Ghiblis schlechtester Film?
Nachdem 2004 Hayao Miyazaki eine Buchverfilmung von „Sophie im Schloss des Zauberers“ auf die Leinwand brachte („Das wandelnde Schloss“), durfte zwei Jahre später sein Sohn Gorō Miyazaki ran: „Die Chroniken von Erdsee“ basieren auf den Büchern von Ursula K. Le Guin, einer amerikanischen Schriftstellerin. Hauptsächlich wurde die Story vom dritten Band verfilmt, ich habe aber selbst keine der Bücher gelesen. Während der Produktion kam es zwischen Vater und Sohn jedoch zu Streitereien, denn Hayao Miyazaki empfand seinen Sohn für zu unreif als dass er als Regisseur arbeiten könne. Am Ende passierte es aber dann doch und Gorō Miyazaki drehte seinen ersten Anime-Film. Und besser hätte das Ganze nicht passen können: Studio Ghibli ist perfekt für diese Fantasy-Geschichten, die sich mit Magie, Natur und Menschlichkeit auseinander setzen. „Prinzessin Mononoke“ oder „Chihiros Reise ins Zauberland“ sind perfekte Beispiele dafür! Doch leider ist das Endergebnis hier nicht so positiv ausgefallen. „Die Chroniken von Erdsee“ gilt als der wahrscheinlich schwächste Ghibli-Film und das wusste ich vorher auch. Dennoch wollte ich mich selbst überzeugen. Am Ende muss ich sagen, dass dieser Film ganz klare Stärken hat, aber leider auch viele Schwächen.
Prinz Arren hat sein Königreich verlassen, nachdem er seinen Vater umgebracht hat. Warum, das wissen wir nicht. Er trifft eines Tages auf den Magier Sperber, der ihn in die Stadt Hort führt. Dort trifft Arren auf das Mädchen Therru und auf den düsteren Cob, ebenfalls ein Magier…
Die Story ist noch deutlich komplexer als ich sie hier aufgelistet habe. Es gibt Drachen, die Suche nach dem ewigen Leben und ein besonderes Schwert. Viel Stoff für große Fantasy-Storys. Und tatsächlich hätte man aus dem Ganzen mindestens zwei Filme machen können, da ich mich hier immer mal wieder etwas überfordert gefühlt habe. Ähnlich war es auch bei „Das wandelnde Schloss“, da wurden auch mehrere Bücher in einen Film gepackt. Das Problem bei „Die Chroniken von Erdsee“ ist aber vor allem die Grundstory und deren Dialoge. Die wirken nämlich oftmals gar nicht wie Ghibli. Stattdessen hatte ich oftmals das Gefühl ein amerikanisches und typisches Blockbuster-Skript zu sehen: Einfältige und klischeebeladene Sprüche der beiden Magier, wenn sie sich gegenüberstehen und dazu einfallslose Motivationen der Figuren (der Bösewicht will die Weltherrschaft, natürlich). Vieles hier ist erstaunlich schwarz-weiß gehalten, dabei waren fast alle der Ghibli-Filme gerade deswegen so gut, weil sie nicht einfach in „Gut“ und „Böse“ unterteilt haben.
Es gibt zwar interessante Ansätze und Figuren, wie etwa Prinz Arren und sein innerer Konflikt, aber die gehen in meinen Augen irgendwie unter. Das liegt sicherlich daran, dass so viel passiert. Gleichzeitig ist die Geschichte mancher Figuren aber auch erschreckend plump, ein typisches Paradoxon in solchen Filmen.
Der Film hat trotzdem gute Ideen und besonders die erste Hälfte fand ich gar nicht schlecht. Zum ersten mal seit Langem gibt es auch wieder etwas brutalere Szenen zu sehen in einem Ghibli-Anime. Das hilft um die Welt des Films etwas authentischer erschienen zu lassen.
Technisch sieht der Film auch gut aus, auch wenn mich die Animationen und das Design mancher Figuren diesmal irgendwie nicht ganz überzeugt haben. Liegt vielleicht auch unterbewusst an dem schwachen Drehbuch. Dafür war die Musik von Tamiya Terajima sehr schön.
Fazit: „Die Chroniken von Erdsee“ hat sicherlich seine Fans, aber für mich ist er der bislang schwächste Ghibli-Film. Gute Aspekte hat der Film von Miyazakis Sohn und besonders die Vorlage scheint ein spannendes Fantasywerk zu sein, aber das filmische Ergebnis ist leider nicht wirklich gelungen. Zu klischeebeladen, zu simpel ist das Ganze und vor allem fehlt es an emotionaler Wucht. Kein schlechter Film und besonders die jüngeren Ghibli-Fans (nicht zu jung!), dürften ihren Spaß hiermit haben, aber ich brauche dann doch mehr Substanz!