Mal eines vorweg: Ich liebe anspruchsvolle Filme, über deren Thematik man auch Tage danach noch reden kann, Filme wie "The Sixth Sense", "Vanilla Sky" oder "Dead Man Walking", um nur mal ein paar zu nennen.
Die Story von "Stadt der Blinden" hat mich daher sehr interessiert, da man aus dieser Thematik ansich einiges machen kann, doch das Ergebnis ist leider nicht einmal zufriedenstellend. Es liegt nicht an den Schauspielern: Jeder spielt seine Rolle sehr authentisch, es liegt auch nicht an der Atmosphäre, welche stellenweise sehr bedrückend ist. Es liegt an der Unentschlossenheit, die der Regisseur bei seinem Werk an den Tag gelegt hat. Die erste halbe Stunde des Filmes ist vollkommen überflüssig. Der Anfang mag zwar noch gefallen, als der junge Chinese auf einmal blind wird und hilflos durch die Gegend stolziert und man mit ansehen muss, wie seine Hilflosigkeit gleich ausgenutzt wird. Darauffolgend wirken die Szenen größtenteils unauthentisch: Man sieht kein Trauern, keine Panik, keine Hilflosigkeit, die sicherlich jede verspüren würde, wenn ihn ein solches Schicksal ereilt. Daher fehlt es dem Film an den meisten Stellen an Seele, an Aussagekraft, für den Zuschauer fehlt das Gefühl in eine reale Gegebenheit zu schlüpfen und so plätschert alles so vor sich hin. Das Interesse, den Film weiterzuschauen ließ immens nach, trotzdem biss ich mich durch. Darauffolgend schlägt der Film dann das andere Extrem ein: Frauen werden von den Männern vergewaltigt, damit sie etwas zu essen bekommen, im Krankenhaus bricht ein regelrechter Krieg aus. Diese Szenen sind vielleicht noch zu verantworten, jedoch nicht unter den Gesichtspunkten, dass davor die Thematik so inobjektiv angegangen wurde. So kommt es einem vor, als würde aus einer völlig harmlosen Situation plötzlich das Chaos ausbrechen - kein geschickter Übergang.
Die Blindheitsthematik wurde leider auch nicht ausreichend verarbeitet. Gut, eindrucksvoll ist es schon, als man die Blinden durch die Stadt laufen sieht, in der mittlerweile Chaos und Verwüstung herrscht, da kommt man für kurze Zeit schon mal ins Grübeln. Das wars dann aber auch schon! Ansonsten hat man stetig den Eindruck, die Menschen würden den plötzlichen Verlust des Augenlichtes gut verkraften. Wo sind also die Dinge, die mich zum Nachdenken anregen, über die ich auch nach dem Film diskutieren kann? Wo ist das Mitfühlen mit den Charakteren? Ich habe zu keinem Zeitpunkt Mitleid für eine Person empfunden, ganz einfach weil viele Szenen (wie angesprochen) unauthentisch sind und die Charakterzeichnung einfach zu inkonsequent ist.
Der Film hat ästhetische Stärken. Man merkt schon am Anfang, dass hier jemand am Werk war, der es versteht, bildgewaltige Filme zu produzieren. Das reicht jedoch nicht für einen guten Film! Deshalb: Kurz nach dem Gang aus dem Kino ist der Streifen schon längst vergessen - für ein Drama viel zu wenig!