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    Death Sentence - Todesurteil
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Death Sentence - Todesurteil
    Von Nicole Kühn

    Auge um Auge – Zahn um Zahn. Schon die Bibel sagt uns, dass die Rechung nicht beglichen ist, bis nichts mehr übrig ist, was man dem Gegner nehmen könnte. Dass es bei erbitterten Rachefeldzügen keinen Sieger geben kann, lässt Regisseur James Wan seinen Helden im eher gutbürgerlichen Umfeld von Boston erfahren. So engagiert und genau beobachtet die Story der Wandlung eines braven US-Bürgers in einen wahren Terminator beginnt, so unglaubwürdig und uninspiriert ist die weitere Entwicklung des Action-Dramas „Death Sentence“. Bei Saw, weniger bei dem nächsten Horror-Versuch Dead Silence, bewies der junge Regisseur ein glücklicheres Händchen und etablierte sich als verlässlicher Lieferant gelungener Blutschocker. „Death Sentence“ dagegen kommen die eigenen Ansprüche im Gewaltrausch schnell abhanden.

    Die Unmittelbarkeit einer Digi-Handkamera bringt uns das heile Leben der Familie Hume nahe: Zu Weihnachten erfüllt man sich stressfrei gegenseitig Wünsche, feiert ausgelassen gemeinsam Silvester und alles ist gut. Während Vater Nick (Kevin Bacon) mit der statistischen Berechnung der erwartbaren Lebensdauer in Abhängigkeit von den Lebensumständen die Brötchen verdient, schmeißt Helen (Kelly Preston) den Haushalt und versucht, die beiden pubertierenden Söhne Lucas (Jordan Garrett) und Brendan (Stuart Lafferty) zu anständigen Menschen zu erziehen. Die völlig sinnlose Ermordung des älteren Sohnes vor den Augen des Vaters versetzt die Familie in einen Schockzustand. Aus der Lähmung wird sie herausgerissen, als das Justizsystem sie mit der Tatsache konfrontiert, dass der Täter zwar gefasst ist, aber wohl kaum höher als mit wenigen Jahren Gefängnis bestraft wird – obwohl klar ist, dass der Mord lediglich als Initiationsritual für eine Straßengang diente. Den einzigen Weg zur Gerechtigkeit sieht Nick in der Selbstjustiz und löst damit einen gnadenlosen Krieg aus: die Darly-Gang gegen die Hume-Familie!

    Wan huldigt dem uramerikanischen Credo des Patriarchismus: Schon zu Beginn ist es der allsorgende Vater, der gutgelaunt von der Arbeit kommt und die Autoritätsprobleme seiner Frau den Söhnen gegenüber in freundlichem, aber bestimmtem Ton übernimmt. Den weiteren Verlauf der Entwicklungen nimmt er in die Hand, ohne seine Familie im Geringsten einzuweihen – weder in seine Rachepläne noch in seine Gefühlswelt. Die brave Ehefrau gibt die Verantwortung auch allzu gerne ab und wirft sich liebend in die Arme des letztlich verantwortungslos handelnden Nick. Dem anfänglichen Verlauf der Dinge gibt Wan noch etwas Raum für die Beobachtung der emotionalen Verwerfungen, die das plötzliche gewaltsame Verschwinden eines Familienmitglieds auslöst. Jordan Garrett hält mit seiner Leistung als sich ungeliebt fühlender Loser mit Kelly Preston und Kevin Bacon locker mit. Im Gegensatz zu seinen Eltern versucht er, das bleierne Schweigen zu durchbrechen. Seine Rufe gehen jedoch weitgehend ungehört in Nicks Rachedurst unter. Erst spät, als er wirklich alles verloren zu haben glaubt, wird Nick sich seiner Beziehung zu seinen beiden Söhnen bewusster.

    Allzu schnell schlittert der Film in das stimmungsvoll inszenierte Halbreich der Kleinkriminellen ab. Und dort wird gehasst, gejagt und gemetzelt. Nicht immer frei von Klischées, doch weitgehend nachvollziehbar. Garrett Hedlund gibt dem Billy Darly hauptsächlich eisig böse Blicke mit auf den Weg, reizt den Hauch des Möchtergern-Gangsterbosses jedoch leider nicht wirklich aus. Welch armes Würstchen der böse Junge in Wahrheit ist, macht John Goodman als dessen Vater viel unmissverständlicher klar. Um sich von einem reinen Actionstreifen à la Stirb langsam abzuheben, schiebt sich immer wieder die vernünftige Stimme des Gesetzes in Form der kühlen Polizistin Wallis (Aisha Tyler) ins Geschehen. Gebetsmühlenartig predigt sie die Sinnlosigkeit der Gewaltspirale, die Nick losgetreten hat. Angenehm überrascht dagegen die Lektion im Umgang mit Waffen, die dem Zuschauer die langsame Annäherung des biederen Bürgers an seine neuen tödlichen Freunde zeigt – sympathisch unbeholfen und doch wild entschlossen. Dafür fehlt Bacon jede Spur jenes trockenen Humors, der z. B. Bruce Willis auch in den abstrusesten Duellen noch charmant rüberkommen lässt. Besser hätte es dem Regisseur angestanden, konsequent zu seinem Faible für blutige Action zu stehen, statt das Ganze noch political correct mit einer Glasur aus moralischer Besserwisserei zu überziehen. Dermaßen geknebelt funktioniert auch das finale Aufeinandertreffen der Kontrahenten nicht: So wie Bacon mit seiner verunglückten Punkerfrisur nicht überzeugt, so wenig tut es Hedlund mit seiner tiefgründigen Erkenntnis, wenn er zu Nick sagt: „Schau dich an, jetzt bist du einer von uns.“

    Fazit: Das Gegenteil von gut ist gut gemeint – hoffen wir, dass Wan sich demnächst wieder dem widmet, was er kann: atmosphärisch dichte Genrekost mit hohem Spannungs- und Schockfaktor.

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