„Why do fireflies have to die so soon?“
Auch wenn Studio Ghibli eher den Ruf hat Animes für Jüngere zu produzieren, so ist es doch nicht von der Hand zuweisen, dass der Großteil des Publikums sicherlich Erwachsene sind. Die Themen in den Filmen sprechen des Öfteren vor allem die ältere Generation an, besonders die ruhigeren Filme des Studios. 1988 erschien unter Ghibli sicherlich der dramatischste und härteste Film des Studios: „Die letzten Glühwürmchen“. Damals erschien der Film als Double Feature mit Hayao Miyazakis „Mein Nachbar Totoro“. Und beide Werke könnten kaum gegensätzlicher sein: Während „Totoro“ recht optimistisch und magisch daherkommt, ist der Film von Regisseur Isao Takahata alles andere als einfach zu verdauen. Und dennoch verbindet beide Filme eine gewisse Thematik, was ich extrem spannend finde. „Totoro“ ist quasi eine Weiterführung der Geschichte von „Glühwürmchen“, aber auf eine ganz besondere Weise. Aber das würde hier den Rahmen sprengen, deswegen kommen wir zu „Die letzten Glühwürmchen“. Der Anime basiert auf einer autobiografischen Story von Akiyuki Nosaka und erschien in Deutschland erst 2002 (wie so viele andere Ghibli-Filme) und gilt nicht nur als Meisterwerk des Studios, sondern auch als einer der besten Kriegsfilme aller Zeiten. Dem kann ich nur zustimmen! Dieser Film hat mich (wie sicherlich viele andere auch) hart getroffen.
Ende des zweiten Weltkriegs: Japan wird von amerikanischen Bombern attackiert. Die Bevölkerung muss fliehen vor den tödlichen Bomben. Darunter sind die beiden Kinder Seita und seine kleine Schwester Setsuko. Ohne Eltern müssen die beiden ums Überleben kämpfen, denn das Land zerfällt und seine Bevölkerung ebenso. Dabei sind die Bomber nicht das Schlimmste: Der Hunger wird immer größer, während die Moral langsam verblasst…
Ich bin wirklich der Meinung, dass Takahata mit Miyazaki das Genie des Studios ist. Schon sein berührender Film „Tränen der Erinnerung“ (1991) war großartig und so echt in seiner Story. „Die letzten Glühwürmchen“ jedoch gehen richtig tief ins Herz. Mich hat der Film am Ende wirklich zu Tränen gerührt. Doch warum? Klar, das Thema Krieg ist immer schwer, aber nur wenige Filme kriegen es hin, dass man als Zuschauer wirkliche Empathie zu den Figuren zu entwickeln kann. Und dieser Film hier zeigt wie kaum ein anderes Werk, was Krieg mit einem Land macht. Es zerstört sowohl die Moral als auch die Gesellschaft. Menschen werden an ihre Abgründe gedrängt, was wundervoll durch die beiden Kinder Seita und Sestsuko gezeigt wird. Wie ist es kein Dach über dem Kopf zu haben? Wie ist es allein für sich und seine Schwester zu sorgen? Und wie ist es wahrlich zu verhungern? „Die letzten Glühwürmchen“ hat mir diese Fragen wie noch kein Film zuvor beantwortet. Man spürt die Verzweiflung der beiden, den Drang überleben zu wollen. Dabei verstehe ich aber auch die anderen Figuren, die auf den ersten Blick wie Antagonisten wirken. Die Tante der beiden, bei denen Seita und Sestsuko zunächst unterkommen, ist streng und will die beiden nicht durchfüttern. Aber das ist nur verständlich, denn sie muss nun fünf statt drei Mäuler stopfen. In solchen Ausnahmezuständen, wie Kriegen, zeigen Menschen wer sie wirklich sind und was für sie am wichtigsten ist. In den meisten Fällen wird das immer die eigene Familie sein. Und obwohl die beiden natürlich auf gewisse Art auch zur Familie gehören, sind sie doch Fremde für die Tante und ihre Angehörigen. Und eben diese graue Zone der Moral ist es, was den Film so faszinierend und am Ende aussagekräftig macht. Wie würde ich mich verhalten? Eine Frage, die man sich immer wieder während des Schauens stellt.
Eine besonderes Element sind natürlich die Glühwürmchen, die eine berührende Metapher darstellen. Einerseits sind sie etwas Wunderschönes für die beiden Kinder als Seita einige der leuchtenden Tierchen ins eigen Zuhause bringt. Auf der anderen Seite repräsentieren die leuchtenden Kugeln auch die Bomben der Amerikaner, die immer wieder aufs Neue die Dörfer zerstören und unzählige Menschen töten. Gerade am Ende bekommt die Idee hinter den Glühwürmchen etwas Wunderschönes und zugleich Herzzerbrechendes.
Der Film arbeitet mit vielen Rottönen, gerade in den Angriffen. Dadurch erhält das Werk einen ganz besonderen visuellen Look. Die Animationen sind natürlich wieder auf höchstem Niveau, darüber muss man wirklich nicht sprechen. Vor allem ist es erwähnenswert, dass der Film natürlich auch ziemlich düstere Bilder zeigt. Dabei ist „Glühwürmchen“ hier in Deutschland ab 6 freigegeben, was ich nicht ganz vertreten kann. Die Geschichte hat zwar ihre schönen und auch humorvollen Momente, aber der Film ist bis zum Ende hin wirklich schwer zu Ertragen in seiner Härte. Ich würde de Film ab 12 freigeben und definitiv empfehlen ihn mit den Kindern zusammen zu schauen!
Optisch ist das Drama fantastisch, der Score von Michio Mamiya berührend und die deutsche Synchro wieder mal erstaunlich gut!
Fazit: „Die letzten Glühwürmchen“ ist kein leichter Film! Es ist immer wieder schön und tragisch zugleich zu sehen, wie beide Kinder auch in den schlimmsten Momenten versuchen das Beste daraus zu machen. Ein wahrlich bewegendes Meisterwerk, das man nur schwer vergessen kann und das in seiner Thematik aktueller den je ist (und leider wohl nie an Relevanz verlieren wird!). Atemberaubend!