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    Die Band von nebenan
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Die Band von nebenan
    Von Christoph Petersen

    Jedes Jahr wieder machen viele Zuschauer – und annähernd ebenso viele berichtende Journalisten – im Rahmen der Oscar-Verleihung den immer gleichen Fehler: Statt vom „Oscar für den besten nicht-englischsprachigen Film“ zu sprechen, wird dieser lapidar „Auslands-Oscar“ genannt. Und wirklich macht dieser kleine Unterschied nur selten etwas aus. Im Fall von Eran Kolirins Komödie „Die Band von nebenan“ bedeutet er jedoch alles. Von israelischer Seite als diesjähriger Oscar-Beitrag eingereicht, wurde er von der preisverleihenden Academy of Motion Picture Arts and Sciences gnadenlos abgeschmettert. Im Film strandet eine ägyptische Polizeikapelle im israelischen Nirgendwo – und in welcher Sprache kommunizieren Ägypter und Israelis wohl? Genau, Englisch! Laut den Oscar-Statuten müssen für eine Nominierung in der fraglichen Kategorie mehr als 50 Prozent der Dialoge in nicht-englischer Sprache sein. Im Fall von „Die Band von nebenan“ dürfte der Anteil wohl minimal darunter liegen. Die zunächst absurd erscheinende Vorstellung, dass ein sesselfurzendes Mitglied der Academy tatsächlich mit einer Stoppuhr in einer Vorstellung gesessen hat, um die Dauer der Dialoge zu bestimmen, ist dabei gar nicht so abwegig. Dass Israel sich nun aller Voraussicht nach für einen anderen Beitrag entscheiden wird, bedeutet aber natürlich nicht, dass der gemeine Zuschauer nun auch auf dieses lakonische Kleinod verzichten muss.

    Es war einmal eine verlorene Kapelle in der Wüste... Kaum jemand erinnert sich an diese Geschichte. So wichtig war sie nicht.

    Sie sollen bei der Eröffnung eines arabischen Kulturzentrums spielen, doch als die achtköpfige ägyptische Polizeiband am Flughafen in Israel ankommt, steht niemand bereit, um sie abzuholen. Deshalb beschließt der starrköpfige Anführer Tawfiq (Sasson Gabai), auf Hilfe zu verzichten und sich stattdessen lieber selbst durchzuschlagen. Doch am Zielort, einer kleinen Ansammlung von gleichförmigen Betonklötzen mitten in der Wüste, wird schnell klar, dass eine undeutliche Aussprache die Truppe nach Bet Hatikva statt nach Petah Tikva geführt hat. Da kein Bus mehr fährt, bringt die freundliche Bistro-Besitzerin Dina (Ronit Elkabetz) die Musikanten für eine Nacht bei Freunden und Bekannten unter. Während der zurückhaltende Witwer Tawfiy und die forsche Dina sich vorsichtig näher kommen, gibt der junge Frauenschwarm Khaled (Saleh Bakri) einem schüchternen israelischen Jungen Nachhilfe in Sachen Flirten. Auch die anderen Bandmitglieder erleben ihre kleinen Abenteuer mit den Einheimischen. Doch schon am nächsten Morgen muss die Kapelle wieder aufbrechen...

    Am stärksten ist „Die Band von nebenan“ immer dann, wenn er einen lakonisch-präzisen Blick auf die durch und durch absurden Aspekte der völkerverständigenden Konzertreise wirft: In Reih und Glied marschieren die Bandmitglieder in ihren babyblauen Uniformen durch die Wüste, stets peinlich genau auf die Wahrung von Würde und Respekt bedacht, während die vorbeikommenden Autofahrer über den lustig anzuschauenden Umzug spotten. Am Flughafen bittet ein Israeli um ein Erinnerungsfoto, doch ein Putzmann versperrt – im Vordergrund Mülltonnen leerend - die freie Sicht. In diesen stark stilisierten Szenen, in denen die große Kluft zwischen der Eigen- und Fremdwahrnehmung der Kapelle aufgezeigt wird, verliert der Film niemals seine liebenswürdige Einstellung gegenüber seinen musizierenden Protagonisten. Vielmehr wirkt der leise Humor stets sympathisch, gleitet nie in ein reines Vorführen menschlicher Schwächen ab. So erinnert der Witz stark an den der amerikanischen Exzentrik-Regisseure – vor allem dem von Wes Anderson („Rushmore“, The Royal Tenenbaums) und Alexander Payne (Sideways). Besonders zu Paynes Jack-Nicholson-Komödie About Schmidt lassen sich gewisse Parallelen kaum absprechen.

    „Viele Filme wurden gemacht, um der wichtigen Frage nachzugehen, warum es keinen Frieden gibt. Mein Eindruck ist, dass es sehr viel weniger Filme darüber gibt, warum wir Frieden eigentlich so dringend brauchen.“ (Regisseur Eran Kolirin)

    Ebenso bedeutend wie der lakonische ist der versöhnende Blick auf das Geschehen. Seit dem Bestehen des Staates Israel wurde die Hälfte der Zeit Krieg mit den Ägyptern geführt, die andere herrschte ein „Kalter Frieden“. Dem israelischen Regisseur Kolirin dienten für seinen Film sowohl Provokationen als auch Gemeinsamkeiten als Inspiration: So waren in seiner Jugend die Fernsehausstrahlungen von schmalztriefenden ägyptischen Melodramen die absoluten Straßenfeger. Auf der anderen Seite vergaßen die israelischen Behörden beim Bau eine neuen Flughafens, die Wegweiser auch ins Arabische zu übersetzen. Kolirin geht es jedoch nie um eine kritische Anklage, sondern um die Propagierung des Miteinander. Im Verlauf des Films offenbaren sich immer mehr Gemeinsamkeiten zwischen den auf den ersten Blick so grundverschiedenen Kulturen. Doch trotz dieser kurzen Momente der Hoffnung schafft es keiner der Charaktere, dauerhaft aus der Einsamkeit und seiner Isolation auszubrechen.

    Fazit: „Die Band von nebenan“ ist eine versöhnlich-melancholische Komödie, deren Stärke trotz eines ägyptischen Polizeiorchesters eher in den leisen Tönen liegt.

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