Nach dem zwar sehr ruhig erzählten, aber dennoch beeindruckenden Thrillerdrama ''Das Versprechen'', mit welchem Sean Penn auch sein Talent als Regisseur unter Beweis stellen konnte, legte 2008 mit dieser kleinen Perle des Kinos einen gleichermaßen starken Film nach. Denn ''Into The Wild'' erweist sich als ein grandioses Charakterporträt, welches sich jeglicher einfacher Phrasen und Haltungen gegenüber dem Hauptdarstelelr verweigert und durch diese Differenziertheit zu einem außergewöhnlich guten Drama reift.
Christopher MacCandless ist ein 22-jähriger Student aus einer wohlhabenden Familie, mit der er in einem schönen Haus in einem reichen Vorort von Washington lebt. Als er schließlich sein Studium abschließt und aufgrund seiner hervorragenden Noten mit entsprechender elterlicher finanzieller Unterstützung auch eine Ausbildung an der Harvard University anstreben könnte, enschließt er sich jedoch, aus der toten Vorortidylle auszubrechen, um ein erfülltes Leben jenseits materiellen Reichtum in Einklang mit der Natur zu führen. So fährt er mit seinem Auto und wichtigen Ausrüstungsgegenständen einfach weg und kommt nie wieder nach Hause. Auf seinem Weg durch die Wildnis begegnet er den verschiedensten Menschen: zwei dänischen Wanderern oder einem älteren Paar, welches er später erneut trifft und mit ihnen eine längere Zeit verbringt.
Was ''Into The Wild'' zu einem derart starken Werk werden lässt, ist nicht etwa die simple Idee, das Porträt eines (real existierenden) Aussteigers anzufertigen. Der Knackpunkt bleibt ein anderer: Emile Hirschs Christopher soll keinen pubertärer Selbstfindungs-Hippie darstellen, genauso wenig wie er die Meinung ''Back To The Roots'' propagiert. Er möchte aus dem ''Falschen'' ausbrechen, weil sich dies für ihn als ein schlechtes Leben erweist, indem die Menschen in materiellem Reichtum und Institutionen wie Ehe und Familie zu ersticken dorhen ohne selbst zu merken, wie oberflächlich ihr Leben in Wirklichkeit doch sein mag. Insofern stellt sein Schritt - sich abzuseilen und selbst von vorn zu beginnen, um ein völlig anderes Leben zu führen, in welchem nicht nur in der Natur lebt, sondern auch gleichzeitig zur Natur wird, indem er sich aus ihr ernährt und mit ihr zurecht zukommen lernt – eine individuelle Lösung dar, die er wählt, um ein erfülltes und glückliches Leben zu leben.
Doch nicht nur bei der differenzierten Konzeption, auch bei der Ausarbeitung im Detail beweist Drehbuchautor und Regisseur Fingerspitzengefühl. Er porträtiert Chris' Reise mit viel Geduld und Ruhe und geht bei den Nebencharakteren, also jenen Menschen, die unser Protagonist so während seiner Reise trifft, genau im richtigen Maße auf sie ein, wobei er darüberhinaus auch gut gewichtet. So streifen die meisten Figuren nur am Rande vorüber, für bedeutendere nimmt sich Penn hingegen ausreichend Zeit, um ihnen ein Profil zu verleihen, welches sie authentisch für den Zuschauer macht. Selbstverständlich werden diese Figuren nicht bis ins kleinste Detail ausgearbeitet, dennoch schafft die Erläuterung der engeren Beziehungen einen kleinen Kosmos der Wildnis mit ein paar Charakteren, die Chris auf seiner Reise begleiten. Dabei finde ich allerdings, dass bei den vielen Szenen mit all den Charakteren, die auftauchen, mal länger, mal kürzer bleiben, verschwinden, nie wieder gesehen werden oder früher oder später wieder auftauchen, der Protagonist vielleicht ein wenig zu kurz kommt. Nicht, dass Hirschs Chris nicht glaubwürdig wäre. Ganz im Gegenteil. Hirsch nutzt die Drehbuchvorlage gekonnt für die Erstellung des Charakterportäts, doch spätestens nach einer Stunde gewinnt der Film seinem Protagonisten keine Facetten mehr ab, sondern begleitet ihn lediglich auf seiner Reise, was für mich die größte Verfehlung des Films darstellt.
Überzeugt hingegen und desweiteren geradezu überwältigt haben mich die betörden schönen Bilder der Weite Alaskas und der Schönheit der Natur, die absolut passend, nie zu dick aufgetragen und außerordentlich gut dosiert in das Gesamtwerk eingebunden werden. Bleibt nur noch der wunderbare, von angenehm entspannter Gitarrenmusik dominierter Soundtrack zu erwähnen, der die Thematik der Freiheit dezent unterstützt.
FAZIT: Wunderschön bebildert wie dezent musikalisch untermalt, entwickelt Penn ein ruhiges und desweiteren außerordentlich differenziertes Drama über die Sehnsucht eines Menschen nach einem Leben in vollkommener Freiheit.