Auch nach dem zweiten Schauen, fand ich "Der fremde Sohn" stark. Überrascht war ich, dass der Film neben sehr viel guter Kritik auch ziemlich herbe Schläge abbekam. Dabei kann ich nicht verstehen wie man z.B. Christine Collins als Hauptfigur schlecht findet, nur weil - das war einer der Kritikpunkte - man sie nur als leidende Frau kennenlernt. Mir hat es vielmehr angenehm gut gefallen, dass diese Frau wirklich "nur" eine leidende Mutter war. Es gab keine hanebüchene Liebesgeschichte für sie und dergleichen, womit sie auch gleich diesen bekannten Kulturtest besteht, der anzeigen soll, ob Frauen nun entscheidend für den Film sind oder nicht. Angelina Jolie zeigt eine sehr gute Leistung in allen Facetten. Manchmal sieht sie mir allerdings noch etwas zu herausgeputzt aus, gerade am Anfang des Films, was erst einmal schon nicht recht zu einer allein erziehenden Mutter passen will.
Es ist allerdings gut, dass "Der fremde Sohn" sich später etwas von der Hauptfigur löst und elegant andere Stränge mit dieser Geschichte verbindet, so eben um Polizeikorruption oder das eigentliche Verbrechen. Was sich hier zeigt, ist teils tieftraurig, doch sehr genau mit Kamera & Co. eingefangen. Allerdings muss man auch sagen, dass sich mit der Zeit zwar keine Längen einschleichen, aber manche Fäden, die einfach etwas besser hätten ausgeführt gehört. So gehen sie unter. Was macht beispielsweise Christine Collins im Laufe der Jahre? Sie sucht weiter nach ihrem Sohn, natürlich. Ein, zwei Szenen über andere Seiten ihres Lebens wären aber noch hilfreicher gewesen. Und was passiert mit dem jungen Komplizen des Mörders? Wie sieht sein weiteres Schicksal aus? Dazu fragt man sich auch, warum Collins eigentlich keinen Privatdetektiv oder dergleichen engagiert? Diese Frage sprang mir jedenfalls die ganze Zeit im Kopf herum. Hier hätte das Drehbuch etwas mehr bedenken können.
Der Film zeigt wie belastend es sein kann, wenn sich die Welt gegen einen verschwört. Sie zeigt aber auch, dass man dort draußen einige Verbündete hat. Der Film zeichnet das alles vornehmlich schön grau, nur manchmal etwas schwarz/weiß. John Malkovich ist toll in seiner Rolle als feuriger Prediger, aber der Charakter gibt nicht so viel her.
Fazit: Ein intensives, trauriges und umfassendes Drama, welches so viel Interessantes erzählt, das leider einige wichtige Stränge untergehen und sich auch die ein oder andere Logiklücke einschleicht. Trotzdem sehr empfehlenswert!