„The Wolf Of Wall Street“ (2013)
In Martin Scorseses herausragender Börsen-Satire ist alles eine Frage der Wahrnehmung, schließlich offenbart schon die allererste Sequenz die Diskrepanz zwischen (Selbst-)Darstellung und Wirklichkeit. Nach einem Hochglanz-Werbespot für Stratton Oakmont, einem scheinbar äußert seriösen Unternehmen, zeigt uns Scorsese, wie es in der Firma wirklich zugeht: Junge Männer, denen man sein Geld ganz sicher nicht anvertrauen würde, werfen zu ihrer Belustigung Kleinwüchsige quer durchs Büro. Die Börsianer erscheinen als Gaukler im Nadelstreifen - und Jordan Belfort (Leonardo DiCaprio) ist der schillerndste unter ihnen. Seinen leichtgläubigen Kunden verkauft er letztlich Träume von einem besseren Leben, denn anders als in Zeiten der andauernden Finanz- und Bankenkrise wurde charismatischen Brokern wie ihm zu Beginn der 90er noch blind vertraut. Wie der Regisseurin in seinem bissigen Porträt eines schillernden Finanzjongleurs die Regeln des klassischen Biopics unterläuft, sich immer wieder hemmungsloser satirischer Überzeichnung hingibt, und dabei doch auch Dramatik und Spannung zu ihrem Recht kommen lässt - das ist ganz großes Kino.
„Foxcatcher“ (2015)
Auf der Suche nach Anerkennung entdeckt der exzentrische Millionärserbe John E. du Pont (Steve Carell) den Ringsport für sich und bietet dem Olympiasieger Mark Schultz (Channing Tatum) viel Geld und perfekte Trainingsbedingungen, wenn er dafür zu ihm auf sein Riesenanwesen zieht und dort ein Ringer-Team mit aufbaut. Aber dann kommt es zur Katastrophe... Steve Carell offenbart nach und nach die komplizierte Persönlichkeit du Ponts in ihrer ganzen Ambivalenz und mit all ihren Komplexen. Der unter chronischer Selbstüberschätzung leidende Sport-Sponsor will unbedingt als große Persönlichkeit und wahrer Patriot wahrgenommen werden, wobei er nicht einsieht, dass große Teile der vermeintlichen Bewunderung und Anerkennung in Wirklichkeit ganz schnöde mit Geld erkauft sind. Regisseur Bennett Miller seziert in seinem verstörend-hypnotischen Sport-Drama eine bis heute mysteriöse Tragödie und führt uns dabei ganz weit auf die dunkle Seite des amerikanischen Traums.
„Mr. Turner – Meister des Lichts“ (2014)
Um 1825 kehrt der Marinemaler Joseph Mallard William Turner (Timothy Spall) nach einer Inspirationsreise nach London zurück, wo er mit seinem Vater William (Paul Jesson) sowie seiner Haushälterin Hannah Danby (Dorothy Atkinson) zusammenwohnt. Die beiden Vertrauten sind Turners Schutzschilde gegen die Außenwelt, denn der hochgeachtete Künstler ist mehr als kauzig. Er verhält sich meist schroff, unhöflich und direkt, womit er bei seinen Mitmenschen immer wieder aneckt. Turner ist alles andere als ein Diplomat und an der altehrwürdigen Royal Academy Of Arts tritt er gern großspurig und gegenüber den anderen Künstlern herablassend auf. Timothy Spall zeigt in der Hauptrolle eine ebenso kraftstrotzende wie subtile Darbietung: Sein Turner ist ein teils bösartiger, oft nur Grunzlaute von sich stoßender Visionär, der seine entstellte Haushälterin Hannah psychisch und sexuell ausnutzt. Trotz seines ungehobelten Protagonisten ist das Biografie-Drama ein höchst innovatives, ebenso elegantes wie sprödes Meisterwerk. Der inzwischen siebenfach oscarnominierte Regisseur Mike Leigh überwindet die Grenze zwischen Gemälde und Film und zeichnet ein Künstlerporträt, bei dem Form und Inhalt auf zwingende Weise eins werden.
„J. Edgar“ (2011)
J. Edgar Hoover (Leonardo DiCaprio) hat das FBI nicht nur gegründet, er war anschließend auch unglaubliche 48 Jahre lang Chef der US-amerikanischen Bundespolizei. So erlebte er in seiner Amtszeit acht US-Präsidenten, von denen keiner dem streitbaren Hoover etwas anhaben konnte – uns so hieß es in den Fluren Washingtons hinter vorgehaltener Hand auch, dass der FBI-Direktor in Wahrheit der mächtigste Mann des Landes sei. Das Wirken des konservativen Kommunistenhassers und besessenen Machtmenschen ist dabei bis heute höchst umstritten, sein Privatleben legendenumrankt. Ganz nach dem Muster der berüchtigten Geheimakten mit belastenden Informationen, die Hoover über politische Gegner und persönliche Konkurrenten führte, ließe sich aus der Verfilmung seiner Lebensgeschichte ohne Probleme eine saftig-spekulative Skandalchronik basteln. Stattdessen fällt Regisseur Clint Eastwood in seinem klugen Biopic aber keine Urteile über Hoover, sondern legt lediglich offen, wie diese zustandekommen. In einem über fast sechs Jahrzehnte gespannten Bogen stellt er Hoovers eigener Sicht auf die Dinge äußerst wirksam verschiedene andere Perspektiven gegenüber und gibt noch einen Schuss Fantasie dazu: Gerade aus dieser Reibung entsteht ein vielschichtiges Porträt einer rätselhaften Persönlichkeit, die in der fabelhaft-facettenreichen Darstellung von Leonardo DiCaprio mit all ihren Widersprüchen lebendig wird.
„W. – Ein missverstandenes Leben“ (2008)
Als am 4. November 2008 Barack Obama zum neuen US-Präsidenten gewählt wurde, hinterließ ihm George W. Bush (Josh Brolin) mit zwei Kriegen, einer desolaten Wirtschaftslage und zahllosen innenpolitischen Baustellen eine gewaltige Erblast. Trotzdem war Bush jede Selbstkritik fremd: „Wenn ich nach Texas zurückgehe und dort in den Spiegel schaue, bin ich stolz auf das, was ich sehe.“ Das sieht Oliver Stone in seinem Biopic hingegen wenig überraschend ein wenig anders. Aber auch wenn der „Platoon“-Regisseur den 43. Präsident der USA als mäßig intelligenten Schluckschlecht porträtiert, der sein ganzes Leben lang vergeblich um die Anerkennung seines Vaters ringt, ist „W.“ vor allem deshalb sehenswert, weil es entgegen aller Erwartungen eben doch keine plumpe Abrechnung geworden ist. Stattdessen porträtiert Stone seinen Protagonisten als Menschen mit Stärken und (jeder Menge) Schwächen. Man könnte bei dieser tragikomischen Annäherung an eine schillernde Politfigur fast schon Mitleid mit George W. bekommen, aber eben auch nur fast.
„Nixon“ (1995)
Im Vergleich zu Richard Nixon (Anthony Hopkins) und seinem unrühmlichen Watergate-Präsidentschaftsende hat selbst George W. Bush seine Amtszeit noch vergleichsweise unbeschadet zu Ende gebracht. Und auch hier ist es wieder ausgerechnet der Held der politischen Linken, Oliver Stone, der ein überraschend ausgewogenes Porträt eines der unbeliebtesten US-Präsidenten überhaut zeichnet (dem Regisseur wurde sogar von Kritikern vorgeworfen, er würde Nixons Politik mit seinem ambivalenten Psychogramm regelrecht entschuldigen). Dabei hat „Nixon“ einfach nur mehr mit einer klassischen Shakespeare-Tragödie wie „Richard III.“ als mit einem klassischen Polit-Biopic gemein. Dazu passen dann auch die finalen Worte von Henry Kissinger im Film: „Können Sie sich vorstellen, was aus diesem Mann hätte werden können, wenn er geliebt worden wäre?“
„Aviator“ (2004)
Der Milliardär Howard Hughes (Leonardo DiCaprio) war ein visionärer Geschäftsmann, Filmemacher (mit „Höllenflieger“ produzierte er 1930 den bis dahin teuersten Film Hollywoods) und Luftfahrtpionier. Aber mit der Herrlichkeit war es bald vorbei, als die Probleme mit seinem erworbenen Luftfahrtkonzern TWA losgingen. Denn damit wurde aus dem Exzentriker, der auf öffentliche Toiletten stets seine eigene Seife mitnimmt, schließlich ein handfester Phobiker und Neurotiker, der in einem Hotelzimmer vor sich hinvegetiert und in seinem Machtwahn zunehmend jeden Realitätssinn verliert. Martin Scorsese trifft genau den richtigen Ton, wenn er die visionären Erfolge feiert, sie aber immer wieder in den Kontext von Hughes‘ letzten Jahren als vor der Welt zurückschreckender Einsiedler setzt. Und Leonardo DiCaprio ist sowieso einmal mehr über jeden Zweifel erhaben (auch wenn er sich nach dem Sieg des Golden Globes bei den Oscars schließlich Jamie Foxx als „Ray“ geschlagen geben musste).