa Ninkovic zwei außerhalb ihres Landes weniger bekannte, dafür aber nichtsdestotrotz fähige Darsteller zur Seite stehen. Wenn das Dilemma erst einmal vorgestellt ist und die Richtung, in die sich „Klopka – Die Falle“ entwickelt, dem Zuschauer klar wird, sind es vor allem diese beiden Charaktere, die das Drama vorantreiben. Glogovac macht seine Sache als von Gewissensbissen getriebener Familienvater durchweg gut. Auch die Chemie zwischen ihm und Ninkovic stimmt. Sie überzeugt ebenfalls, ihre Figur verzweifelt immer mehr an der Situation und an den Veränderungen, die sie an ihrem Mann beobachtet.
In „Klopka“ kann der Protagonist zwischen zwei Wegen wählen, die aber beide direkt in die Hölle führen. Eine der beiden Varianten wird durchexerziert, wobei dem Film seine Konsequenz, den Weg bis zum Ende zu gehen, hoch anzurechnen ist. Das Drama bewegt sich abseits der ausgetrampelten amerikanischen Pfade und lässt Mladen keinen Ausweg aus seinem Dilemma finden. Soweit so schlecht für Mladen, so gut für den Film. Auf der anderen Seite erweist sich die Idee, die ihm zu Grunde liegt, leider als recht schmal für einen über 100-minütigen Spielfilm. Es gibt viele Szenen, an denen man das Gefühl haben kann, die Kamera hielte etwas zu lange drauf. Ein stilistisches Mittel oder Zeitschinderei? Abgesehen von zwei kleineren, überraschenden Kurven (von denen eine die im Titel angesprochene Falle ist) bewegt sich die Handlung jedenfalls wie ein Bummelzug auf ansonsten schnurgerader Strecke durch seine triste Landschaft. Es wird schnell klar, dass der Regisseur mehr im Sinn hatte, als einen einfachen Thriller zu drehen. Er versteht ihn vielmehr als Spiegelbild der Gesellschaft. Genau wie in seinem letzten Film „Apsolutnih sto“ zeigt Golubovic den Zusammenbruch von moralischen Werten und den Einfluss der sozialen Umstände hierauf. Im Mittelpunkt von „Klopka – Die Falle“ steht nach Aussage des Regisseurs „die Enttäuschung darüber, dass wir sechs Jahre nach dem Fall von Miloevic noch immer nicht in einer besseren Gesellschaft leben, dass wir noch immer intolerant und selbstgerecht agieren“.
Seinen Anspruch in Ehren aber so wie er ist, sitzt der Film „Klopka“ zwischen den Stühlen. Mit seiner Message, dass nichts einfach nur schwarz oder weiß ist, rennt er offene Türen ein; und für einen Thriller ist er zu langsam und – schlimmer noch – in großen Teilen zu vorhersehbar. Dass Spannung durchaus mit Subtilität vereinbar ist und trotzdem noch Platz für eine sozialkritische Dimension ist, hat z.B. Peter Haneke mit Caché gezeigt. Insgesamt ist „Klopka“ ein handwerklich mehr als solider, von einer trostlosen Atmosphäre durchdrungener, inhaltlich aber leider etwas magerer Film geworden, der dank guter bis sehr guter schauspielerischer Leistungen über seine zu lange Spielzeit knapp über die Ziellinie gerettet wird. Ein wenig fühlt man sich an 13 (Tzameti) erinnert. Auch dort hatten die Autoren den Stoff für einen tollen Kurzfilm in der Hand. Und auch dort reichte dieser für einen voll zufrieden stellenden Spielfilm nicht aus.