Der Blick in die eigene Geschichte, die Verarbeitung historischer Schuld und staatlicher Krisen ist in Deutschland ein ständiges Thema politischer Debatten und gesellschaftlicher Diskussionen. Dieses schwierige Erbe engt die Perspektive manchmal etwas ein, so dass prägende innere Konflikte selbst unserer Nachbarländer und EU-Partner nur selten von der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen und in ihrer historischen Dimension vermittelt werden. Das biografische Drama „Salvador – Kampf um die Freiheit“ von Regisseur Manuel Huerga handelt von Personen und Zusammenhängen, die zwar in Spanien wohlbekannt sind, den meisten hiesigen Zuschauer aber weniger vertraut sein dürften. Leider ist Huergas oberflächliches Porträt eines militanten Gegners des Franco-Regimes in der Spätphase kaum als Informationsquelle in diesem Sinne geeignet, da er den historischen Kontext wenig beleuchtet und die großen Linien als bekannt voraussetzt. Und auch als humanistische Erzählung, die über den konkreten Handlungsrahmen hinaus weist, ist der Film nicht besonders gelungen. Die Initiative, diesen Film dennoch in die deutschen Kinos zu bringen dürfte in erster Linie dem Mitwirken Daniel Brühls (Nichts bereuen, Good Bye, Lenin!, Die fetten Jahre sind vorbei) in der Titelrolle zu verdanken sein. Als Starvehikel im doppelten Sinne ist „Salvador“ tatsächlich am ehesten von Interesse.
Barcelona, 25. September 1973. Zwei Mitglieder der anarchistischen iberischen Freiheitsbewegung MIL geraten in einen Hinterhalt von Francos Geheimpolizei. Bei der Schießerei kommt einer der Polizisten ums Leben. Der junge Salvador Puig Antich (Daniel Brühl) wird verhaftet und ins Gefängnis gebracht. Seinem Anwalt Oriol Arau (Tristán Ulloa) schildert Puig Antich seinen Werdegang vom studentischen und gewerkschaftlichen Engagement gegen Franco hin zu militantem Widerstand. In Rückblenden wird von Banküberfällen, Familienkonflikten und Liebesgeschichten erzählt. Im Gefängnis kommt es unterdessen zur allmählichen Annäherung von Puig Antich und dem Wärter Jesús (Leonardo Sbaraglia). Vor dem Militärgericht wird die Todesstrafe für den Anarchisten wegen Polizistenmords gefordert. Und als der Regierungschef und Franco-Vertraute Luis Carrero Blanco einem ETA-Attentat zum Opfer fällt, wird Puig Antichs Kampf gegen die drohende Hinrichtung mit der Würgeschraube Garotte zunehmend aussichtslos...
Ein Leben ohne Furcht: Dieser Anspruch Salvador Puig Antichs ist dem Film als Motto vorangestellt. Sein Festhalten an diesem Ideal führte ihn in Opposition zu den totalitären Strukturen der spanischen Gesellschaft in den späten Jahren von Francos Herrschaft. Huerga und sein Autor Lluis Arcarazo setzen den Akzent ganz klar auf den individuellen Freiheitsdrang und das charismatische Wesen der Hauptfigur. Die Funktionsweise des klerikal gestützten Unterdrückerstaats ist genausowenig Thema wie die gesellschaftlichen Gegenentwürfe seiner Gegner. Immer wieder sind Bücher und Pamphlete Teil der Handlung, aber ihr Inhalt ist zweitrangig. Wenn sich die Aktivisten während des ersten Banküberfall der MIL beim Verkünden der eigenen politischen Parolen verhaspeln und einen Lachanfall bekommen, mag das eine amüsante Szene mit einer gewissen Gangsterromantik sein. Sie ist aber so unvermittelt wie sie ist auch ein Beispiel dafür, wie die Filmemacher durch eine allzu episodische Erzählweise den großen Bogen vernachlässigen. Komplexität und Widersprüchlichkeit werden zugunsten wenig aussagekräftiger Anekdoten vernachlässigt. Schwierige persönliche Beziehungen wie Salvadors Verhältnis zu seinem Vater (Celso Bugallo) und das erwachende Verständnis des Polizisten Jesús für den Gefangenen bleiben psychologisch unterbelichtet.
Auch in seiner Inszenierung setzt Huerga eher grobe Akzente. Scharfe Kontraste und grelles Schlaglicht für Demonstrationen, eine verkantete Kamera bei Verhörszenen. Nachdem er die Nachricht von Sturz und Tod Salvador Allendes erhalten hat, rast sein trauernder spanischer Namensvetter mit dem Motorrad durch einen Tunnel: Innere und äußere Bewegung in rot dominierten, verschwimmenden Bildern. Unruhe und andere Gemütsregungen sollen immer auch durch visuelle Mittel verdeutlicht werden. Diese oft bis zur Beliebigkeit gesteigerte Stilisierung mag Huergas Erfahrungen als Experimentalfilmer und als Regisseur von Werbe- und Videoclips geschuldet sein. Bei seinem zweiten Spielfilm (nach dem 1995 entstandenen Drama „Antártida“) entspricht das Zuviel an formalem Gestaltungswillen einem Zuwenig an thematischer Differenzierung.
„Salvador – Kampf um die Freiheit“ ist auf seine Art ein Pamphlet, bei aller Unausgewogenheit steht das Engagement der Filmemacher gegen die Todesstrafe außer Frage. Unter Verzicht auf womöglich provozierende Stellungnahmen zur jüngeren spanischen Vergangenheit, wird hiermit ein in Europa weitgehend unumstrittenes Anliegen in den Mittelpunkt gestellt. Salvador Puig Antich wird als Sympathieträger mit Symbolkraft zur idealen Opferfigur geformt. Daniel Brühl, der als in Barcelona geborener Sohn einer katalanischen Mutter seinen eigenen iberischen Wurzeln nachspürt, gelingt es, Charisma und Star-Appeal mit für jedermann nachzuempfindenden Emotionen und Ängsten auszubalancieren.