Filmen, die mit einem Vergleich zu anderen Filmen beworben werden, kann man meistens, neben der eigenen Unselbständigkeit, auch ein recht einfallsloses Marketing vorwerfen. Dieses führt in der Folge eher dazu, dass das durch den Vergleich geweckte Interesse beim Zuschauer in Enttäuschung endet und der beworbene Film dadurch letztlich mehr verliert, denn gewinnt. Deception‘ wird angedichtet, ein „packender Erotik-Thriller im Stil von Basic Instinct‘“ zu sein. Tatsächlich ist der Film, zumindest in der ersten Hälfte, ein sensibles und bisweilen imponierend gefilmtes Charakter-Drama mit leichtem erotischen Einschlag, das sich später zwar in einem missglückten Plot-Twist verliert, aber zu keiner Zeit in die Nähe von Paul Verhoevens Skandalrammler von 1992 kommt, geschweige denn überhaupt dorthin möchte.
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Der unscheinbare Jonathan lernt den aalglatten Lebemann und Anwalt Wyatt kennen. Mühelos kann Wyatt den biederen Buchprüfer von sich einnehmen und zeigt Jonathan eine Lebensart, von der dieser bisher nur geträumt hat. Durch einen Zufall, als die beiden ihre Handys vertauschen, verabredet sich Jonathan mit einer völlig Fremden – und stellt in der Folge fest, dass er auf einen sehr exclusiven Sexclub gestoßen ist. Nach einigen schlüpfrigen Abenteuern trifft Jonathan seine Traumfrau und verstößt gegen die Regeln des Clubs. Und muss später feststellen, dass Wyatt noch ganz andere Pläne mit ihm hat...
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Die Story klingt tatsächlich nach einem waschechten Sex & Crime‘-Thriller, trennt zum einen aber den Sex‘- vom Crime‘-Part und ist in den ersten fünfzig Minuten des Films schlicht mehr als das. Ewan McGregor gibt zwar vordergründig den typischen Normalo, der in eine außergewöhnliche Situation verstrickt wird, versieht seinen Jonathan aber mit einer wirklich blendenen Darstellung zwischen verkrampftem Festhalten am Gewohntem, der Sehnsucht nach Veränderung und schüchterner Neugierde und Genuss des Neuen, das ihm unerwartet widerfährt. Hugh Jackman bietet zu Beginn den perfekter Konterpart; schneidig, attraktiv, der Mittelpunkt seines eigenen und jeden Lebens, mit dem er in Berührung kommt. Die Chemie der beiden passt punktgenau, um aus ihren Gegensätzen die Eigenheiten des jeweils anderen zu destillieren.
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Jackman verlässt die Bühne nach einer Zeit und ist zunächst nur noch über das vertauschte Handy präsent, während McGregor auf den Sexclub stößt, dessen Treffen mit einem Anruf und der Frage „Bist du heute abend frei?“ starten. Und tatsächlich wird Jonathan nach einigen Treffen „frei“, findet in der Ungezwungenheit, Bedeutungslosigkeit und Konsequenzlosigkeit des Sex‘ eine Befreiung aus seinem isolierten Zustand. Ohnehin ist das Gefühl der Isolation, des Mangels an Identität und McGregors Verkörperung dessen das Zentrum der Geschichte, nicht die erotischen und erst recht nicht die späteren (misslungenen) Thriller-Elemente. Wie man in einer Welt, die über Datenautobahnen Pseudonähe und -intimität vermittelt und in der es einem bei aller Durchsichtigkeit (Stichwort „gläserner Mensch“) dank der Gleichgültigkeit aller anderen dennoch gelingt mit einer falschen, geschaffenen Identität loszuziehen, was Jackmans Wyatt tut, wie man in einer solchen Welt verzweifelt auf der Suche nach sich selbst ist, davon handelt Deception‘. Und dank McGregor (besonders seinem Gesicht), einer schnörkellosen, unaufgeregten, aber präzisen Inszenierung, hervorragender musikalischer Untermalung und starker Kameraarbeit funktioniert dieser Ansatz sehr gut – bis Hugh Jackman wieder ins Bild kommt.
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Der Bruch, den die Story ab hier erleidet, ist nicht etwa dem Schauspiel des Australiers geschuldet, sondern vielmehr der Entscheidung, den Fokus weg vom subtilen Drama hin zum reißerischen Crime‘-Plot zu verlegen, der nie mitreißend wird. Anstatt das Duell der Charaktere auf einer psychologischen Ebene stattfinden zu lassen, wozu sich durchaus Ansatzpunkte geboten hätten, entführt Jackman McGregors Traumfrau, gespielt von einer leicht fehlcharakterisierten, aber prinzipiell sehenswerten Michelle Williams, erpresst den Buchprüfer und erzwingt von ihm einen Millionenbetrug. Ab hier bedient sich Drehbuchautor Mark Bomback jedem Klischee, Logikloch und jeder vorhersehbaren Wendung, die das Genre in letzter Zeit bereits ausgiebigst platt gewalzt hat. Auch gelingt es Regisseur Marcel Langenegger nicht, das Ganze in irgendeiner Form von Raffinesse in neue Formen zu stanzen. Die Story kupfert beispielsweise beim Harrison Ford-Vehikel Firewall‘ oder beim ideenlosen Entgleist‘ ab und unterscheidet sich nur darin, dass Ewan McGregors behutsam eingeführter und aufgebauter Jonathan wenigstens nicht zur vollständig unglaubwürdigen Kampfsau mutiert, sondern am Ende zumindest eine leicht ins amoralische gezerrte Entscheidung trifft und nicht zum großen Retter mutiert. Hugh Jackmans Aura der Überlegenheit vom Beginn hätte man mit einigen Kniffen zudem plausibler ins Bedrohliche kippen lassen können, so wirkt der plötzliche Wandel und seine Offenbarung (bei aller Offensichtlichkeit) zu platt und gezwungen.
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Die Wirkung, die „Deception“ hinterlässt, hängt zum einen davon ab, inwieweit man sich darauf einzulassen bereit ist, dass er die Erwartungen an einen Thriller zu Anfang nicht erfüllen will, zum anderen davon, wie man zu dem steht, was stattdessen geboten wird und zum dritten davon, inwieweit man darüber hinwegsehen kann, dass der Film in der zweiten Hälfte fast komplett einbricht und die Erwartungshaltung zwar aufgreift, sie dann aber qualitativ nicht erfüllen kann. So kann „Deception“ entweder langatmige, unspannende Zeitverschwendung sein - oder ein zumindest fünfzig Minuten langes bemerkensweres Außenseiterdrama mit absolut interessanter Zeichnung, mit durchgehend hervorragender musikalischer Untermalung von Ramin Djawadi, unspektakulärer, aber sehr schöner Kameraarbeit von Dante Spinotti und einem guten (Jackman, Williams) bis ausgezeichneten (McGregor) Darstellertrio.