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    Portugal, mon amour
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Portugal, mon amour
    Von Sascha Westphal

    Gänge durch Paris, genauer durch das noble 16. Arrondissement mit seinen traditionsreichen Wohnhäusern der Bourgeoisie. Zunächst ist es eine Frau in mittleren Jahren, die mit ihren Tüten vom morgendlichen Einkauf zurückkommt. Die anderen Menschen auf der Straße kennen sie, das ist offensichtlich. Aber – und das ist genauso offensichtlich an ihrem Auftreten und der Zurückhaltung, mit der sie an den Hauswänden entlang geht – sie ist immer noch eine Fremde, eine, die nicht dazu gehört. Erst als sie in ihrer Concierge-Loge ankommt, verliert Maria Ribeiro etwas von ihrer unterwürfigen Haltung. Nun ist es für ihren Mann José an der Zeit, durch eben diese Straßen zu seiner Arbeitsstelle zu gehen. Auch er ist schon lange ein vertrautes Gesicht. Begrüßungen werden ausgetauscht, ein paar Worte gewechselt. Immer ist da einer, der ihn um etwas bittet, schließlich weiß jeder, das José nie „Nein“ sagt. Die Frühlingssonne taucht Paris derweil in ein mildes Licht und verbreitet eine gelöste Stimmung, die „Portugal, mon amour“, Ruben Alves’ Komödie über eine typische portugiesische Immigranten-Familie in Paris, insgesamt prägen wird. Alves lädt sein Publikum regelrecht dazu ein, sich in der kleinen von ihm porträtierten Welt wohlzufühlen. Doch bei aller Leichtigkeit und Heiterkeit ist da immer auch ein Bewusstsein für die sozialen Verhältnisse und die Klassenschranken, die Marias und Josés Leben bestimmen.

    Vor langer Zeit wurde José (Joaquim de Almeida)  von seinem älteren Bruder um das Familienerbe gebracht. Daraufhin hat er zusammen mit seiner Frau Maria (Rita Blanco) die Heimat verlassen und ist wie so viele andere Portugiesen nach Paris gegangen. Seither ist Frankreich für sie, eine gewissenhafte und immer demütig auftretende Concierge, und ihn, einen arbeitsamen, stets flexiblen Maurer, zur neuen Heimat geworden. Ihre beiden Kinder, Paula (Barbara Cabrita) und Pedro (Alex Alves Pereira), der noch zur Schule geht, sind im Exil geboren und fühlen sich eigentlich eher als Franzosen denn als Portugiesen. Doch dann kommt ein Brief, der noch einmal alles für die Familie Ribeiro verändert. José soll zu einem Anwalt kommen. Sein Bruder ist verstorben und hat ihm sein Land und sein Vermögen vermacht. Allerdings sind an diese Erbschaft klare Bedingungen geknüpft.

    Aber nicht nur Maria und José, dieses Paar mit den überaus symbolträchtigen Namen, verlieren durch die Möglichkeit der Rückkehr nach Portugal all ihre über die ganzen Jahre liebgewonnenen Gewissheiten. Auch ihr gesamtes Umfeld, also Freunde und Familie, Arbeitgeber und Bekannte, sehen die beiden, als sich die Erbschaft, die eigentlich erst noch geheim bleiben sollte, gleich einem Lauffeuer herumspricht, mit anderen Augen. Genau daraus schlägt Ruben Alves, der zusammen mit Hugo Gélin und Jean-André Yerles auch das Drehbuch zu dieser Komödie der Integration geschrieben hat, sein komödiantisches Potential. Mit einmal überhäuft die steife und sehr auf Klassenunterschiede bedachte Mademoiselle Reichert (Nicole Croisille), der eine der Wohnungen in dem Haus gehört, Maria geradezu mit Aufmerksamkeiten. Plötzlich ist nichts mehr selbstverständlich. Auch der Bauunternehmer Francis Cailaux (Roland Giraux) behandelt José von einem Moment auf den anderen mit viel mehr Respekt und befördert ihn zudem zum Bauleiter.

    Letztlich folgt Alves’ Film ganz der alten Lebensweisheit, dass wir Menschen immer erst erkennen, was wir hatten, wenn wir es schon wieder verloren haben. Sie ist der Motor, der nahezu das ganze Geschehen im „Portugal, mon amour“ antreibt. Hier reicht schon die Möglichkeit der Veränderung und des Verlustes, dass alle Figuren ihr Leben und ihr Verhalten überdenken. Dabei frönt Alves einem beinahe schon naiv zu nennenden Optimismus. Zunächst wirken Mademoiselle Reichert genauso wie auch Francis Cailaux und dessen Ehefrau Solange (Chantal Lauby) wie klassische Karikaturen. So sind sie, die Pariser Großbürger und Neureichen, die ihre portugiesischen Angestellten nach allen Regeln der Kunst ausbeuten und sich dabei noch erhaben fühlen. Auch als ihnen bewusst wird, wer und was sie sind, ändert das erst einmal nichts. Ihre neue Großzügigkeit ist nur Eigennutz. Doch je mehr sie sich um Maria und José bemühen, desto menschlicher werden sie auch. Ihre gesellschaftlichen Fassaden bekommen Risse und zerbröckeln schließlich ganz. So weitet sich die Komödie nach und nach in eine soziale Utopie aus.

    Fazit: Ein wenig erinnert Ruben Alves’ erster Langfilm an „Ziemlich beste Freunde“, den französischen Überraschungserfolg des Kinojahres 2012. Wie Olivier Nakaches und Eric Toledanos Sittenkomödie überwindet auch „Portugal, mon amour“ alle sozialen Differenzen und gesellschaftlichen Spannungen mit den Mitteln des Märchens. Aber trotz all der Klischees, der sich Alves immer wieder bedient, beschreibt er das Leben der portugiesischen Immigranten in Paris sehr genau und setzt ihnen so ein kleines filmisches Denkmal.

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