Vielleicht ist manch einer skeptisch und bezweifelt, dass die Welt noch einen Rennfahrerfilm aus den USA braucht. Diese Ansicht wird sich bei vielen hoffentlich ändern, dann nämlich, wenn sie mit Adam McKays „Ricky Bobby – König der Rennfahrer“ mit Will Ferrell in der Hauptrolle einen der witzigsten Filme des Kinojahrs 2006 zu sehen bekommen. Schöner als mit einem Zitat von Eleanor Roosevelt kann man das Ganze wohl nicht einleiten: „America is all about speed. Hot, nasty, badass speed.“
„Will-schnell-fahren“ waren seine ersten Worte und schnell fahren, das sollte er. Ricky Bobby (Will Ferrell), in einem Auto geboren, hatte von Anfang an Benzin im Blut. Wahrscheinlich wurde es ihm von seinem Vater (Gary Cole) in die Wiege bzw. auf den Rücksitz gelegt. Ricky lebt nach dem Motto „Wenn du nicht der Erste bist, bist du der Letzte“ und so ist es kein Wunder, dass er mit jungen 25 Jahren zusammen mit seinem allerbesten Freund Cal Naughton (John C. Reilly) zumindest schon mal zur NASCAR-Boxenstopp-Crew von Lucius Washington (Michael Clarke Duncan) gehört. In der US-amerikanischen Stadt Talladega finden auf dem größten Superspeedway jährlich die 500-Meilen-Rennen der NASCAR-Serie statt. Die große Chance ergibt sich für Ricky, als ein Fahrer ausfällt und er als Ersatz hinter dem Steuer Platz nehmen darf. Ricky zeigt es allen und wird zum Star des heruntergekommenen Rennstalls. Er heiratet das Boxenluder Carley (Leslie Bibb), zieht in eine Villa und lässt es sich als Berühmtheit gut gehen. Alles verläuft prächtig, bis Formel-1-Ikone Jean Girard (Sasha Baron Cohen) auf der Bildfläche erscheint und Bobbys NASCAR-Krone will. Beim entscheidenden Rennen verunglückt Bobby und trägt ein schweres Trauma davon: Er traut sich nicht mehr hinter das Steuer eines Rennwagens…
Allein am Eröffnungswochenende spielte der Film in den USA 47 Millionen Dollar ein (am Ende dürften rund 150 Millionen verbucht werden können). Aber warum? Die Story, die auf den ersten Blick vielleicht etwas simpel daherkommt, erweist sich bei genauerem Hinsehen als Gag gespicktes Vergnügen: Originell, ausgefeilt, verspielt, brachial. Und bestimmt nicht jedermanns Sache. Wer Will Ferrell und sein bisheriges Schaffen kennt, wird eine Ahnung haben, was ihn mit diesem Film erwartet. Ferrells (Jahrgang 1967) Karriere als Komiker begann schon während der Schulzeit, in der er seine Begabung, in verschiedene Rollen zu schlüpfen, entdeckte. Seine komödiantische Entwicklung vollzog er zuerst als Mitglied der Comedy-Gruppe „The Groundlings“ und von 1995 – 2002 bei der legendären Show „Saturday Night Live“, wo er sogar für seine Darstellung des George W. Bush für einen Emmy nominiert wurde. In dieser Zeit entwickelte sich bereits die Idee für eine Rennsportsatire. Zusammen mit seinem Kollegen Adam McKay, mit dem Ferrell bereits am Skript zu Der Anchorman zusammen gearbeitet hatte, schrieb er das Buch. Er selbst übernahm die Hauptrolle, während McKay sich für die Regie verantwortlich zeigt.
Man merkt dem Film das Herzblut aller Beteiligten an. Alle Szenen wirken pointiert. Es hat sich ausgezahlt, dass mit viel improvisiert und nicht nur stoisch nach Skript gearbeitet wurde. Es wurde gefeilt, bis die einzelnen Szenen stimmten. Im Abspann des Films kann man noch einiges nicht verwendetes Material anschauen. Auch die Produktionswerte stimmen. So wurden die Sets unter der Beratung von Fachmännern hergestellt und vermitteln so, trotz des farbfreudigen Bonbon-Looks des Films, Authentizität. Auch Kameramann Oliver Wood (Fantastic Four) schafft es, aus jeder Szene annähernd das Optimum herauszuholen. Auch die (spärlichen) Rennsequenzen können sich sehen lassen und sind durchaus spannend.
Dass Ferrell und McKay gut zusammen arbeiten, hatten sie schon früher unter Beweis gestellt und auch „Ricky Bobby – König der Rennfahrer“ ist wieder ein Beispiel dafür, dass die Chemie zwischen den beiden stimmt. Strukturell ähnelt der Film dem Vorgänger „Der Anchorman“. Bei beiden Filmen handelt es sich um zwar gutmütige, aber nichtsdestotrotz derbe Parodien auf eine bestimmte Zielgruppe, durchgespielt anhand des Auf-Ab-Aufs ihrer Protagonisten. Diesmal sind die Dialoge und Gags allerdings noch ausgefeilter und auch die Nebenfiguren sind detailverliebt ausformuliert. Wunderbar z.B. Gary Cole (Cry Wolf) als Ricky Bobbys verschollener Vater Reese, der nach dem Fall seines Sohnes wieder auftaucht und seinen Sohnemann mit „guten“ Tipps auf sein Comeback vorbereitet (Stichwort „Puma“) aber auch der aus „Ally McBeal“ bekannte Greg German, der als ekliger Rennstallbesitzer zusammen mit seiner von Molly Shannon (Marie Antoinette, Scary Movie 4) verkörperten, stets betrunkenen Frau ein hinreißendes Duo abgibt.
Aber so richtig gut wird „Ricky Bobby – König der Rennfahrer“ eigentlich erst durch das Trio, das in der ersten Reihe den Ton angibt: Ferrell (Verliebt in eine Hexe, Melinda und Melinda)wird voll und ganz zu seiner Figur und agiert kongenial mit seinem Partner John C. Reilly (Magnolia, Aviator), der mit der Rolle des besten Kumpels Cal „Shake and bake!“ Naughton sein komödiantisches Talent unter Beweis stellen kann. Das I-Tüpfelchen bringt allerdings der Komiker Sasha Baron Cohen (alias Ali G.)
als schwuler Formel-1-Franzose Jean Girard. Er spielt seine Figur so herrlich mit einem überdrehten französischen Akzent („Riehckiee Bööbby..“), dass jeder Satz von bzw. jede Szene mit ihm eine Freude ist. Schon das erste Treffen zwischen Girard und Ricky in der Bar ist schwer kultverdächtig.
Man sollte sich weder durch den deutschen Titel, das seltsame Kinoplakat noch durch die hohe Popularität des Films in den USA abschrecken lassen. Zwar wird das Genre nicht neu erfunden und man bekommt auch keine überdurchschnittlich originelle Geschichte erzählt, aber das Ganze steckt die Komödien der letzten Zeit trotzdem locker in die Tasche. Denn „Ricky Bobby – König der Rennfahrer“ hat Charme (der hoffentlich auch in der deutschen Synchronisation erhalten bleibt) und – was noch wichtiger ist – „hot, nasty, badass speed“.