„Lieber ein Schwein als ein Faschist!“
Im Jahre 1992 waren Hayao Miyazaki und Studio Ghibli bereits sehr erfolgreich unterwegs. Sein letzter Film („Kikis kleiner Lieferservice“) war wundervoll und wurde schnell zum Klassiker, nun aber wollte Miyazaki zurück zu seinen Lieblingsthemen: Kriegsdramen und Flugzeugen. Der leidenschaftliche Flieger-Fanatiker hatte bereits in allen seinen Filmen (mit Ausnahme von „Totoro“) große Flugmaschinen eingebaut. Doch nun kam „Porco Rosso“, eine Geschichte über ein menschliches Schwein namens Porco, das als Kopfgeldjäger arbeitet. Die Geschichte basiert übrigens auf einem kurzen Manga, den Miyazaki selbst zeichnete. Was wie ein witziger und harmloser Actionfilm aussieht und an „Das Schloss im Himmel“ (Miyazakis offizieller erster Ghibli-Film von 1986) erinnert, ist deutlich düsterer und gleichzeitig aber auch herzerwärmend lebensbejahend!
Die Story spielt im faschistischen Italien, Ende der 20er: Porco Rosso ist ein berühmter Kriegsheld und arbeitet als Kopfgeldjäger. Und er ist ein Schwein, zumindest sein Kopf. Warum, das weiß niemand. Als Porco eines Tages gegen den eingebildeten Amerikaner Donald Curtis kämpft, wird sein roter Flieger fast zerstört. Rosso muss seine Mühle wieder reparieren lassen. Dabei trifft er auf die junge und ehrgeizige Fio, die ihm neuen Lebensmut einhaucht…
Wie viele von Ghiblis Filmen, besonders die von Hayao Miyazaki, gibt es in dieser Geschichte einige, wenige übernatürliche Elemente. In diesem Falle ist es sogar sehr dezent und nur Porco sticht mit seinem Schweinskopf heraus. Der Rest der Welt ist praktisch in unserer Realität (oder der von 1929) angesiedelt. Und dennoch ist „Porco Rosso“ für mich ein modernes Märchen in Zeiten des düsteren Faschismus. Porco selbst sagt den wundervollen Satz „Lieber ein Schwein als ein Faschist“. Dabei sind die Faschisten im Film selbst kaum zu sehen und agieren eher als gesichtslose Gestalten, eine dunkle Präsent, die wie die Ruhe vor dem Sturm über dem Land (und dem Film) liegt.
Inmitten dieser dunklen Zeit, kurz bevor der nächste Weltkrieg startete, inszeniert Miyazaki eine zutiefst optimistische und muntere Geschichte. Gleich von Beginn an wird klar, dass in dieser fiktiven, wunderschön gezeichneten Welt von Ghibli die Menschlichkeit und auch der Humor noch nicht vorbei sind. Luftpiraten sind zwar Gauner, aber auch höflich und haben Anstand, ziehen sich sogar zu einem großen Kampf ihre besten Anzüge an. Als sie einen Haufen kleiner Mädchen entführen, wollen sie dennoch, dass den kleinen Gören nichts passiert. Auch der „Antagonist“ Curtis ist kein böser Mensch, sondern ein gutherziger und etwas arroganter Typ, der nur nach seinem persönlichen Glück sucht. Und die Verkörperung dieses Optimismus ist Fio, die kluge und gutherzige Mechanikerin. Sie übernimmt die sonst so traditionellen Tätigkeiten eines Mannes und reiht sich damit perfekt in die Liste der wundervollen Frauenfiguren von Ghibli mit ein. Und Porco? Der ist der charmante und ruppige Held mit einer gespenstischen Szene aus seiner Vergangenheit. Gleichzeitig hat er aber auch seine Probleme, wie etwa dass er keinen Menschen mehr an sich heran lässt, zum Beispiel die schöne Gina, die in Porco verliebt ist.
Der Film schwebt zwischen einer gnadenlosen Realität und märchenhaftem Witz. Ja, der Film ist wirklich humorvoll und ich finde es großartig, dass sich „Porco Rosso“ erlaubt witzig zu sein. Daneben ist die Geschichte ab und zu auch sehr rührend und bietet natürlich starke Actionmomente. Und über all dem steht eine hoffnungsvolle Message über den letzten Rest Menschlichkeit, der in dieser Welt noch lebt.
Was die technischen Bereiche angeht, so kann ich mich nur wiederholen, weil es auf eigentlich jeden Ghibli-Film zutrifft: Die Animationen sind wunderschön und die Hintergründe ein Traum. Der Film hat diesen europäischen Flair, alles sieht nach einem prachtvollen Sommer auf und die Farben stechen heraus wie strahlende Blumen. Und über all dem schwebt ein magisch, tragischer Score von Joe Hisaishi (wem sonst), der mich schon im Film gerührt hat!
Fazit: „Porco Rosso“ ist ein wirklich toller Film, in dessen Welt ich mich gern verlieren möchte. Das allein ist oftmals schon ein Anzeichen dafür, dass der Film etwas Besonderes hat. Für mich ist er unter Miyazakis Filmen auch etwas Besonderes und gibt mir etwas, was ich sonst noch nicht wirklich empfunden hatte. Dabei ist dies ein typischer Film von ihm mit vielen bekannten Themen, Figuren und Elementen und doch… dieses Werk hat etwas Besonderes. Ein kurzweiliges Anti-Kriegs-Märchen, das Groß und Klein begeistern kann und (leider) nach wie vor aktuell in seiner Thematik ist.