Irgendwie ist es ein besonderes Gefühl, eine Bewertung zu diesem Film zu verfassen. Die Größe, der Umfang, das Epische daran, es wirkt gar ein wenig erdrückend. Dazu noch die ganzen Stimmen, die sagen "Es ist ein absolutes Meisterwerk!" und man traut sich kaum, den Film schlechter zu bewerten. Nach dem ersten Schauen wusste ich zuerst überhaupt nicht, ob ich den Film gut oder schlecht fand, viel zu verschieden waren die einzelnen Eindrücke über ihn, viel zu umfangreich das Ganze, welches ich gar nicht als das Ganze werten konnte. Ich weiß nicht, ob es je einen anderen Film gegeben hat, der eine solche verwirrung bei mir ausgelöst hat. So habe ich ihn mir kurz danach noch ein zweites Mal angeschaut, diesmal etwas nüchterner. Und auch hier hat es große Schwankungen gegeben.
Zumindestens in ästhetischer und inszenatorischer Hinsicht ist der Film ein echte Meisterwerk. Die nahezu wortlose Einleitungssequenz bietet eine unglaubliche Intensität und eine tolle Bildsprache, auch weiterhin ist der Film optisch eine echte Augenweide, die Bilder sind schlicht und einfach perfekt und bleiben lange im Gedächtnis haften, die ganze Atmosphäre ist einzigartig und absolut stimmig, Kamera und Schnitt sind genial. Musikalisch dagegen schwankt der Film extrem zwischen recht unscheinbarer und gewöhnlicher Musik und großartigen atmosphärischen Klängen, die das Geschehen grandios und angemessen untermalen, die beinahe allseitige Begeisterung über den Soundtrack kann ich jedoch nur sehr bedingt nachvollziehen, zudem einige der besten Stücke gar nicht von Johny Greenwood selbst stammen.
Schauspielerisch gibt es, vorsichtig formuliert, ebenfalls nichts auszusetzen, ganz im Gegenteil. Daniel Day-Lewis verschmilzt komplett mit seiner Rolle, es ist unfassbar, wie einige Stellen, die bei den meisten anderen einfach nur lächerlich gewesen wären, in seiner Performance eine unbeschreibliche Wirkung entfalten und immer intenxiv, jedoch nie lächerlich rüberkommen. Aber auch Paul Danos Schauspiel empfand ich als grandios, seine hysterischen Anfälle wissen ebefalls zu überzeugen, man denke da nur an die Geistaustreibungsszene. Überhaupt verdankt der Film den Konfrontationen dieser beiden Schauspieler einige seiner besten Momente, da gerade diese Szenen unglaubliche Intensität versprühen. Jedoch gibt es einige Probleme an einer anderen Stelle.
Denn trotz der Inszenierung, trotz der Schauspieler, der Bilder und Töne sowie einiger wirklich genialer Szenen leidet der Film an einer epischen Unterkühlung. Es ist mir schon klar, dass Daniel Plainview keine Sympathieperson darstellen soll, dass seine Figur widerwärtig und krank ist und auch so dargestellt wird, aber es ist eher der Fall, dass mir diese Figur trotz ihrer grandiosen Darstellung während des Filmverlaufs ziemlich egal bleibt. Es kümmert mich nicht, ob es ihr gut oder schlecht geht, weder mag ich diese Person noch hasse ich sie. Er ist einfach da, dieser Ölmagnat, er lebt und leidet, hat Erfolge und Misserfolge, hasst und wütet, lächelt und heuchelt, er bleibt auch im Gedächtnis, aber ich kann ihm nicht eine einzige Emotion entgegenbringen, ob guter oder schlechter Art. Diese emotionale Ebene fehlt dem Film einfach, das gilt übrigens auch für die anderen Figuren, sowohl Eli Sunday als auch Plainviews Adoptivsohn. Dabei erwarte ich gerade von einem Film dieses Formates diese emotionale Ebene, ich möchte wenigstens irgendetwas spüren, doch Gefühle verwehrt mir der Film.
Ein weiteres, noch etwas schwerwiegenderes Problem ist die Sinnebene des Films. Auch hier erwartet man bei diesen epischen Ausmaßen und dem Filmtitel selbst so etwas wie eine Aussage, eine Botschaft, etwas absolut Neues, so noch nie Dagewesenes. Doch am Ende bin ich in dieser Hinsicht um nochts reicher, dass übertriebene Porfitgier schlecht ist und dass die Kirche in Krisenfälle ihre eigenen Grundsätze gerne mal unter den Tisch kehrt, das wusste ich auch vorher schon, da erwarte ich einfach viel mehr von einem solchen Film, der in seiner ganzen Art eigentlich zu schreien scheint "Ich bin eine unglaubliche Erkenntnis epischen Ausmaßes!" Die Charaktere sind grandios, die Parabelwirkung des Ganzen kommt auch zugute, doch sie ist sehr weit von den an sie gerichteten Erwartungen entfernt.
Dieser Film könnte ein echtes Meisterwerk sein. Rein formal erfüllt er die Ansprüche komplett, an der Regie oder den Schauspielern gibt es an sich nichts auszusetzen. Es ist ein echtes cineastisches Vergnügen, dieser Film, einige Szenen schaut man sich gerne mehrmals an, einige sind vielleicht etwas langwierig, aber nice wirklich unwichtig. Aber was dem Film fehlt, ist einerseits die Seele, das was bsp. "Magnolia" so genial gemacht hat, und andererseits eine richtige Aussagekraft, eine echte Erkenntnis, etwas, was nach nach dem Film außer dem bloßen Eindruck erhält und für alle Zeit behält. Das Ende ist ebenfalls von einer unglaublichen Wucht und besitzt sogar eine Art Coolness, aber hinter dem Schein des Großen verbirgt sich weit weniger, als man erwartet.
Na gut, es ist ja nur meine eigene Meinung, es gibt bestimmt hier und da Menschen, die dieses Etwas, was ich im Film nicht finden konnte, diesem Werk doch abgewinen konnten. Und ich finde den Film auch keinesfalls schlecht, ganz im Gegenteil. Er ist gut, wirklich gut. Aber das verschenkte Potenzial macht mich doch etwas traurig.