Eine wichtige Serie, die ihr Potenzial nicht ausschöpft, insgesamt sehr unausgegoren daher kommt und enttäuscht.
(Staffel 1: 2,5/5 - Staffel 2: 3/5 - Staffel 3: 1,5/5 - Staffel 4: 1/5).
Gut ist das wichtige Thema und dessen durchaus drastische Darstellung. Gut ist auch das Schauspiel vieler Darsteller. Gut ist zudem, dass die Dinge, die hier in die Katastrophe führen, auf vielfältige Weise dargestellt sind. Es sind eben nicht nur schwere körperliche Misshandlungen, die einem Teenager zusetzen können, sondern zahlreiche Enttäuschungen und Tiefschläge, offensichtliche und weniger sichtbare, es kann auch fehlende Unterstützung sein, die dazu beiträgt. Das zeigt die Serie durchaus sehr gut. Auch, dass es eben nicht nur Schüler selbst sind, sondern das (teils als übergriffig dargestellte) Elternhaus oder (erwachsene) Autoritäten, die Teenagern des Leben schwer oder sogar zur Hölle machen können. Die Serie zeigt zudem wie schwer es Menschen fällt, Erlebtes zu verarbeiten bzw. auch nur anzusprechen oder wie die Konsequenzen davon erst viel später und auf drastische Weise ihren Ausdruck bekommen.
Die Schwächen der Serie sind jedoch immens. Zum einen findet sie keinen dauerhaften Ton. Sie beginnt als Drama, erhält über die Zeit Krimi- und Thrillerelemente und mündet in Staffel 4 gar in einem paranoiden Fiebertraum mit Horroreinschlägen. Sie entfernt sich immer stärker von ihrer Kernthematik zugunsten reißerischer Inszenierung. Sie scheint sogar Dinge, die in Staffel 1 noch als toxisch gelten, in späteren Staffel zwar nicht gutzuheißen, aber zumindest als legitim darzustellen. Sie nimmt ihren Weg über Teenager, die ihren Alltag zu bestreiten versuchen und landet am Ende bei einem lächerlich herbeifantasierten Kampf Jung vs. Alt und Platitüden wie "fuck the system", völlig außer Acht lassend, dass gerade anfangs die "Alten" zwar ihren Anteil am Leid der Schüler haben, zentral jedoch die "Jungen", also andere Schüler sind.
Die Figuren bereiten teils große Schwierigkeiten. Es gibt kaum echte, dauerhafte Sympathieträger oder Identifikationsfiguren. Die Serie kommt leider nicht ohne Klischees aus (Die Sportler, die Nerds, die Außenseiter, die woken Aktivistinnen). Vor allem die Hauptfiguren zeichnen sich durch einen hohes Maß an Selbstgerechtigkeit aus. Sie fingen mich irgendwann wirklich an zu nerven, mal abseits der Tatsache, dass ich keiner Figur dabei zuschauen will, wie sie über 50 Stunden Laufzeit jeden zweiten Satz nur gestammelt hervorbringt. Es gibt teils hanebüchene Figurenentwicklungen (plötzliche Aggression, fast anlasslose Läuterung im Eiltempo etc.), die kaum nachvollziehbar sind. Es gibt Figuren, die ohne Erklärung verschwinden und neue, die aus dem Nichts auftauchen, für die Handlung aber plötzlich zentral werden, weil sie vermeintlich wichtige Anliegen haben, die die Handlung dominieren oder, weil sie quasi allwissend sind, dass sie plötzlich im Hintergrund die Fäden spinnen können - obwohl sie erst in späteren Staffeln hinzutreten.
Überhaupt wird die Handlung immer dünner. Eigentlich findet nur in Staffel 1 und teils in Staffel 2 Handlung statt. Die beiden späteren Staffeln stellen eigentlich nur eine Aufarbeitung/einen Umgang mit den ersten beiden Staffeln dar, allerdings auf keine gute und sinnvolle Art und Weise. Die nahe an der Realität gestartete Serie wird immer fiktionaler und hat mit dem Alltag an einer klassischen US-Highschool sicher so gut wie nichts mehr zu tun. Zudem rücken die Themen Mobbing, Stalking, Übergriffe völlig in den Hintergrund. Sie werden durch Lügen, Vorwürfe und das Ausbleiben des Miteinander Redens ersetzt. Ich fand es am Ende mehr als fragwürdig, dass eine Gruppe existierte, die sich nach allen Ereignissen noch ernsthaft als Freunde bezeichnete.
Insgesamt wird hier enorm viel erzählerisches und schauspielerisches Potenzial (vor allem in Staffel 3 und 4) vergeudet. Die Serie konterkariert sich und ihr Anliegen ind Staffel 3 und 4 selbst und verliert ihren ratgebenden Charakter für Teenager völlig, wenngleich bis zum Ende konsequent durch Warn- und Hilfehinweise versucht wird, diesen aufrecht zu erhalten.