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    Confession of Pain
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Confession of Pain
    Von Björn Becher

    Mit Infernal Affairs legte das Regieduo Wai Keung Lau (aka Andrew Lau) und Siu Fai Mak (aka Alan Mak) nicht nur einen der besten Hongkong-Thriller der letzten Jahre hin, sondern belebte in der Heimat quasi das Genre neu und animierte schließlich Martin Scorsese zum formidablen Remake Departed: Unter Feinden. Nach zwei Sequels und dem Actionfilm „Initial D“, eine Art asiatischem The Fast And The Furious, haben die beiden Regisseure nun wieder einen Thriller am Start. „Confession Of Pain“ ähnelt stilistisch und auch in einigen inhaltlichen Punkten dabei ihrem früheren Meisterwerk, ist aber weit davon entfernt, eine bloße Neuauflage zu sein. Eine Gemeinsamkeit hat der hochspannende, nur etwas zu lange Thriller aber trotzdem noch mit dem „Vorgänger“: Erneut ist ein US-Remake in Arbeit, in welchem wieder Leonardo DiCaprio die Hauptrolle übernimmt und der mit dem Oscar ausgezeichnete Autor William Monahan das Skript adaptieren wird.

    Bong (Takeshi Kaneshiro) sowie sein älterer und vorgesetzter Kollege Lau Ching-Hei (Tony Leung Chiu Wai) harmonieren nicht nur im Dienst als Cops, sondern auch privat als beste Freunde. An einem verhängnisvollen Abend zur Weihnachtszeit stellen die beiden bei einer perfekt organisierten Aktion einen brutalen Mörder und Vergewaltiger. Doch als Bong von der Arbeit nach Hause kommt, entdeckt er Schreckliches. Seine Frau Rachel (Emme Wong) liegt mit aufgeschnittenen Pulsadern im Bett, sie ist nicht mehr zu retten. Im Nachhinein muss Bong noch erfahren, dass seine Ehefrau schwanger war.

    Drei Jahre später: Bong hat den Dienst quittiert, ist Alkoholiker, hat eine lockere Affäre mit dem Bier-Promotion-Girl Feng (Shu Qi), die er für den Sex allerdings bezahlt, und schlägt sich als Privatdetektiv mehr schlecht als recht durchs Leben. Hei ist nach wie vor sein bester Freund, noch bei der Polizei tätig und seit kurzem mit der schönen Susan (Jinglei Xu) verheiratet. Eines Nachts stiehlt er sich aus dem Haus und ermordet gemeinsam mit zwei Kriminellen seinen schwerreichen Schwiegervater (Hua Yueh) und dessen Butler (Yeung Ming Wan). Als die Leichen der beiden Kriminellen bald gefunden werden, ist für Heis Kollegen der Fall gelöst: Die Raubmörder sind sich offensichtlich beim Streit über die Beute in die Quere gekommen. Doch Susan kann sich nicht erklären, warum zwei ihrem Vater unbekannte Kriminelle von dem in dessen perfekt gesichertes Haus gelassen wurden und bittet Bong, in dem Fall Ermittlungen zu übernehmen. Der wird zudem von Hei noch gebeten, ein Auge auf seine Frau zu haben, da diese glaubt, ein Stalker stelle ihr nach. Und für Fei selbst spitzt sich die Lage auch schnell zu: Sein Freund ahnt zwar nicht das Entfernteste von seiner Mordbeteiligung, aber ein anonymer Anrufer…

    Zu Beginn wird der ein oder andere Zuschauer mit großer Verwunderung reagieren. Warum zeigen uns die beiden Regisseure offensichtlich, dass Hei der Mörder ist und nehmen dem Film mit dieser verqueren Idee scheinbar einen Großteil seiner Spannung? Manche, mit dem asiatischen Kino weniger vertraute Zuschauer werden vielleicht für einen kurzen Moment glauben, sie müssen sich einfach bei den Gesichtern vertan haben, doch auch diesen wird schnell noch einmal gewiss gemacht, dass dem nicht so ist und sie werden trotzdem nicht enttäuscht. Denn trotz des ungewöhnlichen Schachzugs bleibt „Confession Of Pain“ überaus spannend. Großen Anteil daran hat der plötzlich auftretende Stalker, der mit einer starken, eigentlich perfekt in einen Horrorfilm passenden Szene eingeführt wird. Man muss zwar kritisch anmerken, dass der Stalker in der zweiten Hälfte leider rapide an Bedeutung verliert, aber daneben bleiben genug Qualitäten. So steht natürlich auch die Frage nach dem Grund für die Morde im Vordergrund.

    Schon „Infernal Affairs“ war nicht nur Thriller, sondern auch ein Drama um zwei gegensätzliche Menschen, die mit ihren Lebensfassaden, welche sie nach außen aufrecht halten, nach innen alles andere als glücklich sind. Dieses Element wird hier erneut aufgegriffen, auch sind die beiden Protagonisten ähnliche Menschen. Der eine ist heruntergekommen und ganz am Boden, aber eigentlich der „Good Guy“, der andere ist einer der perfidesten Killer, die es in den letzten Jahren im Kino zu sehen gab, stellt aber nach außen den aalglatten, exzellenten Polizisten dar. Erneut vermeidet der Stammautor des Regieduos Felix Chong eine Schwarz-Weiß-Zeichnung, stattdessen haben beide Protagonisten ihre Licht- und Schattenseiten. Interessant ist übrigens, dass Tony Leung Chiu Wai, der in „Infernal Affairs“ noch den abgewrackten Undercovercop spielt, nun genau die andere Rolle inne hat.

    Bei „Confession Of Pain“ stehen die Dramaelemente noch deutlich stärker im Vordergrund, so dass man den Film eher als Drama-Thriller denn Thriller-Drama bezeichnen möchte. In zahlreichen Sequenzen nehmen sich die Filmemacher sehr viel Zeit für die Ausleuchtung des Innenlebens ihrer Figuren. Der Film ist über weite Strecken sehr ruhig und bedächtig, Actionszenen wie Verfolgungsjagden gibt es kaum, einen Schusswechsel überhaupt nicht. Manch eine dieser ruhigen Szenen ist einen Tick zu lang geraten, so dass auch die Gesamtlaufzeit von rund 110 Minuten etwas zu viel des Guten ist, dieser geringe Makel, wird aber durch viele erstklassige Momente wett gemacht.

    Erneut wird auf eine stilistisch extrem moderne Inszenierung zurückgegriffen. Die Kamera zoomt desöfteren heraus, oder dreht sich leicht, die Farbgebung ist sehr wichtig und in einzelnen Szenen verschmelzen mehrfach die Zeitebenen miteinander. So fühlt man sich zu Beginn oftmals an „C.S.I.“ erinnert, könnte doch Bongs Inspektion der Tatorte mit Reflexion des möglichen Geschehensablauf eins zu eins auch eine Szene aus der US-Krimi-Serie sein.

    Neben dem dieses Mal in der anderen Rolle überzeugenden Tony Leung Chiu Wai (Hard Boiled, Hero, 2046) brilliert vor allem Takeshi Kaneshiro. Der Beau, bei dem man früher (abgesehen von dem überzeugenden Intermezzo in Fallen Angels) meinte, er wurde wohl nur wegen seines Aussehens und seiner Stimme (die eine so erotische Wirkung haben soll, dass sie Teile der Damenwelt an die Grenze zur Ohnmacht bringt) gecastet, hat sich in letzter Zeit immer weiter zu einem ernstzunehmenden Schauspieler entwickelt. Überwogen in House Of Flying Daggers noch die Momente, in den er nur optisch glänzte, ist „Confession Of Pain“ der endgültige Beweis, dass er tatsächlich schauspielern kann. Durch das zeitweise verzottelte Äußere ein wenig seiner eigentlichen Stärke beraubt, variiert er erstklassig sein Spiel und legt die Messlatte für die Darstellung seines gebrochenen, mit Schuld beladenen Charakters für Leonardo DiCaprio im Remake hoch. Als weibliche Hauptdarstellerin ist Jinglei Xu („Stormriders“) mehr als nur ein Blickfang, während Shu Qis (The Transporter) Rolle hauptsächlich für die Optik zuständig ist. Chapman To (Blood Brothers - Jiang Hu) ist als eher einfältiger Ermittler dann noch für ein paar komische Einschübe dienlich.

    Es wird sicher einige Zuschauer und auch Fans von „Infernal Affairs“ geben, die nach „Confession Of Pain“ enttäuscht sein werden. Ihnen wird es an Rasanz fehlen. Man sollte daher vorher wissen, was auf einen zukommt: nämlich kein typischer Thriller, sondern ein interessantes Drama, in welchem auch einige hochinteressante Fragen aufgeworfen werden. Und dieses Drama ist nicht nur erstklassig inszeniert, sondern fesselt auch weit mehr als die meisten reinrassigen Thriller, die in jüngerer Vergangenheit als Klone von „Infernal Affairs“ aus Hongkong kamen.

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