Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
3,5
gut
Isolation
Von Christoph Petersen

Anfang des Jahres kam mit John Fawcetts missratenem Mystery-Horror The Dark ein Film in unsere Kinos, der sein Publikum allen Ernstes mit niedlichen Schafen zu erschrecken versuchte. Und auf den ersten Blick liegen die Voraussetzungen für Billy O´Briens Regie-Debüt „Isolation“, das auf dem Fantasy Filmfest 2006 seine Deutschlandpremiere feiert, doch recht ähnlich: Beide Filme spielen auf dem irischen Land, „Isolation“ gar auf einem ebenso abgelegenen wie matschigen Bauernhof, und beide Filme versuchen ihren Horror aus der modernen Nutztierhaltung zu ziehen – immerhin wird die Farm in „Isolation“ von ausgesprochen bissigen Kühen terrorisiert. Aber wo Fawcetts Schaf-Stampede nur unfreiwillig komisch und oft sogar einschläfernd wirkte, überzeugen O´Brien und seine genmanipulierten Kühe durch eine stringente Inszenierung, interessante thematische Anspielungen und vor allem konstante Spannung.

Bauer Dan (John Lynch, Die Brücke von San Luis Rey) und Veterinärin Orla (Essie Davis, Das Mädchen mit dem Perlenohrring) tun ihr Möglichstes, um das Leben der gebärenden Kuh und ihres Neugeborenen zu retten – aber alle Versuche schlagen fehl. Offensichtlich haben die schleimig-blutigen Tode der beiden Tiere etwas mit den undurchsichtigen Experimenten des zwielichtigen Doktors (Crispin Letts), der der Kuh ihr Embryo erst künstlich eingesetzt hatte, zu tun. Bei der Obduktion des Kalbs werden sechs weitere Embryos gefunden – das Baby war noch im Mutterleib bereits selbst schwanger – nur sehen diese nicht annähernd wie ihre Artgenossen aus, sondern tragen ihr Knochenskelett außerhalb des Körpers. Und auch ansonsten ist das Verhalten der „niedlichen Kleinen“ nicht gerade normal, versuchen sie sich doch hartnäckig, in den wärmenden Eingeweiden anderer Kühe oder gar Menschen genüsslich einzunisten…

Wenn Dan und Orla bei der Geburt um das Leben der Kühe kämpfen, beginnt „Isolation“ als sehr realer, beinahe naturalistischer, aber deshalb nicht weniger blutiger Genrefilm. Und als ob die mittelalterlichen Gerätschaften, mit denen das Kalb aus dem Mutterlaib gerissen werden soll, nicht schon Horror genug wären, beginnt der eigentliche Schrecken dann nach einem kurzen Moment des Humors erst richtig. Dabei weist der Handlungsverlauf eine interessante Mischung auf, die die Spannung noch steigert. Zum einen spielt sich das ganze Geschehen in der Enge des Hofes ab, nur wenige Szenen beziehen noch zusätzlich den Wohnwagen von Mary (Ruth Negga, Breakfast On Pluto) und Jamie (Sean Harris, Creep) mit ein, der aber auch nur einige Meter von den Zäunen der Farm entfernt steht. Diese auch am Tag düstere „Isolation“ erzeugt natürlich für sich schon eine extrem angespannte Atmosphäre. Hinzu kommt dann noch, dass die meisten Figuren von Außen eigene Geheimnisse mit in diese Enge hineinbringen, von denen einige gelöst, andere einfach im Raum stehengelassen werden, die aber alle den Charakteren und der Story zusätzliche, weniger offensichtlichere Facetten abgewinnen. So ist es schnell vergessen, dass die Geschichte sich hier eigentlich um diese lustigen Viecher dreht, die sich nachts auf der Weide einfach so umschubsen lassen.

Aber O´Brien verlässt sich glücklicherweise nicht nur auf seine zahlreichen blut- und schleimtriefenden Ekeleffekte, sondern erzählt nebenbei auch noch eine zwar einfache, aber gar nicht mal so dumme Geschichte, die Anspielungen auf alle möglichen interessanten Thematiken bereithält. So ist es keinesfalls ein Wunder, dass der Kuh-Horror aus Irland und Großbritannien stammt – hatten doch gerade die Bauern dieser Regionen am schlimmsten unter den Auswirkungen des BSE-Virus zu leiden. Und nun steht mit der Gen- und Embryoforschung eine neue Gefahr ins Haus, deren Folgen im Endeffekt unabsehbar sind. Natürlich werden Genforschungen nicht wirklich zu menschenfressenden Alien-Kühen führen, aber wie jeder guter Horrorfilm zieht auch „Isolation“ seine Spannung aus real verwurzelten Ängsten. Und wenn der Bauer den Genforscher wütend mit den Worten “You Killed My Farm!“ beschimpft, ist das zwar zunächst ein schlagfertig-belustigender One-Liner, aber bei genauerer Überlegung könnte einem das Lachen auch im Halse stecken bleiben.

Auch wenn inszenatorisch – und nichts anderes sollte bei einem Debüt-Film der Fall sein – natürlich noch Luft nach oben ist, hat Billy O´Brien aus seinem beschränkten Budget doch Erstaunliches herausgeholt. Zum einen gelingt es ihm, auch wenn im letzten Drittel ein wenig die Action-Pferde mit ihm durchgehen und die Atmosphäre dadurch einen Teil ihrer Dichte verliert, fast durchgängig eine konstant düstere Stimmung zu halten. Zum anderen – und das ist für die Qualität des Films von ebensolcher Bedeutung – umschifft er aber auch gekonnt die Gefahr, mit dem Showdown in billig-lachhafte Trash-Gefilde zu geraten. Auch wenn sich die Beschreibung als auf einem irischen Bauerhof spielende Mischung aus Ridley Scotts Alien und David Cronenbergs „Shivers“ zunächst ein wenig zweifelhaft anhören mag, ist sie wegen der interessanten Thematiken und des ausgereiften Spannungsbogens doch ausgesprochen sehenswert.

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