Das zentrale Thema im filmischen Werk des Autorenfilmers Wong Kar-wai (Chungking Express, 2046) ist unverkennbar die Liebe; und dabei vor allem das Scheitern derselben und das darauf folgende melancholische Rückblicken. Diese Thematik variiert Kar-wai in „Happy Together“, dem filmischen Zwischenstück zwischen Fallen Angels und In The Mood For Love, auf ein Neues - dieses Mal auf der Folie eines schwulen Pärchens, das trotz der völlig verfahrenen Beziehung nicht voneinander lassen kann und beinahe aneinander zugrunde geht.
„Lass es uns doch noch einmal versuchen“ – diesen Satz bekommt Lai (Tony Leung Chiu-Wai; „In The Mood For Love“, Gefahr und Begierde) gleich mehrmals von Ho (Leslie Cheung; „A Chinese Ghost Story“, A Better Tomorrow) zu hören; mehr und mehr verkommt er zur inhaltslosen Floskel; immer müder ausgesprochen, immer zermürbender. Beide hat es als Liebespaar nach Argentinien verschlagen, wo sie sich auseinander gelebt und schließlich getrennt haben (die näheren Umstände für die Trennung lässt die Erzählung offen). Jetzt sitzen sie in Buenos Aires fest, ohne das nötige Geld für die Rückreise. Lai versucht für das Ticket zu sparen, indem er in einer Tangobar als Putzkraft und in der Küche arbeitet; Ho hingegen verdingt sich als Stricher, bekommt keine Struktur in sein Leben und droht abzustürzen. Als er eines Tages übel zugerichtet bei Lai auftaucht, nimmt dieser ihn bei sich auf und pflegt ihn gesund. Zwischen beiden gibt es noch dieses bestimmte Gefühl, das allerdings nicht mehr stark genug ist, um neu zu beginnen – aber auch nicht schwach genug, um sich für immer zu trennen. Vor diesem Hintergrund werden der Titel und das gleichnamige Lied der „Turtles“ zu einem bitter-ironischen Kommentar: Von „Glücklich vereint“, so der deutsche Untertitel, kann keine Rede sein. Wong Kar-wai zeigt seine Protagonisten in sehr intimen Momenten und legt das aneinander Scheitern der gegensätzlichen Charaktere offen. Das Augenmerk liegt dabei auf der Figur Tony Leung Chiu-Wais, die durch ihre Aufopferung und Fürsorge an ihre emotionalen Grenzen getrieben wird.
Die elliptische, langsame Dramaturgie des Films folgt keinen konventionellen Regeln und bleibt weitgehend fragmetarisch. Wong Kar-wai und sein Stammkameramann Christopher Doyle (Hero) zeigen die beiden Protagonisten beim Arbeiten, Reden, Streiten, Nichtstun. Der Betrachter selbst muss sich auf die Geschichte einlassen und versuchen die Figuren zu verstehen; oft sind es nur ganz kleine, scheinbar nebensächliche Momente, die viel über die Charaktere erzählen. Das gelingt unter anderem dank des hervorragenden Spiels der beiden Hauptdarsteller. Tony Leung Chiu-Wai und Leslie Cheung (der Ende der Neunziger verstorben ist) gehören beide zur ersten Liga der asiatischen Schauspieler und beweisen in „Happy Together“ eindrucksvoll, dass ihnen dieser Ruf auch gebührt. Mit kleinen Gesten und flüchtigen Blicken machen sie die Figuren und deren Handeln plausibel.
Der virtuose, experimentelle Stil – möglich durch die grandiose Kameraarbeit Christopher Doyles – verkommt nicht zum Schauwert, sondern trägt über das gelungene Schauspiel hinaus seinen Teil zur Erzählung bei. Wenn das Bild plötzlich von Farbe auf Schwarz/Weiß wechselt, Rauch in Zeitlupe stilisiert wird, der Film in Stop Motion abläuft oder extreme Weitwinkelaufnahmen das Bild beherrschen, dann hat das in den meisten Fällen auch eine narrative Bedeutung. Noch mehr als in „Chungking Express“ und „Fallen Angels“ werden die ästhetischen Experimente fruchtbar in die Handlung eingebunden, wodurch „Happy Together“ auch ein Stück reifer wirkt als seine beiden Vorgängerfilme. Auch stilistisch erscheint das Liebesdrama wie ein Zwischenstück zu dem nachfolgenden Film „In The Mood For Love“, in dem Kar-wai seine experimentelle Bildgestaltung zugunsten einer eher klassischen, sozusagen „erwachsenen“ Ästhetik stark zurück genommen hat.
Wong Kar-wais „Happy Together“, auf dem Filmfestival in Cannes 1997 mit dem Preis für die beste Regie ausgezeichnet, gilt völlig zu Recht als Höhepunkt in der Geschichte des Hongkong-Kinos. Die höchst künstlerische und stimmige Ästhetik hat Filmemacher auf der ganzen Welt beeinflusst und zeichnet sich durch eine Zeitlosigkeit aus, die nur selten erreicht wird. Und ihr verdankt der Film ungemein intensive Situationen, die dem Betrachter nicht mehr aus dem Kopf gehen wollen, wie etwa der Tango, den Lai und Ho tanzen. Wong Kar-wai ist mit „Happy Together“ ein Film gelungen, auf den man sich einlassen muss, der herausfordert und nicht stumpf berieselt – dafür aber reich entlohnen kann, mit magischen Kinomomenten.