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    Drachenzähmen leicht gemacht
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Drachenzähmen leicht gemacht
    Von Florian Schulz

    Nach dem vierten Abenteuer ist Schluss: Vorzeige-Oger Shrek geht mit Für immer Shrek noch in diesem Sommer in den wohlverdienten Ruhestand. Nach Aussage von DreamWorks-Mitbegründer Jeffrey Katzenberg steht und fällt der Umsatz des Studios aber mit seinem grünen Helden. Will man Pixar das Feld also nicht völlig kampflos überlassen, muss schnell ein neues, aussichtsreiches Franchise her. Zwar konnte man mit Filmen wie Kung Fu Panda oder Ab durch die Hecke immer wieder Erfolge verbuchen und auch die Madagascar-Reihe schreibt tiefschwarze Zahlen – an den überragenden finanziellen Erfolg von Oger und Esel konnten diese Filme jedoch nie anschließen. Was also war zu tun? Die Antwort der Kreativabteilung scheint zu lauten: Eine weitere Kinderbuchreihe adaptieren. In Cressida Powells „Hicks der Hartnäckige“, einer kindgerechten Mixtur aus Drachen- und Wikingermärchen, war diese bald gefunden. Vom störrischen Oger zum störrischen Drachen also. Das klingt nach einem guten Omen – und das ist es auch: Trotz seines sperrigen Titels überzeugt „Drachenzähmen leicht gemacht“ von den Lilo und Stitch-Regisseuren Dean Deblois und Chris Sanders mit einer charmanten Geschichte, fulminanter Optik und einer straffen Dramaturgie auf der ganzen Linie.

    Auf der kleinen Insel Berk, hoch oben im Norden, haust ein zäher Wikingerclan. Unter der Fuchtel von Stammesoberhaupt Haudrauf „dem Stoischen“ (Stimme: Dominic Raacke) trotzt man der anhaltenden Bedrohung durch eine hungrige Drachenpopulation. Techniken des Drachenkampfes werden traditionsgerecht von Generation zu Generation weitergegeben. Doch ausgerechnet der schmächtige Häuptlingssohn Hicks „der Hüne“ (Stimme: Daniel Axt, Rock It!) hat zwei linke Hände im Umgang mit Axt und Schild. Damit ist er nicht nur bei seinem Vater komplett unten durch, sondern erntet auch bei der gleichaltrigen Astrid (Stimme: Emilia Schüle, Freche Mädchen) und ihrer Clique regelmäßig Hohn und Spott. Doch Hicks gibt nicht auf. Mit viel Erfindergeist gelingt ihm der Abschuss eines ganz besonders gefürchteten Exemplars: eines Nachtschattens. Doch niemand hat’s gesehen! So macht sich Hicks mutig auf zur Absturzstelle, um dem Drachen den Gnadenstoß zu verpassen und seine Ehre wiederherzustellen. Doch dann kommt natürlich alles ganz anders…

    Schon Wickie musste seinen starken Männern beweisen, dass sich Probleme nicht nur mit Muskelmasse, sondern auch mit Grips und Verstand lösen lassen. Nun schickt auch das kalifornische Animationsstudio DreamWorks einen solch widerspenstigen Freigeist ins Rennen um die Zuschauergunst. Hicks grübelt lieber über den komplizierten Bauplänen abenteuerlicher Maschinen, anstatt sich mannsgerecht mit den geflügelten Erzfeinden seines Stammes zu kloppen. Und auch der in Wahrheit alles andere als todbringende Drache hat prominente Vorbilder: Bereits in „Dragonheart“ warf Dennis Quaid einen Blick hinter die toughe Fassade der vermeintlich zerstörerischen Bestie, die sich dann als gar nicht mal so übler Kumpeltyp und raffinierte Goldmine herausstellte. Überhaupt liest sich „Drachenzähmen leicht gemacht“ wie eine Verquickung bewährter Vorbilder: etwas gallisches Dorf, das den Eindringlingen erbitterten Widerstand leistet, ein klassischer Generationenkonflikt und das beherzte Freischwimmen eines Außenseiters, der die unschuldige Güte eines verteufelten Geschöpfs entdeckt und dabei seinen ganz persönlichen Reifeprozess erlebt.

    Dass sich DreamWorks trotz fehlender Innovationswerte dennoch nicht verkalkuliert hat, ist vor allem dem gelungenen Drehbuch zu verdanken, das die Buchvorlage recht frei interpretiert. So hat man auf störende Nebenhandlungen vollkommen verzichtet und sich ganz auf die Hauptfigur und ihre adoleszenten Konflikte konzentriert. Die zentrale Annäherung zwischen Hicks und dem Drachen ist in unglaublich charmante Bilder gegossen. Mit seiner kecken Art reiht sich der widerspenstige Nachtschatten mühelos in die Riege der berührenden Animationshelden vom Schlage eines Wall-E ein. Urkomisch gestaltet sich auch das Aufpimpen des angeknacksten Tiers mit Hilfe von Hicks‘ Erfindungen. Dass diese sinnbildliche Domestizierung der Natur trotzdem nie auf ein einseitiges Verhältnis hinausläuft, ist den Erzählern hoch anzurechnen. So fügt sich der symbiotische Gehalt der ungleichen Partnerschaft in einen harmonischen Metatext ein, der „Drachenzähmen leicht gemacht“ das für den erfolgreichen Animationsfilm so wichtige Prädikat „Nicht nur für Kinder geeignet“ einbringt.

    Bereits in der Eingangssequenz kommentiert Hicks, dass die Hütten des isolierten Dörfchens aufgrund der permanenten Attacken immer wieder neu aus dem Boden gestampft werden müssen, der Stamm aber partout nicht umsiedeln will. Dieser bildstarke Kreislauf von Aufbau und Zerfall, der stetige Kampf gegen die Bedrohung und schließlich die im Nachtschatten symbolisierte Furcht vor dem Gesichtslosen sind Metaphern einer sich selbst verifizierenden Gemeinschaft und ihrer sturen Einwohner. Da passt es ins Bild, dass die Armada der Nordmannen immer wieder gegen die Drachenplage ausrückt, aber unverrichteter Dinge zurückkehrt. Das Aufbrechen der Routinen manifestiert sich schließlich in Hicks‘ Autonomisierungsprozess, der bevorstehende Initiationsritus des Jungen ist Dreh- und Angelpunkt einer zunehmenden Veränderung in der Dorfhierarchie und im Weltbild der Wikinger. Hierin wird dann auch der Konflikt zwischen schroffem Papa und sanftem Sohn behutsam und mit viel Witz auserzählt.

    Ob turbulente Drachenritte oder ruhige Nahaufnahmen: Dem Team um das Regieduo Chris Sanders und Dean Deblois sind rundum schöne Animationen gelungen. Die Rauschebärte von Haudrauf „dem Stoischen“ und seiner Wikingerschar wirken plastisch echt, Gesichtskonturen sind bis auf die letzte Pore definiert. Das visuelle Highlight ist jedoch zweifelsohne die Drachenmenagerie, die vom Kerosin schwitzenden LSD-Trip, über eine lebendiges Feuerzeug, bis hin zum pummeligen Insektenverschnitt ein kurioses Sammelsurium bunter Ideen auffährt (für einen Überblick: siehe Filmstarts-Special). Pünktlich zum furiosen Finale greift das Kreativteam dann noch einmal tief in die Trickkiste und zaubert einige symbolisch sowie visuell überhöhte und fantastisch choreografierte Sequenzen auf die Leinwand. Das optionale 3D-Feature rundet die Optik gekonnt ab, ohne dabei zum effekthascherischen Schaulaufen zu verkommen.

    Weniger spektakulär ist hingegen leider die Synchronisierung ins Deutsche geraten. Von Tatort-Komissar Dominic Raacke bis hin zu den Nachwuchsstars Daniel Axt und Emilia Schüle: Den deutschen Stimmen fehlt es streckenweise schlicht an Ausdruck. Gerade bei Hicks vermisst man den kauzigen Charme, den Jay Baruchel (Tropic Thunder) der Figur im englischen Original verleiht. Wer also auf Nummer sicher gehen und obendrein Gerard Butler (300) als Wikingeroberhaupt maßregeln hören möchte, sollte auf jeden Fall nach einer Vorstellung im O-Ton Ausschau halten.

    Fazit: „Drachenzähmen leicht gemacht“ ist kein verweisungsreiches Potpourri im Stile der Shrek-Adaptionen und kein anarchisch-bunter Spaß à la Madagascar, sondern eine klug durchkomponierte Coming-Of-Age-Geschichte, in der die Entwicklung ihres Helden auf charmant-warmherzige Weise in Szene gesetzt und zugleich eine unaufdringliche Parabel auf zivilisatorischen Fortschritt erzählt wird: die Überwindung einer im Mythos domestizierten, archaischen Angst. Dass die Dialoge nicht immer hundertprozentig sitzen und die Prämisse nicht ganz die Originalität von Pixars Oben oder Ratatouille erreicht, schmälert den rasanten Spaß nur geringfügig. Somit könnte dem Studio pünktlich zur Pensionierung ihres Box-Office-Garanten Shrek der Start einer neuen Erfolgsreihe geglückt sein.

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