Vorab: Hier wird es zu Spoilern kommen, die die ganze Serie betreffen!
Es hat über die vergangenen Wochen kaum Freude bereitet sich die neuste „Star Wars“-Serie zu genüge zu führen. Bereits im Vorfeld wurde „The Acolyte“ aus gewissen Kreisen stark „kritisiert“ und hatte mit starkem Gegenwind zu rechnen, in dem der moderne Kampfbegriff „Wokeness“, der inzwischen sehr inflationär hervorgebracht wird und als Negativargument verwendet wird, sehr häufig verwendet wurde. Dabei ist es faszinierend mit anzusehen, dass die Kritik an der Serie sich häufig auf diesen Aspekt konzentriert und man sich am Ende eben nicht an den berechtigten Kritikpunkten der Serie orientiert, die man durchaus finden kann. Zudem entkräften selbe Kreise auch immer mehr den Wert einer Kritik, wenn man meint man müsse mit Reviewbombing eine Verzerrung der Realität bewirken, die auf lange Sicht eben diese aussagelos macht und überflüssig. Jedoch ist eine differenzierte Meinung heute selten geworden und der Sturz in die Extreme einfach und unkompliziert, funktioniert diese Herangehensweise doch am Besten um in Social-Media Aufmerksamkeit zu erlangen. Dabei muss man sogar zugestehen, dass „The Acolyte“ durchaus Potential hat und dieses auch immer wieder aufblüht. Nachdem all dies gesagt ist nun wirklich zur Serie!
„The Acolyte“ spielt ca. hundert Jahre vor den Ereignissen aus „Die dunkle Bedrohung“ in der Zeit der hohen Republik. Nachdem eine Jedi ermordet wird ist recht schnell eine mögliche Attentäterin ausgemacht, die eine Verbindung zum Orden der Jedi besaß. Daraufhin soll der Jedi Sol, gemeinsam mit einem kleinen Team, die Attentäterin schnappen und zeitgleich den Fall aufklären, der aber eine viel größere Verstrickung hat, als zunächst angenommen und auch tief in die Vergangenheit von Sol führt.
Nachdem die letzten Serien sich zeitlich alle im selben Spektrum bewegten und sich fast ausschließlich um die Zeit des galaktischen Bürgerkriegs drehten, fand ich es bereits sehr angenehm endlich einmal in eine andere Epoche einzutauchen, die Frei ist von Klonen, Imperium und Fanliblingen. Den großen Vorteil den „The Acolyte“ daraus zieht ist, dass man nicht nur frei drehen kann, mit eigenständiger Handlung und neuen Figuren, sondern man kann auch Brüche mit der Lor gut umgehen. Anders als die Disney Vollkatastrophen „Ahsoka“, „Kenobi“ oder „The Book Of Boba Fett“ begeht diese Serie nämlich, entgegen so mancher Meinung, keine Brüche mit der Lor und umgeht sämtliche Probleme, die möglicherweise mit den Prequels entstehen könnten.
Dabei muss ich jedoch zugestehen, dass die Serie in viele Aspekten dennoch stark schwangt und damit eine Kritik durchaus nachvollziehbar ist. Dies beginnt stellenweise mit dem Handwerk, das häufig in der Serie schwankt. Manche Effekte sehen nicht gut aus für eine 180 Millionen Dollar Produktion und besonders die Frisuren, das Make-Up oder Kostüme wirken recht billig in gewissen Sequenzen. Auch die Sets wechseln sich häufig qualitativ ab. So wirken Szenen im Tempel wie in schlechten Kulissen aufgestellt oder man erkennt auch hier klar den künstlichen Hintergrund, während eine Insel auf welcher der dunkle Machtnutzer lebt, wiederum durch sein echtes Setting ordentlich was her macht. Zudem bleibt die Musik überhaupt nicht im Ohr, was für „Star Wars“ absolut untypisch ist. Einzig über den Einsatz von Popmusik im Abspann redet man, hier aber zurecht im negativen, da sie schlicht nicht ins Universum passt.
Auch mit dem Humor bin ich nur begrenzt warm geworden, wenn man den Bügeleisen-Gag und die oberkörperfreie Szene von Yord bedenkt, die mich eher an das dunkle Kapitel „Die letzten Jedi“ erinnert.
Ein weiteres Problem der Serie stellt das Passing dar. Die Serie beginnt recht solide und der Grundkonflikt wirkt auch erst mal nicht unspannend. Leider kommen dabei vier Probleme auf. Das erste stellt die Geschwindigkeit der Erzählung selbst dar. Besonders zu Beginn lässt man sich sehr viel Zeit und es dauert bis Folge Fünf von Acht, ehe das wirklich spannende Grundszenario der Serie erreicht ist, was dann durchaus Interesse geweckt hat auf mehr aus dieser Welt. Gegen Ende wirkt es dann wieder relativ schnell, wenngleich das Finale der Serie dann doch befriedigender war, als zunächst vermutet. Das zweite Problem ist die Folgenlänge selbst, die fast immer viel zu kurz ist und häufig auf gerade einmal 30 Minuten kommt. Gerade bei den Folgen Fünf und Sechs fragt man sich, warum man diese nicht zusammen gemacht hat und eine weitere Folge gegen Ende genutzt hat um die Beziehung der Figuren zu erweitern. Dies führt zum dritten Punkt, der sich aber wie bereits die ersten beiden Punkte, in allen Serien der Marke „Star Wars“ finden lässt, mit Ausnahme von „Andor“, nämlich den fehlenden Sideplots. Die ganze Serie verläuft sehr linear und konzentriert sich nur auf einen Erzählstrang, aus dem er zu Beginn nie ausbricht. Erst gegen Ende der Staffel trennt sich dieser Faden. Der letzte Punkt ist, dass man bei acht Folgen zwei darauf Verwendet um reine Rückblenden zu erzählen. Diese sind zwar wichtig für die Handlung, stellen aber nicht nur die Tiefpunkte der Serie dar, sondern bremsen die Gegenwart immer wieder aus.
Dennoch muss ich die Serie auch an vielen Stellen loben. Das Grundszenario ist wie bereits geschrieben nicht uninteressant und zudem besitzt die Serie eine seltene Konsequenz, die alle anderen Serien vermissen lassen. Hedlund scheut sich nicht davor ihre Figuren zu töten und lässt am Ende gerade einmal vier Figuren, der Hauptbesetzung lebendig zurück, was in Zeiten, in denen Filoni Charaktere nie gehen lassen kann und sie lieber von den Toden zurückbringt, ein angenehmer Wandel darstellt. Auch dass man am Ende die Figur des Sol tötet, war konsequent, aber unerwartet. So umgeht man aber auch die Lorbrüche bezüglich der Sith. Ein weiterer Pluspunkt stellt auch hier der Fokus auf die dunkle Seite dar. Qimir bzw. „der Fremde“ wird so zum Star der Serie, der die dunkle Seite beleuchtet und zu einem großartigen Täuscher und Verführer wird, der sich selbst nicht als Sith bezeichnet. Auch die Kämpfe sind hier die besten der gesamten Ära Disney. Besonders die Duelle in Folge Fünf sind großartig, wirken schnell, dynamisch und brutal. Aber auch der Kampf unter den Jedi in Folge Sieben oder der Showdown zwischen Sol und Qimir ist wundervoll anzusehen. Ebenfalls stark ist die Darstellung der Jedi, die hier einmal nicht die Helden sind, sondern ihre dunklen Seiten offengelegt werden. So wirkt auch eine Aussage wie, „die Jedi versuchen das unmögliche zu kontrollieren, Emotionen“ mal erstaunlich stark.
Die Figuren schwanken dabei stark in ihrer Qualität, werden aber solide bis gut von ihren Darstellern verkörpert. So wirken besonders Figuren wie Sol, Qimir oder Venestra sehr stark, weil all diese Licht und Schatten besitzen, sie Fallhöhe haben und ihre Taten auch oft frei von Moral ist. Figuren wie Osha und Mae wirken zwar ebenfalls interessant und der Aspekt des Zweiklangs ist auch Spannend, auch wenn viele diesen Aspekt hassen, da Anakin dadurch nichts besonders mehr wäre, auch wenn ich diesem Punkt nicht zustimme, jedoch sind die Figuren häufig sehr Sprunghaft und man kann ihre Taten nur bedingt nachvollziehen. Andere Figuren wie Yord oder Jeki sorgen eher für Humor und ergänzen das Team um Sol, während sie selbst aber wenig Persönlichkeit besitzen. Auch Figuren wie die Jedi Indara, Torben und Kelnacca sind als Figuren eher uninteressant (Indara noch am ehesten) und besonders Torbens Heimweh als Indikator der Auslöschung der Hexen wirkt sehr fragwürdig. Einzig Mutter Aniseya ist hier als Figur noch gelungen, da man sie nachvollziehen kann.
„The Acolyte“ ist sicherlich nicht frei von Schwächen und man kann und sollte auch die Serie kritisieren, jedoch bitte an den richtigen Stellen. Den der diverse Cast ist sicherlich nicht das Problem hier. Man kann auch Lesly Hedlund durchaus kritisieren dafür, dass einige ihrer Aussagen bewusst provokativ waren und sie damit das Feuer nur weiter geschürt hat, aber leider verabschiedet man sich hier vollkommen von Moral und Anstand, was Fans angeht. Einen Hexenzirkel zu kritisieren, der sich aber nicht unterscheidet von den Schwestern der Nacht in „The Clone Wars“ wirkt ebenso albern, wie sich über die Hautfarbe von Figuren oder ihrem Geschlecht zu echauffieren. Ebenso hat es nichts mehr mit Kritik zu tun, wenn man beleidigende Aussagen gegenüber gleichgeschlechtlicher Liebe hegt, wenn in der Serie Figuren andeuten, dass sie mit dem gleichen Geschlecht zusammen sind. Mehr als den Kuss in „Episode IX“ durften queere Figuren bisher nicht in „Star Wars“ zeigen, Höchstens ein Händchen halten ist erlaubt. Ob dies schlimmer ist als der Kuss zwischen Luke und Leia, dem übersexualisierten von Ahsoka in „The Clone Wars“ die deutlich noch Minderjährig ist oder dass Sol Gefühle für ein Kind hegt, sehe ich als problematischer an.
Kurz: „The Acolyte“ ist nicht frei von Schwächen und kämpft immens mit seinem Handwerk, der Dramaturgie und dem Passing. Allerdings ist die Epoche mal erfrischend losgelöst, die Kampfe dynamisch, die Serie konsequent und einige Figuren nicht unspannend. Damit erreicht sie zwar nicht „The Mandalorian“ oder das Meisterwerk „Andor“ überbietet aber die Vollkatastrophen „Ahsoka“, „Obi-Wan Kenobi“, „The Book Of Boba Fett“ oder „The Bad Batch“ deutlich. Zeitgleich hoffe ich dass wieder eine vernünftige Diskussion möglich wird, abseits von Frontenkriegen, in denen sich Moral und Anstand verabschieden und Menschen klar unter die Gürtellinie gehen, wegen einer Serie! Auf eine zweite Staffel freue ich mich, besonders nach dem Ausgangsmaterial nach Folge Fünf durchaus mehr als auf die vorher genannten Vollkatastrophen, in die Filoni aktuell involviert ist.