Filme über die türkisch-stämmige Bevölkerung in Deutschland sind seit einiger Zeit ein fester Bestandteil der deutschen Filmkultur. Engagierte Filmemacher wie Fatih Akin, der gerade mit seinem grandiosen Drama „Gegen die Wand“ Kritiker wie Publikum begeisterte, sind Vorreiter dieser Bewegung. Regie-Debütant Torsten Wacker nähert sich dem Thema nun auf humorvolle Art und Weise. Doch seine Komödie „Süperseks“ überzeugt zwar mit vielen guten Ansätzen, versandet aber mit zunehmender Dauer in der Klischeefalle und hat mit den Unzulänglichkeiten des Drehbuchs zu kämpfen.
Der Deutsch-Türke Elviz (Denis Moschitto) lebt in Hamburg-Altona ein relaxtes Leben. Er leitet einen Club und ist damit mehr als glücklich, obwohl er immer noch zuhause bei seinem großen Bruder Tarik (Hilmi Sözer) und seiner Familie wohnt. Doch mit der Ruhe ist es schnell vorbei. Sein Onkel Cengiz (Meray Ülgen) hat Elviz 50.000 Euro für die Gründung geliehen und verlangt das Geld zurück. Und da der Jung-Manager das Haus seiner Mutter Gülbahar (Emine Sevgi Özdamar) an der türkischen Riviera als Sicherheit verpfändet hat, bekommt er richtige Probleme, als sein Bruder davon erfährt. Der skrupellose Cengiz gibt seinem Neffen einen Monat Zeit, das Geld aufzutreiben, sonst droht er mit dem Abrissbagger. Er plant auf dem Grundstück, ein Fünf-Sterne-Hotel zu bauen. Da Elviz einsieht, dass er mit „normaler Arbeit“ innerhalb dieser Zeit nicht soviel Geld zusammenbekommt, entwickelt er eine andere Idee. Gemeinsam mit seinem besten Freund Olaf (Martin Glade) eröffnet er die türkische Telefonsex-Hotline „Süperseks“, um damit reich zu werden und seinen Club und die Familienehre zu retten. Als seine neue Freundin Anna (Marie Zielcke) davon erfährt, bekommt er zusätzliche Schwierigkeiten...
Die beiden Produzentinnen Nina Bohrmann und Babette Schröder verfolgten mit „Süperseks“ ein hehres Ziel: „Wir wollen Geschichten erzählen, die für ein kleines Budget zu realisieren sind und die nicht durch Effekte, sondern durch Originalität bestechen.“ Dieses Vorhaben konnten sie mit Hilfe von Regisseur Torsten Wacker, der ursprünglich nur als Scriptdoctor angeheuert war, aber nur teilweise umsetzen. Eine gute Stunde lang verbreitet die Komödie richtig gute Laune. Die Hauptfiguren sind nett gezeichnet, das Milieu der türkischen Subkultur in Hamburg-Altona ist liebevoll getroffen und der Witz des Films stimmt. Die vorgefassten Meinungen über die türkische Community in Deutschland werden auf sympathische Weise wiedergeben und karikiert. Doch leider fiel den Drehbuchautoren Kerim Pamuk (ist auch in einer kleinen Rolle zu sehen) und Daniel Schwarz zum Ende des zweiten Akts nicht mehr viel ein. Dass die Grundidee, innerhalb eines Monats eine Telefonsex-Hotline aufzubauen und damit 50.000 Euro zu verdienen hanebüchen ist, ist noch zu akzeptieren - schließlich ist „Süperseks“ eine Komödie und da spielt die Logik keine übersteigerte Rolle. Aber die Wendung, die sie konstruieren, um den Regeln der 08/15-Dramaturgie zu folgen, ist mehr als unglaubwürdig. Aus dem netten Elviz wird auf einmal der Macker Elviz, der wegen einer Nichtigkeit seine Freunde verstößt. Die anfangs so gelungene Charakterzeichnung hat kein Gleichgewicht mehr. Mit einem zuckersüßen Happy End versuchen die Autoren, das Dilemma wieder gerade zu rücken, können dabei aber nicht an den Witz der Anfangsstunde anknüpfen.
Dazu sind viele der Nebenfiguren zu sehr überzeichnet, sodass einige zu Knallchargen verkommen. Wie zum Beispiel Meray Ülgen als Onkel Cengiz. Die Leistungen der Hauptdarsteller sind hingegen durchweg positiv zu beurteilen. Denis Moschitto („Die Klasse von 99“, „Schule“, „Nichts bereuen“) kann über weite Strecken als Sympathieträger punkten – bis ihn die Autoren ausbremsen. Martin Glade („Auf Herzen und Nieren“) ist als Sidekick eine gute Wahl, aber die beste Figur macht Urgestein Hilmi Sözer („Was nicht passt, wird passend gemacht“). Er besticht mit seiner Präsenz, ist witzig, glaubwürdig und vor allem ist sein Charakter fein herausgearbeitet und nicht überzogen. Der wunderbaren Marie Zielcke („Lammbock“) ist die Halb-Türkin Anna durchaus abzunehmen. Ihre natürliche Ausstrahlung ist wie immer sehenswert. Für den herzhaftesten Lacher im gesamten Film sorgt der Cameo-Auftritt von Peter Lohmeyer. Seine ironische Performance-Parodie als Porno-Schneider ist zum Schreien komisch.
Logisch, dass nicht jeder Film des Sujets die Qualität eines „Gegen die Wand“ erreicht, aber bei „Süperseks“ wird der Betrachter den Gedanken nicht los, dass aus einer guten Idee zu wenig gemacht wurde. Durch die Übertreibungen und die unglaubwürdigen, wie am Reißbrett konstruiert wirkenden Wendungen beraubt sich der Film seiner Leichtigkeit und sorgt dafür, dass zwar über weite Strecken gelacht werden darf, aber durch die fade Dramaturgie Besseres verhindert wurde. „Süperseks“ ist gewiss kein schlechter Film, aber zu mehr als Durchschnitt reicht es wegen der sich häufenden Mängel eben nicht. Das ist sehr schade. Sympathisch ist „Süperseks“ dennoch - ungeachtet der Kritikpunkte.