Seit Kommissar Wallander mit einem Whiskeyglas in jeder Hand auf den deutschen TV-Bildschirmen ermittelt, sind konsequente Krimis und Thriller der härteren Gangart aus Skandinavien wieder zu einer Qualitätsmarke geworden. Dabei Beschränken sich die Importe schon lange nicht mehr nur auf die Henning-Mankell-Verfilmungen, sondern beinhalten auch kleinere böse Produktionen für den nach immer mehr Adrenalin und Blut verlangenden DVD-Markt. Ob es nur am depressiv machenden langen Winter liegt oder es auch noch andere Gründe gibt, auf jeden Fall haben die düsteren Visionen aus dem hohen Norden fast immer eine interessant-verstörende Note an sich. Leider ist Pal Sletaunes Psychothriller „Next Door“ eine der berühmten Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Natürlich versucht auch er, düster und verstörend zu sein, aber die eine Idee, aus der der ganze Film besteht, ist viel zu schnell erschöpft, so dass der weitere Verlauf dann nur noch langweilig und beliebig daherkommt.
Kurz nachdem seine Exfreundin Ingrid (Anna Bache-Wiig, „Buddy) ihre letzten Sachen abgeholt hat, begegnet John (Kristoffer Joner, „Dark Woods“) im Hausflur zum ersten Mal seiner Nachbarin Anne (Cecilie A. Mosli, Elling). Sie bittet ihn auch gleich um einen Gefallen, er soll in ihrer Wohnung beim Umstellen eines schweren Schranks helfen. In der wild eingerichteten Wohnung angekommen, wird es aber schnell merkwürdig: Der Schrank soll als Barrikade vor die Eingangstür gestellt werden, aber dann könnte John ja gar nicht mehr raus. Und Annes angebliche Schwester Kim (Julia Schacht), die von Johns Vormieter vergewaltigt worden sein soll, verwickelt ihn in ein äußerst brutales sexuelles Abenteuer. Die Grenzen zwischen Traum und Realität, zwischen Wirklichkeit und Perversion fangen an, immer stärker ineinander zu verschwimmen…
Laut imdb soll Regisseur und Autor Pal Sletaune („Wenn der Postmann gar nicht klingelt“) einst die Regie von American Beauty abgelehnt haben, weil ihm das Drehbuch nicht gut genug war. Auch wenn der erste Eindruck Was für ein Trottel natürlich angebracht ist, ist der zweite Gedanke, wie hätte wohl eine Sletaune-Version des Mendes-Films ausgesehen, gar nicht mal so uninteressant. Hätte er American Beauty genau so inszeniert wie „Next Door“, wären die Emotionen auf ein Minimum zurückgefahren worden und das intellektuelle Spiel wäre noch stärker in den Vordergrund gerückt. Ein filmisches Experiment, dass durchaus hätte funktionieren können und mit Sicherheit seinen Reiz gehabt hätte – ganz im Gegenteil zu „Next Door“, denn dieser Film hat nun wirklich ein schwaches Drehbuch. Aus der nicht intelligenten, sondern überkonstruierten Grundidee, die den gesamten Film tragen soll, lässt sich bei weitem nicht genug herausholen, als dass man damit auch nur Ansatzweise die relativ kurzen 72 Minuten von „Next Door“ zufrieden stellend füllen könnte.
Die 18er-Freigabe des Films hat er vor allem einer Szene zu verdanken, in der harter, blutverschmierter Sex und konsequente Gewaltdarstellung zusammenkommen – eine Mischung, auf die die FSK immer allergisch reagiert. Dass es einen nicht unerheblichen Reiz haben kann, abartige sexuelle Perversionen in seinen Filmen zu verarbeiten, hat Genre-Vorreiter David Cronenberg mit Videodrome, „Die Unzertrennlichen“ und „Crash“ mehr als eindrucksvoll bewiesen. Aber wo es ihm gelang, die Perversionen in verstörend-surreale Bilderwelten zu verpacken, wechselt Sletaune vorhersehbar von einer Großaufnahme zur nächsten, ohne den Zuschauer auf der inszenatorischen Ebene auch nur ein einziges Mal zu überraschen. Die progressive Herangehensweise an dieses schwierige Thema und die biedere Tatort-Inszenierung wollen einfach nicht zusammenpassen – so wirkt es einfach nur lächerlich und auf keinen Fall verstörend, wenn sich John und Kim beim Ficken gegenseitig die Visagen einschlagen.
Die ersten fünf Minuten von „Next Door“ machen durchaus neugierig, aber spätestens nach einer Viertelstunde, wenn auch der Letzte das Konstrukt des Films durchschaut haben sollte, sinkt die Spannung rapide in den Keller. Zwar kann man das Ende nicht in allen Einzelheiten voraussagen, dafür ist der Film dann im Endeffekt auch zu beliebig, aber zumindest im Grundsatz ist alles klar. Nur durch eine interessante Inszenierung hätte man den Zuschauer so noch bei der Stange halten können, aber die bleibt der Film dann auch in jeder Szene schuldig. Im Gegensatz zum ähnlich gelagerten Stay von Marc Forster ist bei „Next Door“ das Verlassen auf eine einzige Idee grandios gescheitert.