Wenn eine Adaption zur filmischen Beleidigung wird!
„Sternwanderer“ von Neil Gaiman ist ein wirklich zauberhaftes Buch. Der Autor von „Coraline“ kreierte mit „Sternwanderer“ eine wirklich besondere Fantasywelt, in der ich mich gerne verlieren wollte. Meine Frau und ich haben zudem die wunderschöne Ausgabe des Buches mit Illustrationen von Charles Vess. Ein Verfilmung des Stoffes würde äußerst schwer werden, da man in einem zweistündigen Film gefühlt nur einen Bruchteil der Story erzählen kann. Aber wenn das jemand kann, dann doch Matthew Vaughn, der Mann, der schon mit „Kick-Ass“ und „Kingsman: The Secret Service“ gezeigt hat, wie fabelhaft er Vorlagen (in diesen Fällen Graphic Novels) in Filme verwandeln kann. 2007 war es dann soweit: Paramount Pictures konnte die Rechte des Buches ergattern und ließen Vaughn das Ganze umsetzen. Im schlimmsten Fall dürfte ein mittelprächtiger Fantasy-Film dabei heraus kommen. Und tatsächlich konnten viele Leute der Verfilmung etwas abgewinnen. Auf „rottentomatoes.com“ etwa hat der Film ein Rating von 77 % und bei „imdb“ 7,6 Punkte. Viele der Darsteller waren damals große Namen oder wurden dadurch erst bekannt, wie Hauptdarsteller Charlie Cox, der später Dardevil in der beliebten Marvel-Serie spielte. Doch „Sternwanderer“ von 2007 ist für mich (ohne zu übertreiben) einer der schlechtesten Filme, die ich je gesehen habe! Und das nicht nur, weil ich den Film für eine grauenvolle Adaption des Stoffes halte, sondern auch rein technisch ist dieses Werk in meinen Augen absoluter Trash. Ich respektiere selbst die schlechtesten Filme irgendwie dafür, dass sie es zumindest versuchen etwas zu erschaffen. Aber in „Sternwanderer“ sehe ich keinen Film, sondern eher eine Parodie eines Films, der leider nicht existiert. Doch eins nach dem anderen…
Die Story ist recht groß und episch: Der junge Tristan (im Buch heißt er übrigens Tristran, das war den Produzenten offenbar zu kompliziert) will seiner Liebe Victoria beweisen wie sehr er sie liebt. Dafür verspricht er ihr eine Sternschnuppe zu finden, die in der angrenzenden, magischen Welt gelandet ist. Doch auch düstere Mächte haben es auf diesen Stern abgesehen: Die verbliebenen und hinterlistigen Söhne eines verstorbenen Königs und eine finstere Hexe, die mit dem Stern ihre Jugendlichkeit und ihre Macht zurückerlangen kann. Was aber kaum jemand weiß: Der Stern ist ein Wesen in Gestalt einer jungen Frau.
Die Story ist wirklich groß und magisch. Im Buch wird die verzauberte Welt mit viel Realismus erzählt. So sind Themen wie Gewalt und Sex immer wieder wichtig in der Geschichte. Der Film jedoch hat von dieser düsteren Note nichts mehr. Im Gegenteil: Man versuchte das Ganze mit Witz und Klamauk zu erzählen. So wollten die Produzenten natürlich das Ganze schön für Familien vermarkten, wie auch die „Harry Potter“- und „Narnia“-Filme, die zu der Zeit gigantisch waren.
Das ist bereits die erste große Katastrophe dieser „Verfilmung“: Die Figuren und die Ereignisse im Film wirken albern, gar wie eine Parodie. Dieses ganze Werk könnte in meinen Augen problemlos als Parodie des Stoffes fungieren. Es gibt keine Ernsthaftigkeit, nur dumme Witze. Und wenn es dann zu „gefühlvollen“ Szenen kommt, dann ersticken diese im unerträglichsten Kitsch! Das liegt übrigens an der zweiten Katastrophe von „Sternwanderer“: Dem Drehbuch.
Matthew Vaughn schrieb mit Jane Goldman sogar zusammen an dem Skript. Und es ist einfach schrecklich! Klar, man muss Dinge weglassen oder radikal kürzen bei so einer Romanverfilmung, aber hier ist nichts mehr übrig geblieben. Ja, die großen Momente sind da, haben aber einfach keine Wirkung mehr. Die Story rast im Tempo eines D-Zuges durch, manche Szenen sind innerhalb einer Minute vorbei, große Ereignisse werden schnell abgetan und weder Figuren noch der Film selbst haben Zeit zum Atmen. Die magische Welt neben dem Dorf Wall wird mit einem Satz erwähnt und dann kaum gezeigt. Wo ist die Magie? Im Buch nimmt sich das erste Kapitel schön viel Zeit, sodass der Leser diese Welt kennen lernen kann. Später lernt man die Hexe und die Brüder und ihre Missgunst einander gegenüber kennen. Tristan und der Stern haben zudem viel Zeit, um sich kennen- und schließlich lieben zu lernen. Das alles passiert in diesem Film nicht. Es ist wie eine Checkliste, die alles schnellstmöglich abhaken will. Und hätte ich das Buch nicht gelesen, ich wüsste nicht, was in dem Film abgeht! Wichtige Storyelemente ergeben kaum Sinn, werden nicht mal wirklich erwähnt und erzeugen somit krasse Logiklücken. Das Schlimmste ist jedoch, dass alle Figuren blass und eindimensional bleiben. Das Drehbuch macht aus den beiden Protagonisten beispielsweise leider völlig uncharmante Idioten und aus den düsteren Antagonisten der Story werden slapstickhafte Trottel.
Aber hier hört das Desaster noch lange nicht auf. Allein technisch ist der Film ein Gräuel und wirkt fast wie ein billiges Trash-Werk, wären da nicht die großen A-List-Actors. Die Effekte sind absolut lachhaft und für 2007 inakzeptabel. Dabei gibt es kaum Magie zu sehen, jedenfalls keine magischen Kreaturen wie im Buch. Und wenn dann mal ein Zauberspruch der Hexe passiert, dann ist es ein peinlicher, grüner Rauch, der aus ihrem Finger kommt. Die Musik von Ilan Eshkeri versucht das Ganze so gut es geht zu pushen und möchte krampfhaft den Film episch erscheinen lassen, scheitert aber gnadenlos (was aber am Film, nicht an der Musik liegt!). Richtig schlimm ist der Schnitt von Jon Harris. Der hat scheinbar kein Gefühl dafür, wie lange eine Szene (oder auch eine Einstellung) zu dauern hat. Obendrein sind die Kostüme teils sehr billig, wie etwa das des Sterns selbst. All das ergibt einen (für mich) extremst unangenehmen Film, der zwar stellenweise so schlecht ist, dass er mich zum Lachen gebracht hat, aber die meiste Zeit einfach nur wehtut beim Anschauen.
Mir tun bei der ganzen Geschichte vor allem die Darsteller leid, denn die haben in meinen Augen den geringsten Anteil an diesem Fiasko. Ja, Charlie Cox und Claire Danes wirken uncharmant und leider auch stellenweise wie schlechte Darsteller, aber beide können deutlich mehr. Es liegt eben an der ganzen miserablen Inszenierung. Gleiches gilt auch für Michelle Pfeiffer oder Mark Strong. Nur Robert De Niro kann trotz des ganzen Drumherum noch etwas Klasse zeigen.
Fazit: „Sternwanderer“ von 2007 ist für mich ein Totalausfall! Nicht nur dass das wirklich tolle Buch verunstaltet wird, das Ganze ist auch ohne die Vorlage ein technisch schlecht gemachter Film. Und das von einem Matthew Vaughn, der mich gerade mal drei Jahre später mit „Kick-Ass“ begeistert hat. Man könnte sagen, dass er dieses Fiasko wieder gut gemacht hat, aber trotzdem bin ich geschockt darüber, was für ein filmischer Trümmerhaufen das hier ist. Bitte das Buch lesen, den Film ignorieren und hoffen, dass das Ganze irgendwann eine ordentliche TV-Adaption a la „Game of Thrones“ oder „Outlander“ bekommt.