Also Moment mal: ICH gebe einem Splatterfilm acht Punkte? Wo ich doch "The Hills have Eyes", "Haus der 1000 Leichen" und die "Saw"- Filme größtenteils verrissen habe!? Ich werde nun einmal in einer ausführlicheren Rezension darauf eingehen...
Die Frage lautet: Was muss ein Horrorfilm eigentlich leisten? Die Antwort: Er muss Schrecken verbreiten. Wenn ein Horrorfilm das nicht schafft, funktioniert er nicht. Bei "Hostel" ist das- meiner Meinung nach- exzellent gelungen. Der Film ist das zur Zeit wohl beste Beispiel für die moderne Splatter- Bewegung und in diesem Subgenre wohl die derzeitige Referenz. Roths wirklich beinharter Schocker denkt sämtliche keusche, mut- und seelenlose Horrorfilme der letzten Jahre eindrucksvoll zu Ende und schert sich nicht das Geringste um die Zensur.
Doch halt: Wenn Leser jetzt meinen, der Film sei somit gewaltverherrlichend, muss ich in die Bresche springen. Zwar ist "Hostel" ganz bestimmt ein Film, der aufgrund seiner extremen Brutalität polarisiert, doch der allgemeine Vorwurf, der Roth gemacht wird, er würde Gewalt verherrlichen, stößt auf Granit. Die simple Erklärung: Der Regisseur zeigt die Sequenzen als höchst beäbgstigende Terrorszenarien und nicht aus der Perspektive eines Voyeurs. Die Szenen verkommen nicht zum Selbstzweck. Roth dreht in selten gesehener Intensität an den Daumenschrauben und verstrickt den Zuschauer fern jeder heuchlerischen Moral in ein abartiges Katz- und Maus- Spiel, das dieser nur vertragen kann, wenn er Nerven wie Drahtseile mitbringt.
Dennoch wird des Öfteren weggeblendet und in einer Art Mischung aus zeigefreudigen und eher weniger zeigefreudigen Gewaltszenen ergibt sich ein verstörendes Horror- Inferno, das handwerklich wirklich einwandfrei gemacht ist. Da der Film nicht mehr will als das, was er bietet, gibt es auch nichts zu beanstanden. Ansätze einer Kritik an unmenschlichen Mechanismen und Menschenhandel(hier durch die osteuropäische Mafia)sind zwar vorhanden, nehmen aber nicht den Hauptplatz der Handlung ein, weil Roths Schocker auch gar nicht gewillt ist, irgendwelchen pseudo- dokumentarischen oder kritischen Lehrhinweisen nachzugehen.
Die erste Dreiviertelstunde beschäftigt sich mit der harmlos wirkenden, fast schon beschwingten "Kennenlernphase". Unsere Freunde sind auf einem Spaßtrip in Amsterdam unterwegs, als sie plötzlich von einem Fremden den Tipp bekommen, nach Osteuropa zu fahren. Angesteckt von dessen Schwärmereien von angeblich unfassbar willigen Frauen, begibt sich der Trupp tatsächlich dorthin. Dort gibt es Sex, Drugs and Rock n Roll bis zum Abwinken, doch alles mit offenen Karten und mit einer faszinierenden Ehrlichkeit vorgetragen. Roth scheut weder das exzessive Zeigen von Gewalt, noch das nicht minder exzessive Zeigen von nackter Haut.
Dieser Einleitung wurde wiederum vorgeworfen, sie sei unnütz und Roth würde sich in einer Art Softporno ergehen. Doch gerade in diesem Ausmaß der Schilderung der "Abenteuer" der jungen Leute kann die Charakterzeichnung überhaupt funktionieren. Stellt euch vor, dieser Teil des Films würde weggelassen und wir würden direkt in die unwirtlichen Folterkeller geworfen. Es hätte wohl nicht mal mehr die Hälfte seiner eigentlichen Wirkung. Das Gleiche wie beispielsweise bei "All the Boys love Mandy Lane" (obwohl dieser Film ganz anders gelagert ist!): Das moderne Teenager- Leben wird porträtiert, nicht mehr und nicht weniger. Zwar überspitzt Roth das Szenario ein wenig, doch das trägt zum sympathischen Charme des Films bei und repräsentiert die Wunschträume mancher junger Menschen auf der Suche nach Abenteuern.
Die Wendung nach der Hälfte des Films ist knochenhart und nicht einfach wegzustecken. Ich als gestandener Horrorfilmfan fühlte mich tatsächlich das erste Mal nach langer Zeit richtig schockiert. Roth formuliert aber absolut jeden Schritt aus, wo Regisseure wie Aja (sein mutiges Debüt "High Tension" in allen Ehren!), Nispel ("TCM") oder Rob Schmidt ("Wrong Turn")nur mehr oder weniger rabiate Andeutungen machten. Das macht "Hostel" aus.
Roth ist in der Lage, diese im Kern simple Geschichte spannend und wendungsreich zu erzählen, was man bei seinem Debüt "Cabin Fever" vermisst hat. Und wenn am Ende (ich verzichte auf Spoiler) die bitterböse Wendung kommt, ist das ein ruppiger, mutiger Twist, den man nur bewundern kann.
"Hostel" ist ein Film, der sich wohltuend von allen Horrorfilmen der letzten Jahre abhebt. Ein Ausnahmestatus, den die enttäuschende Fortsetzung ("Hostel 2") nicht bestätigen konnte.