Am Anfang siegte der Mut und man holte sich Kultkomiker Helge Schneider mit ins Boot. Und wirklich kann man sich doch kaum einen genialeren Coup vorstellen, als den „Katzeklo“-Barden als größenwahnsinnigen Diktator Adolf Hitler zu besetzen. Doch dann kam den Machern der Dritte-Reich-Komödie „Mein Führer – Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler“ anscheinend recht schnell die Angst vor der eigenen Courage und Regisseur Dani Levy ruderte eilig wieder zurück. Statt dem erwarteten und erhofften Schwachsinn (im positiven Sinne!) bekommt man lediglich komplett durchkalkulierten „Humor“ geboten, der zwar bis in die letzte Faser politisch korrekt, aber nur in den allerwenigsten Momenten auch lustig ist. Jeder einzelne Hitler-Gag wird hier mit stolz präsentiertem Intellekt zugekleistert, jede satirische Einlage zum Dritten Reich ist mit mehr als nur einem Netz und doppelten Boden abgesichert. So siegte am Schluss doch wieder einmal die Feigheit und die Chancen stehen gut, dass ein Großteil des Kinopublikums bei Schneiders abschließender Brandrede vor lauter verquaster Langeweile bereits selig entschlummert ist.
Berlin 1944: Die Stadt ist zerbombt, die Russen stehen vor der Tür und sowieso ist alles ziemlich bescheiden gelaufen. Um die Deutschen zu einem letzten, den Feind hinwegpustenden Volkssturm zu mobilisieren, soll der Führer (Helge Schneider) am Neujahrstag die Massen mit einer seiner berühmt-berüchtigten Kampfreden mitreißen. Doch Adolf ist krank, depressiv und hat ganz einfach keinen Bock. Um ihn doch noch rechtzeitig wachzurütteln, lässt Dr. Joseph Goebbels (Sylvester Groth) Hitlers ehemaligen Schauspiellehrer Prof. Adolf Grünbaum (Ulrich Mühe, Das Leben der Anderen) aus dem KZ Sachsenhausen kommen. Grünbaum soll zum einen gemeinsam mit Hitler an dessen Rede feilen, zum anderen als Jude den Diktator aber auch gleichzeitig zur Weißglut bringen, damit dieser seinen früheren Hass und damit seinen Antrieb wiedererlangt. Hinter den Kulissen laufen unterdessen die Planungen für einen Putschversuch: Goebbels und Heinrich Himmler (Ulrich Noethen) wollen ihren angeschlagenen Führer in die Luft sprengen, um das Attentat anschließend Grünbaum in die Schuhe zu schieben. Und nebenan dreht der gutgläubige Führer als bellender Hund seine arglosen Runden…
Zuerst einmal sei ganz klar gesagt, Helge Schneider (Jazzclub - Der frühe Vogel fängt den Wurm) trifft an dem unlustigen Komödiendebakel keine Schuld! Auch wenn er sich seiner Rolle nicht wie gewohnt (sprich: er nicht wie in seinen anderen Filmen als Helge Schneider einfach in irgendein Kostüm schlüpft), sondern mit aufwändiger Maske und mit absolut ernstzunehmenden schauspielerischen Ambitionen nähert, kann seine Hitler-Darstellung an sich voll überzeugen. Allerdings hatte Levy anscheinend nicht die geringste Ahnung, was er mit dieser Performance anfangen soll: „Es war meine allererste Intuition, Helge Schneider als Hitler zu besetzten. Und es ist mir unerklärlich, wie ich darauf kam.“ Spöttisch möchte man anfügen - und er weiß es bis heute nicht! Da gibt es die Bananenstückchen spuckende Karikatur, den vom Vater gequälten Psychopathen (basierend auf Alice Millers Sachbuch: „Am Anfang war Erziehung“) und den heulenden Sympathen – loses Stückwerk, das sich nie zu einem stimmigen Ganzen fügen will. Und als durchgängig unterhaltsam oder gar entlarvend stellt sich auch keine der Varianten heraus.
Ist die Orientierungslosigkeit in Bezug auf die Hitler-Darstellung schon nervig, ist Sinn und Zweck der meisten anderen Figuren überhaupt nicht zu verstehen. Noch ganz interessant ist die Verschwörungstheorie im Hintergrund, die gewisse Parallelen zu Oliver Stones Kennedy-Thriller JFK aufweist, allerdings verlaufen sich diese Ansätze schon bald relativ unspektakulär im Sande. Ulrich Noethen (Bibi Blocksberg, Sams in Gefahr) kann sich als Himmler anstrengen wie er will, aber was soll er auch schon aus einer Figur machen, deren einziger Witz aus einem Gestell für den verletzten Arm und einer Augenbinde besteht. Goebbels Sekretärin (Meret Becker, Komm näher) kommt nur vor, um eine kleine, aber im Grunde absolut unsinnige Parodie auf den Erfolgsfilm Der Untergang unterzubringen. Und Katja Riemanns (Ich bin die Andere, Agnes und seine Brüder) Gastspiel als Eva Braun, aus dem sich lediglich zwei angestrengte Impotenz-Späßchen entwickeln, lässt einen dann endgültig ratlos zurück. Sowieso hat man bei vielen Rollen das Gefühl, dass ihre einzige Daseinsberechtigung darin besteht, noch einen weiteren bekannten Schauspieler besetzen zu können.
Die Pressenotiz verkündet vollmundig: „Seit Jahrzehnten gibt es in Deutschland über Adolf Hitler nichts zu lachen. Mit „Mein Führer“ wird sich das ändern.“ Dabei ist eigentlich das genaue Gegenteil der Fall: Ob nun Christoph Schlingensiefs Underground-Farce „100 Jahre Adolf Hitler – Die letzte Stunde im Führerbunker“, Walter Moers „Adolf“-Kultcomics oder Christoph Maria Herbst als Butler Alfons Hatler in Der Wixxer, in Deutschland ist Dritte-Reich-Humor mittlerweile so salonfähig, dass Hitler als Witzfigur schon zum Stammrepertoire beinahe jeder Freitag-Abend-Sketchcomedy gehört. „Mein Führer“ hingegen versteckt sich so sehr hinter seinem über alle erträglichen Maßen „guten“ Geschmack, dass hiermit wohl kaum an der behaupteten deutschen Lachbarrikade zu rütteln ist. Als Levy seine Mutter fragte, ob sie ein moralisches Problem mit einer Hitler-Komödie hätte, meinte diese nur: „Aber ich will dann kein Gejammer hören, wenn die Kritiker über dich herfallen!" Wenn man der allgemeinen Stimmung nach der Hamburger Pressevorführung Vertrauen schenken darf, wird aber genau diese Kritikerschelte nun über Levy hereinbrechen – aber nicht wie erwartet, weil er irgendwelche moralischen Grenzen überschritten hat, sondern weil aus der sicheren Festung, in die sich der Film verkrochen hat, solche Grenzen nicht einmal mit Fernrohr auch nur zu erkennen sind.