Der Serienkiller Stuntman Mike hat es auf den weiten, einsamen Straßen von Texas auf gutaussehende Girls abgesehen. Eine Gruppe Durchreisende kommt ihm gerade recht und mit einem mörderischen Manöver serviert Mike die Damen ab. 14 Monate später ist er in Tennessee unterwegs und nimmt neue Opfer ins Visier. Doch die Damenriege um die Stuntfrauen Zoë und Kim sind ihm mehr als nur ebenbürtig und eröffnen ihrerseits die Jagd...
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Nach seinen filmischen Verbeugungen vorm Heist Movie, vor Pulp, Blaxploitation, Eastern und unzähligen weiteren Sub-Genres, Vorbildern, Idolen und Einflüssen wandte sich Quentin Tarantino gemeinsam mit Kumpel Robert Rodriguez dem Grindhouse-Kino zu. Jenen Spielsälen, in denen vor allem in den 1970ern B-Movies verschiedenster Gattungen des Exploitation-Genres aufgeführt wurden (Horrorfilme, Italowestern, Car-Chase-Movies usw.), widmeten die beiden ihre Zusammenarbeit. Dabei begnügten sie sich nicht mit inhaltlichen Anlehnungen und Referenzen, auch der Look wurde an die typischen Abnutzungserscheinugen der Filmrollen angepasst, die damals von Kino zu Kino hin- und hergereicht wurden. Das Bild von „Death Proof“ ist dementsprechend von Kratzen übersät und verschmutzt, es ruckelt mal vor, mal zurück, verliert zwischendurch die Farbe und einzelne Szenen fallen absichtlichen Fehlschnitten zum Opfer. Zudem knackt und knistert der Sound und alles in allem ist der Film absolut kein audiovisuelles Hochglanzprodukt.
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Schon aufgrund dieser alle (modernen) Sehgewohnheiten ignorierenden Technik dürfte mancher von „Death Proof“ wohl bereits nach zwei bis fünf Minuten restlos bedient sein. Oder man nimmt es über die volle Laufzeit als besondere Erfahrung, als ein nasty amusement an. Ein gewisses Potenzial zur Verweigerung des Dienstes am Endverbraucher, sprich dem Zuschauer, wohnt mehr oder weniger ausgeprägt jedem Werk Tarantinos inne, diesbezüglich macht er hier keine Ausnahme. Sobald Gewöhnung an das Seherlebnis eingetreten ist steigert er diese Komponente sogar auf andere Weise in eine neue Höhe. Die Freundinnen Jungle‘ Julia, Shanna und Arlene Butterfly‘machen sich auf zu einem Road Trip, landen dabei in einer Bar und sowohl auf dem Weg dorthin, als auch an Ort und Stelle plappern sie um das vollkommene Nichts. Beschaffung von Drogen, Sex, Männer und das alles in abgeranztem Dirty Talk. Ob dies nun tatsächlich ein Einblick in die Mythologien und Thematiken ist, mit denen sich Frauen unter sich tatsächlich beschäftigen, sei dahingestellt, doch selbst bei Tarantinos bekanntem Hang zur Dialoglastigkeit gibt es hier kein schönreden: hörenswert, ausgefeilt, unterhaltsam oder gar spannend ist das bei allen Anspielungen und Verweisen nicht und einzig, weil der Meister es geschrieben hat, zu behaupten, es sei genial, würde hier mit Verblendung einhergehen. Der Trumpf, den „Death Proof“ ausspielt, heißt zu diesem Zeitpunkt eindeutig Kurt Russell.
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Mit seinen ersten Auftritten, wenn er sich an den Sonnenblenden seines Autos befestigte Fotos der Frauen ansieht und vor sich hin schmunzelt, wenn er sich in der Bar der Blondine Pam nähert und ihr eine Mitfahrgelegenheit anbietet, einfach jedes Mal, wenn Russell im Bild ist zieht er einen in den Bann seines schneidigen Stuntman Mike. Die Präsenz und verborgene Bedrohung, die von ihm ausgeht, wird im weiteren Geschehen allgegenwärtig und je geschwätziger und nichtiger es weitergeht, umso deutlicher wird, dass Tarantino seinen Psychopathen mit voller Härte zuschlagen lassen wird. Bis es soweit ist wird einem tatsächlich keine der Protagonistinnen sympathisch, als gehänselte Ex-Mitschülerin von Jungle‘ Julia gelingt dies der von Rose McGowan gespielten Pam am ehesten. Das Haupttrio hingegen wird einem nie ganz klar und jede bleibt unentschlossen an ihrer Attitüde hängen. Da wird gegiftet und gezickt, da kreisen die Zeigefinger und die Köpfe auf den Schultern. Sydney Tamiia Poitier, Jordan Ladd und Vanessa Ferlito ist dabei wenigstens ein gewisser Sex-Appeal nicht abzusprechen, dessen Zurschaustellung entspricht auch dem B-Movie-Flair, gute Charaktere definieren sich aber nicht über lange Beine und einen Lapdance. Denkwürdig ist einzig Russells Auftritt. Und als er McGowan auf den präparierten Beifahrersitz seiner Karre, in die sogenannte Crash Box, bittet und plötzlich unverschämt mitten in die Kamera grient gibt er das Startsignal für einen Höllenritt. Zunächst zertrümmert Stuntman Mike die hilflose Pam, anschließend setzt er sein Vehikel frontal in jenes der zum Quartett angewachsenen Damen. Den heftigen Crash zeigt Tarantino mehrmals und mit vollster Brutalität, es fliegen Gliedmaßen und ein Hinterreifen reißt ein ganzes Gesicht mit sich.
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Wer denkt, „Death Proof“ konzentriere sich nun allein auf Stuntman Mike und weitere halsbrecherische Tötungsmanöver, wird enttäuschtNach einer kurzen Auflockerung in Form eines Wiedersehens mit dem aus From Dusk till Dawn und Kill Bill bekannten Ranger Earl McGraw, der klar macht, dass das Gesetz und dessen Hüter im Kampf gegen Stuntman Mike macht-, nutz- und lustlos sind, geht quasi alles von vorne los. Vier neue Frauen werden eingeführt und weitere, weniger gossige, etwas interessantere Dialoge folgen. Abernathy, Lee, Kim und Zoë geraten zudem um einiges mögenswerter und besonders letztere münzt Tarantinos Film auf eine weitere Ebene um. Zoë Bell, die sich selbst spielt, ist von Beruf Stuntfrau und doublte Uma Thurman in „Kill Bill“. Schauspielerisch fehlt es ihr an einigem und ihr ständiger verkniffener Gesichtsausdruck wirkt oft unnatürlich, beeindruckend ist aber ihr Auftritt auf der Motorhaube eines weißen Dogde Challenger. Zoë will unbedingt auf dem aus „Fluchtpunkt San Francisco“ bekannten Wagen Schiffsmast‘ spielen, wobei sie sich bei voller Fahrt bloß an zwei Gürteln festhält. Hierbei treffen sie und ihre Freundinnen auf Stuntman Mike und Bell ist bei den wilden Rammmanövern sichtlich in ihrem Element. „Death Proof“ huldigt damit auch ihr im speziellen und handgemachter Stuntarbeit im allgemeinen.
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Den Schmuddellook streift der Film in der zweiten Hälfe (unerklärlicherweise) ab, nicht nur das Bild wird sauber, auch die Sets werden heller, ansonsten ist der Ablauf beinahe identisch. Stuntman Mike kommt wiederum als schleichende Bedrohung in die Nähe der Frauen, welche sich, wer hätte es gedacht, über Sex an Filmsets unterhalten und ansonsten wie ihre Vorgängerinnen viele versteckte und offensichtliche Hinweise an Tarantinos Werke und Phänomene der Popkultur einstreuen. Nach der ersten offenen Konfrontation wechseln allerdings die Positionen. Zoë, den Attacken von Mike knapp entronnen, sinnt auf Rache und die Frauen lassen den Stuntman nicht ohne weiteres entkommen. Dramaturgische Regeln setzt Tarantino während des rasanten Showdowns wieder einmal genüsslich außer Kraft, denn wie er den coolen Killer plötzlich zum winselnden Feigling umkrempelt, der von der Gegenwehr seiner Opfer‘ völlig überrumpelt wird, ist schon bemerkenswert. Der Regisseur lässt Russells Spiel in eine beinahe bemitleidenswerte Hysterie ausarten und bricht mit sämtlichen Gesetzen des stets übermächtigen Bösewichts.
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„Death Proof“ geht schnurstracks und mit voller Wucht an allem vorbei, was man von einem Mainstream-Film erwarten würde und nietet bei der Gelegenheit so manche Erwartung an einen Tarantino-Film gleich mit um. Reichlich Barfüßigkeit, Mikes Erwähnung einer BigCahunaBurger-Filiale, unzählige weitere Anspielungen und ein todsicherer Soundtrack verankern ihn zwar in seiner Welt, das Funktionieren des Films kann er sich allein über das Prädikat Tarantino‘ aber nicht sichern. Ob „Death Proof“ eine gänzlich unbrauchbare und des Ansehens unwerte Ansammlung von (Selbst)Zitaten ist, ein müdes Nachahmen kaum nachahmenswerter Vorbilder, oder doch wieder ein innovatives Fest cineastischer Ausgefeiltheit und Brillianz kann endgültig kaum beantwortet werden. Das hängt letztlich auch davon ab, mit wieviel Leidenschaft des Regisseurs man sich selbst zumindest anzufreunden bereit ist, um sich auf etwas derartiges einzulassen. Einer, der wie Tarantino zu jedem nur erdenklichen Genre Dutzende von Produktionen in seinem Regal stehen hat und aus jeder wortgenau zu rezitieren weiß, der gewinnt und vergrault Fans von Projekt zu Projekt. Ihm treu zu bleiben erweist sich am Ende auch bei "Death Proof" nicht als Fehler, denn mit dem über weite Strecken naheliegenden Begriff »Langeweile« ist dieser reudigen Ausgeburt eines von allen Fesseln der Konvention befreiten Films nicht genüge getan.
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komplette Review siehe http://blogs.myspace.com/index.cfm?fuseaction=blog.view&friendId=418824324&blogId=505643045