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    Masters Of Horror: Sick Girl
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Masters Of Horror: Sick Girl
    Von Christoph Petersen

    Die meisten Regisseure der „Masters Of Horror”-Reihe sind altbekannte Genre-Recken wie John Carpenter, Tobe Hooper oder Dario Argento, die schon die Horror-Hochzeit in den 70er Jahren aktiv mitgeprägt haben. Lucky McKee (The Woods) ist eine der wenigen Ausnahmen, hatte er doch bis zu seiner Arbeit an dieser Serie nur einen einzigen Film abgedreht. Aber sein Debüt – der mit Frankensteinanleihen gespickte „May“ - hat dabei, obwohl es nur einen sehr limitierten US-Kinostart erhielt, in Fankreisen solch hohe Wellen geschlagen, dass seine Partizipation an diesem Projekt trotz seiner wenigen Erfahrung zumindest gerechtfertigt erscheint. Zahlt sie sich aber auch für den Zuschauer aus? Seine mit Insektenhorror angereicherte lesbische romantische Komödie „Sick Girl“ ist so bissig ironisch und urkomisch geraten, dass sich auf diese Frage im Endeffekt nur eine stimmige Antwort finden lässt: auf jeden Fall!

    Wenn ein normaler Restaurantgast in seinem Essen einen Käfer findet, wird er oder sie in der Regel nicht sonderlich erfreut darüber sein. Anders sieht es bei den Insektenforschern Ida (Angela Bettis) und Max (Jesse Hlubik) aus: Als sie eine Schabe in ihren Nudeln entdecken, zeigen sie sich nach kurzer Obduktion sogar hoch erfreut darüber, dass der Laden scheinbar echtes chinesisches Essen verkauft – wo sonst bekommt man noch solch einen Service geboten? Allerdings hat diese Toleranz gegenüber Kriechtieren auch ihre Schattenseiten: So hat Ida zum Beispiel große Probleme damit, andere Frauen in ihr von Sechsbeinern umringtes Bett zu kriegen. Es scheint also wie eine glückliche Fügung, dass Idas neuester Flirt, die wunderschöne, aber geheimnisvolle Misty (Misty Mundae), selbst großes Interesse für die Krabbelviecher zeigt. Als Misty sogar bei Ida einzieht, scheint alles für den siebten Himmel bereit – wäre da nicht dieser merkwürdige Riesenkäfer entflohen, der neben dem Jagen von kleinwüchsigen Hunden auch das Infizieren von menschlichen Opfern mit einem mutationsfreudigem Serum zum Hobby hat…

    Die größte Stärke von „Sick Girl“ ist neben der einfallsreichen Inszenierung sein treffsicherer dunkelschwarzer Humor. Dabei zielen die Gags recht ausgeglichen auf zwei grundverschiedene Themen ab. Zum einen gibt es den Käfer- und Nerd–Hintergrund von Ida, dessen Potential für Wort- und Sprachwitz nahezu vollständig ausgeschöpft wird – so hängt an Idas Tür zum Beispiel ein Schild mit der Aufschrift „Don´t Bug Me“. Auf der anderen Seite gibt es aber auch noch jene Gags, die auf Vorurteile gegenüber der lesbischen Beziehung zwischen Ida und Misty einprügeln. Diese sind zwar genauso komisch wie die Bug-Sprüche, dazu aber oft auch noch rabenschwarz und bitterböse. Um hier noch einmal auf die anfängliche Frage, ob McKee in die Riege der 70er-Jahre-Regieheroen passt, zurückzukommen: Im Gegensatz zu vielen anderen hippen Horror-Regisseuren der neuen Generation vergisst er es zumindest nicht, einer der am höchsten einzuschätzenden Qualitäten der 70th-Ära Rechnung zu tragen – er lässt es sich nämlich nicht nehmen, neben allem Spaß und aller Spannung auch ein gesellschaftliches Statement abzugeben.

    Neben McKees offensiven Umgang mit dämlichen Vorurteilen und erzkonservativen Vermieterinnen ist es aber vor allem das perfekt abgestimmte Zusammenspiel der beiden frisch Verliebten, das sowohl den romantischen als auch den humorigen Anteil der Komödie so einwandfrei funktionieren lässt. Misty Mundae, die ihre Karriere vor allem Auftritten in billigen Independent-Horror-Streifen und Softcore-Lesbenpornos verdankt, ist einfach die Richtige, um eine zu einem Käfer mutierende lesbische Schönheit zu spielen. Und Angela Bettis, die schon als Schneiderin des Todes in McKees Debüt „May“ mit ihrem Mut zum Außergewöhnlichen auftrumpfen konnte, gibt Ida so als stocksteife und klinisch sprechende (in die OV auf jeden Fall zumindest mal reinhören) Wissenschaftlerparodie, dass es für den Zuschauer bis zum Schluss ein Rätsel bleibt, wie sie dennoch so sympathisch und liebenswert rüberkommen kann.

    Erst in der letzten Viertelstunde schlägt „Sick Girl“ von einer romantischen Komödie mit Suspense-Einschlag in einen wirklichen – wenn auch immer noch manisch augenzwinkernden – Horrorfilm um. Ein mutiger und nicht gerade einfacher Spurwechsel, der McKee aber vor allem durch das intensive Spiel von Misty Mundae scheinbar spielend gelingt. Auch die Wahl eines trashigen Insektenmonster-Kostüms irgendwo zwischen einem Digimon auf Speed und einem 50er-Jahre Roger-Corman-Gummi-Ungeheuer passt sich da in die insgesamt ironische Haltung der Episode perfekt ein. Vielleicht hätte „Sick Girl“ eine noch stärkere Wirkung, wenn McKee statt der 57 die kinoüblichen 90 Minuten zur Verfügung gehabt hätte – dann nämlich hätte er nach seiner grandiosen Einführung auch den Showdown noch etwas ausführlicher auskosten können. Aber auch so kann man sich bei seinem kleinen Horrorspaß für zwischendurch mit leicht aufgerichtetem Nackenhaar wunderbar totlachen.

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