Studiengebühren sind eine ziemlich zu recht kontrovers diskutierte Sache. Aber wenn der Nebenjob nicht mehr ausreicht, die Proteste verhallen und Mama und Papa nicht zahlungswillig oder –fähig sind, wirft man sich einfach in einen schicken Anzug, braust nach Las Vegas, räumt über’s Wochenende mal eben ein paar Blackjack-Tische ab und schon kann das nächste Semester gewuppt werden. Das mag zunächst so unwahrscheinlich und geradezu absurd klingen, dass ein Unwissender nicht einmal zwecks Regelkunde in die Anschaffung eines Kartenspiels investieren würde. Doch Studentengruppen des Massachusetts Institute of Technology, der Harvard Business School und anderer führender Colleges wandten von 1979 rund zwei Jahrzehnte ausgeklüglte Kartenzählmethoden an, um rund um die Welt Casinos ihres Geldes und sich selbst ihrer Geldsorgen zu entledigen. Die Vorgehensweise einer dieser Gruppen von Kartenzählern, zusammengefasst unter dem Namen MIT Blackjack Team bekannt, beschreibt der Autor und Harvard-Absolvent Ben Mezrich in seinem Sachbuch „Bringing Down the House: The Inside Story of Six MIT Students Who Took Vegas for Millions“. Recht lose auf dem 2003 veröffentlichten 272seiter basiert „21“. Der Film des australischen Regisseurs Robert Luketic ist dabei nicht annähernd so erstaunlich wie seine Vorlage geraten.
-----------------------------------------------------------------
Der Traum des hochbegabten und notenbesten Studenten Ben Campbell ist zum Greifen nahe: er hat eine Zusage der Havard University, um dort Medizin zu studieren. Doch alles droht am fehlenden Geld zu scheitern. In seinem Job verdient er gerade acht Dollar die Stunde und ein in Aussicht stehendes Stipendium scheint ihm ebenso durch die Lappen zu gehen, denn der Entscheidungsträger will „erstaunt“ und „vom Hocker gehauen“ werden, Eigenschaften, mit denen der blasse Ben bei aller Eignung nicht dienen kann. Doch dann wird sein Mathematikprofessors Micky Rosa auf Bens Genie aufmerksam und bietet ihm einen Platz in dem von ihm geführten Kartenzählerteam an. Nach anfänglichem Zögern steigt Ben ein, um sich die benötigten 300.000 Dollar zu ertricksen. An den Blackjack-Tischen von Las Vegas steigert sich Ben geradezu in einen Rausch aus Geld und Luxus, gewinnt nicht nur das Herz der süßen Jill – sondern auch die Aufmerksamkeit des hartgesottenen Sicherheitschefs Cole Williams, der vor allem mit Rosa noch eine Rechnung offen hat...
-----------------------------------------------------------------
Abgesehen von gewissen Variablen, die das Szenario ermöglicht, ist „21“ eine durch und durch typische Rise & Fall-Story, gehört als solche aber eher zu den knapp unterdurchschnittlichen Vertretern. Schwenks rund um Chipstürme, CloseUps von und Kamerafahrten über Spielkarten und Bens einleitender Off-Kommentar führen noch hübsch dynamisch in Film und Setting ein, verpuffen und entpuppen sich allerdings schnell als reine kosmetische Aufpeppung einer aus leidlich bekannten Versatzstücken gebastelten Geschichte. Ben Campbell bekommt angesichts der Diskussionen um Studiengebühren ein nachvollziehbares Motiv, ist ansonsten aber nur eine ausgeblichene Looser-Trantüte, die vom Drehbuch ziemlich lieblos durch die Szenen gereicht und kaum mit Leben gefüllt wird. Ben ist nicht ganz so schräg wie seine beiden geekhumorigen besten Freunde, seine Hochbegabung mündet aber ebensowenig in soziale Kompetenz und natürlich gibt es da die unerreichbare Collegeschönheit, deren Geste er unbeholfen erwidert, als sie in seine Richtung winkt und eigentlich jemanden in seinem Rücken meint. Als Charakter ist Ben weder interessant, noch macht ihn Jim Sturgess‘ Spiel sonderlich sympathisch. Aus der gesellschaftlichen und seiner rein logisch veranlagten Denkensweise geschuldeten emotionalen Verkapptheit machen weder Figur noch Schauspieler etwas lockendes, das einen für Bens weitere Geschichte einnehmen, beziehungsweise die späteren Ereignisse mit Gewichtung versehen könnte. Ben Campbell ist, was eine Filmfigur so gar nicht sein sollte: egal.
-----------------------------------------------------------------
Seine kühle emotionslose Logik vermag aber immerhin Professor Rosa zu beeindrucken, der mit Ben den zukünftgen Knüller seines Teams von Kartenzählern ausmacht. Diese halten ihre Treffen im Geheimen ab und verehren Blackjack, als handle es sich dabei um die neueste Promisekte. Nach dem obligatorschen Zaudern schließt sich Ben aufgrund der Verlockungen des großen Geldes dem Team an und einige Trümpfe, die „21“ dann doch in Händen hält, können ausgespielt werden. Allem voran ist dabei natürlich Kevin Spacey zu nennen, der den Part des ausgebufft-gewandten Profis und Professors selbstverständlich aus dem kleinen Finger schüttelt und seine Rolle sogar in einen Sack eingepackt noch überzeugend rüberbringen würde. Mit ihm hält der Drive Einzug, den Sturgess allein und auch die übrigen Mitglieder des Teams nicht einbringen könnten. Der Film legt zu Beginn des Mittelteils an Tempo und Witz zu, etwa bei der trickreichen Vermittlung der Zähl- und Spielmethoden, oder wenn Spacey erklärt, dass am Kartenzählen nichts illegales oder gefährliches ist und unmittelbar darauf ein Typ in einem Keller vom Sicherheitschef Williams übel verprügelt wird, weil er, genau, Karten gezählt hat. Laurence Fishburne, hier quasi als Agent Smith auf der Jagd nach Zocker-Neos, gehört mit seiner grimmigen Performance zu den höheren Karten, die „21“ auf den Tisch legt. Die jugendliche Gruppe der Blackjack-Cracks hält sich weitestgehend im Hintergrund, Jacob Pitts als eifersüchtger Fisher und cutie pie Kate Bosworth werden gelegentlich einen Schritt nach vorne gezogen, um artig typisiert entweder mit Ben zu konkurrieren oder mit ihm anzubandeln. Aaron Yoos größter Verdienst ist es sicherlich, nicht derart zu nerven, wie er es als Shia LaBeoufs Sidekick in „Disturbia“ (2007) tat, Liza Lapira dient anscheinend ausschließlich der Erhöhung der Frauenquote.
-----------------------------------------------------------------
Mit der Ankunft in Las Vegas treibt es den Glamourfaktor ein ordentliches Stück nach oben, die Stadt der Sünde als swingendes Hochglanzparadies oder Kuriositätenkabinett zu inszenieren, wie es zum Beispiel „Ocean’s Eleven“ und „The Hangover“ taten, vermeidet Regisseur Luketic aber. Um dem arglosen Ben den Geschmack des süßen Lebens zu Kopf steigen zu lassen ist die Glücksspielmetropole in Nevada aber allemal anrüchig und verführerisch genug und nach einigen Aufenthalten in Luxussuiten und nach durchzechten Nächten auf bunten Partys türmt er nicht nur einen beachtlichen Reichtum in seinem Studentenzimmer an, sondern belügt auch seine Mutter und verprellt seine Freunde. Anfangs charaktergemäß, bleibt Sturgess auch hier und insgesamt blass, allein schon seiner unbeirrt schlecht sitzenden Frisur wegen nimmt man es ihm schwerlich ab, dass Ben in Las Vega plötzlich explodert und in teuren Anzügen selbstsicher Croupiers zuschnippst und der abgebrühteste Profi unter den Kartenrechnern sein soll. Zudem wird sein Off-Kommentar mit jedem Einsatz immer überflüssiger und gegenstandsloser. Das Hauptproblem ist aber, das Ben am Anfang nicht sympathisch genug ist, um ihm den Aufstieg zu gönnen und er wird auf dem Gipfel nicht abstoßend genug, um über seinen Absturz erfreut zu sein. Er ist und bleibt egal und vieles um ihn herum verzettelt sich in Längen und Spannungsflauten. Locker um ein halbes Dutzend Szenen und um zwei, drei ohnehin vorherseh- und berechenbare Subplots voll aufgesetzter Dramatik und Romantik zu lang, sind es weiterhin zuvorderst Spacey und Fishburne, die dafür sorgen, dass nicht für den gesamten Film das gleiche gilt.
-----------------------------------------------------------------
Wenn dann lange vor dem Ende eine Auflösung auf einen zugewatschelt kommt, die mit großen, traurigen Augen erzählt, wie gerne sie ein cleverer End-Twist geworden wäre, aber leider viel zu offensichtlich und ungeschickt aufgebaut wurde und deshalb bloß so tun darf, sackt „21“ über die schmale Kante, die ihn noch auf dem Mittelmaß gehalten hat. Dadurch, dass Spacey und Fishburne mit einem Sprungtuch parat stehen, geht es gleichwohl nicht allzu tief runter. Zudem gefällt der Film immerhin mit seinem Soundtrack, dessen guter und stimmiger Songauswahl und deren Einsatz, sowie auf technischer Seite. Russell Carpenters Kameraarbeit kann aus den Bildern nicht mehr rausholen, als in ihnen steckt, er bebildert den Film aber zumindest abwechslungsreich. Ein paar der visuellen Spielereien wiederholen sich zwar, hübschen die Optik aber dennoch auf und dienen neben Kate Bosworth als Blickfang. Trotzdem: bei der an sich so unglaublichen Story wäre mit einer weniger berechenbaren Umsetzung sicher mehr möglich gewesen. »Did I dazzle you? Did I jump off the page?« fragt Ben zum Schluss. »No, not really« will man noch antworten, doch da hat man ihn und seine Geschichte schon wieder vergessen.
-----------------------------------------------------------------
komplette Review siehe: http://christiansfoyer.wordpress.com/2009/12/17/review-21/