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    Frontier(s)
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Frontier(s)
    Von Jens Hamp

    Die Franzosen lassen nicht locker. Nachdem in Inside bereits eine unzurechnungsfähige Psychopathin auf der Jagd nach einem ungeborenen Kind war, muss sich in „Frontier(s)“ nun erneut eine Schwangere durch einen kompromisslosen Terrorfilm schlagen. Sein Handwerk erlernte der Regiedebütant Xavier Gens, der anschließend in den USA Hitman abdrehte, in den Neunzigern als Assistent bei diversen Jean-Claude-van-Damme-Filmen („Double Team“) – es wäre jedoch zu hart, wenn man behauptete, dass sich deren mangelhafte Qualität nun unmittelbar auf „Frontier(s)“ auswirken würde. Immerhin weist der französische Horrorfilm durchaus viel versprechende Ansätze auf.

    Paris: Krawalle auf den Straßen. Die Bevölkerung ist mit dem Ausgang der Präsidentschaftsvorwahlen keineswegs zufrieden und entlädt ihren Unmut in brutalen Straßenschlachten. Doch nicht für jeden sind diese Zustände ein unberechenbares Chaos: Eine fünfköpfige Bande Heranwachsender nutzt die tumultartige Situation schamlos für einen ertragreichen Coup aus. Nach ihrer Flucht aus der französischen Hauptstadt wollen sich die Kleinkriminellen in einer Pension vor der Grenze wieder treffen. Eine fatale Entscheidung. Denn der greise Herbergsvater (Jean-Pierre Jorris) ist ein Weltkriegsveteran, der die Niederlage der Deutschen immer noch nicht verkraftet hat. Mit seiner kannibalischen Sippe versucht er daher, eine neue Herrenrasse zu züchten. Während die männlichen Gäste langsam zu Tode gequält werden, wird die schwangere Yasmina (Karina Testa) auserkoren, ihr ungeborenes Kind für die neue reine Rasse herzugeben…

    „Frontier(s)“ steht vordergründig ganz in der Tradition des dreckigen Horrorkinos der 1970er. Die schäbige Atmosphäre und die quälend-realen Gewaltexzesse werden zwar in zeitgemäßer Hochglanzoptik gefilmt, wie es für das Genre in den Siebzigern üblich war, ist „Frontier(s)“ aber auch ein zynischer Kommentar auf die gesellschaftliche Lage. Immer wieder wurden die Nachrichten in den vergangenen Jahren von gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und den Jugendlichen der Pariser Vorstädte geprägt. Ein Umstand, der in Gens‘ Debüt dafür sorgt, dass die Filmpolizisten in Jugendlichen immer eine direkte Bedrohung sehen – unabhängig von deren physischer oder psychischer Verfassung. Diesen Boden des Misstrauens nähert das von Gens verfasst Drehbuch durch die zu Beginn gezeigten Straßenschlachten zusätzlich, an denen sich die späteren Opfer selbst aktiv beteiligen.

    Den im Film eingestreuten Nachrichtenfetzen zufolge sind die Auslöser für die fiktiven Krawalle tatsächlich in der Realität verwurzelt. Am 21. April 2002 konnte sich mit Jean-Marie Le Pen ein rechtsradikaler Politiker im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahl gegen den hoch gehandelten Lionel Jospin durchsetzen. Nach landesweiten Protesten war Le Pen dann jedoch gegen Jacques Chirac chancenlos. Dieses Aufkeimen rechtsradikaler Tendenzen in der französischen Gesellschaft verwendete Gens schließlich als Stein des Anstoßes für die Wahl seiner Widersacher: Eine Nazifamilie, deren Bestreben, eine reine Rasse zu etablieren, bereits zahllose - nunmehr in einem Kühlraum aufgehängte - Opfer forderte.

    Leider ist dieser durchaus begrüßenswerte gesellschaftskritische Unterton auch der größte und entscheidende Schwachpunkt, den man „Frontier(s)“ vorwerfen muss. Die deutschen Dialogbrocken sind lachhaft, die Charakterisierung der Nazis überzogen und der Versuch, mit einer Südländerin das arische Blut in der Familie zu erneuern, fernab jeder Logik. Es würde vermutlich deutlich leichter fallen, „Frontier(s)“ unter diesen Umständen in die Trashecke einzuordnen, Gens nimmt sein Filmdebüt aber bluternst. Immer wieder zeigen die drastischen Gewalttaten und die pessimistische Atmosphäre, dass ein ironischer Unterton nicht durchdringen soll. Um diesen ausweglosen Charakter weiter zu untermauern, nimmt Gens Anleihen bei anderen wegweisenden Genrewerken. Das an Tobe Hoopers The Texas Chainsaw Massacre erinnernde Storyfundament wird durch ein Familienessen inklusive Fütterung der gebrechlichen Alten gefestigt. Die Fassade wird mit einer klaustrophobischen und deutlich an Neil Marshalls The Descent erinnernde Kletterpartie durch einen engen Schacht gefestigt. Unter diesem zusammenstibitzten Dach findet schließlich auch noch ein dickleibiger Metzger Platz, der nicht unbedingt in einer französischen Pension arbeiten müsste, sondern ebenso in einem slowakischen Hostel anheuern könnte.

    Der Zuschauer wird immer wieder mit bekannten Szenarien und schlampig recherchierten deutschen Dialogfetzen konfrontiert. Doch dies sind nicht die einzigen Stolpersteine, die dem Filmgenuss entgegenstehen. Zu allem Übel muss sich der Zuschauer zudem mit üblen Horrorklischees herumplagen. Natürlich werden Fluchtversuche immer unterbunden. Irgendeinem Familienmitglied läuft man im französischen Grenzland schon in die Arme. Und auch bei der Entscheidung, ob man sein Glück mit einer oberirdischen Flucht versuchen oder doch lieber mit einem Aufzug in einen unbekannten Minenschacht hinabsteigen sollte, ist die Antwort natürlich vorprogrammiert. Allerdings sorgen nicht nur diese Klischees beim Drehbuch für Qualitätsabzüge. Das selbstzweckhafte Verhalten der Pensionsgäste sorgt über weite Strecken für Kopfschütteln. Selbstverständlich legt man seinen aufbrausenden Charakter auch dann nicht ab und beleidigt die Gastgeber zudem noch, wenn man bereits deutlich in der Unterzahl ist und erste Gewalttätigkeiten erleben musste. Irgendwie müssen die Bösewichter ja aus der Reserve gelockt werden, damit sie nach gut vierzig Minuten endlich mit dem richtigen Quälen beginnen können.

    Ärgerlich ist dieses uninspirierte Drehbuch insbesondere, wenn man die Leistungen der Hauptdarsteller näher betrachtet. Karina Testa ist als zurückschlagendes Opfer beeindruckend. Ihr Zustand wird merklich labiler, die Haltung fast schon katatonisch, der Blick verstört-abwesend - bis sie ihre Angst und Verzweiflung schließlich herausschreit. Aber auch der kahl geschorene und muskelbepackte Samuel Le Bihan (Pakt der Wölfe) beweist als vermutlich Intelligentester der Bösewichter ausdrucksstark und angsteinflößend sein Können. Das restliche Ensemble kann mit diesen Qualitäten nicht mithalten. Während die kleinkriminellen Pariser einzig als Folteropfer dienen und kaum Möglichkeiten zum Überzeugen haben, wirken die verbleibenden Mitglieder der Nazifamilie wie ein Sammelsurium klassischer Widersacher, die im Extremfall an zurückgebliebene Hinterwäldler erinnern. Amüsant wird es für den Zuschauer dann, wenn Jean-Pierre Jorris als Familienoberhaupt schließlich zum grimmigen Overacting ansetzt.

    Some lines should not be crossed...

    Vermutlich sollten an einen klassischen Terrorfilm keine zu hohen Ansprüche gestellt werden. Einziges Ziel ist schließlich das Zerfetzen der Nerven des Zuschauers durch psychische Extrembelastung und visuell verstörende Gewaltmomente. Leider lässt sich „Frontier(s)“ aber nur schwerlich mit diesen Genregrundsätzen vereinbaren. Während der Genreklassiker „The Texas Chainsaw Massacre“ und seine zahllosen Epigonen fest in der Realität verwurzelt sind und bewusst auf jeglichen Humor verzichten, ist bereits die Ausgangslage des französischen Films zu haarsträubend, um ernst genommen zu werden. Wahrscheinlich hätte es Xavier Gens‘ Debütwerk gut getan, wenn anstelle der Nazifamilie eine ganz „normale“ Psychopathentruppe zusammengewürfelt worden wäre. So erweist sich der stringent inszenierte „Frontier(s)“ nun leider viel zu oft als unfreiwillig komisch. Diese Schwäche und die ideenlose Handlung werden wahre Gernefreunde wahrscheinlich nicht übermäßig stören – unter kritischer Betrachtung reißt dieses unstimmige Gesamtbild den Film jedoch nach unten.

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