Das Filmemachen hat Tom Tykwer im Kino gelernt. Als Filmvorführer und Cineast sichtete der Autodidakt zahlreiche Filme und setzte die dabei gesammelten Anregungen Anfang der Neunziger in zwei Kurzfilmen um, die den Weg für sein viel beachtetes Langfilmdebüt „Die tödliche Maria“ (1993) ebneten. Fünf Jahre später gelang Tykwer mit „Lola rennt“, der erfolgreichsten deutschen Produktion des Jahres, der große Durchbruch. Es folgten unter anderem die umstrittene Big-Budget-Literaturverfilmung „Das Parfum“ (2006) und der Thriller „The International“ (2009), seine erste Kollaboration mit einem Hollywoodstudio.
Programmkinos und erste Kurzfilme
Der im Mai 1965 in Wuppertal geborene Tom Tykwer drehte dem Vernehmen nach bereits als Elfjähriger erste Super-8–Filme, bevor er sich nach der Schule ohne Erfolg an Filmhochschulen für ein Regiestudium bewarb. Ab 1980 – also bereits als Fünfzehnjähriger – arbeitete Tykwer als Filmvorführer in verschiedenen Programmkinos. Im Jahr 1988 übernahm der Cineast, der mittlerweile in Berlin lebte, dann die Programmierung des Kreuzberger Programmkinos „Moviemento“. Mit diesem Job, der Überarbeitung von Drehbüchern und der Entwicklung von TV–Porträts über verschiedene Regisseure hielt sich Tykwer finanziell über Wasser. 1992 gründete er gemeinsam mit dem Produzenten Stefan Arndt, mit dem er bis heute zusammen arbeitet, die Produktionsfirma Liebesfilm. Mit „Because“ (1990) und „Epilog“ (1992) inszenierte der Autodidakt Tykwer in dieser Anfangsphase zwei Kurzfilme, bei denen Frank Griebe – ebenfalls bis heute ein Stammmitarbeiter Tykwers – die Kamera führte.
„Die tödliche Maria“ und „Winterschläfer“
Mit dem Psychodrama „Die tödliche Maria“ inszenierte Tom Tykwer 1993 sein Langfilmdebüt. Der deutlich von Rainer Werner Fassbinder, Roman Polanski und einigen anderen Autorenfilmern inspirierte Erstling erfuhr seine Uraufführung bei den renommierten Hofer Filmtagen, gewann den Preis der deutschen Filmkritik und lief auf mehr als 60 Filmfestivals in der ganzen Welt. Die Darsteller Nina Petri, Sepp Bierbichrer und Joachim Krol sollten auch weiterhin in einigen Filmen Tykwers auftreten. Nachdem Tykwer im Jahr 1994 gemeinsam mit Stefan Arndt, Wolfgang Becker und Dani Levy die Produktionsfirma X Filme Creative Pool gegründet und 1995/96 gemeinsam mit Wolfgang Becker das Drehbuch zur Komödie „Das Leben ist eine Baustelle.“ verfasst hatte, legte er mit „Winterschläfer“ (1997) seinen zweiten Kinofilm vor. Das Thrillerdrama mit Ulrich Matthes, Heino Ferch, Marie-Lou Sellem, Sebastian Schipper und Josef Bierbichler brachte dem jungen Regisseur weitere Aufmerksamkeit und wurde für den Goldenen Leoparden in Locarno nominiert.
Der Durchbruch mit „Lola rennt“
Mit dem rasanten Zeitgeistfilm „Lola rennt“ gelang Tom Tykwer im Jahr 1998 ein immenser Erfolg, der seiner Firma X Filme sogar im Ausland große Erfolge verschaffte. Mit dem treibenden Elektrosound, der ungewöhnlichen Erzählstruktur und den Hauptdarstellern Moritz Bleibtreu und Franka Potente avancierte „Lola rennt“ zum erfolgreichsten deutschen Film des Jahres, der unter anderem den Deutschen Filmpreis in Gold, den Publikumspreis beim Filmfestival in Sundance und den Independent Spirit Award gewann. Heute gilt „Lola rennt“ als einer der innovativsten deutschen Filme der Neunziger, einem Jahrzehnt, in dem die deutsche Filmproduktion von Beziehungskomödien und Klamauk dominiert war. In seiner Heimatstadt Wuppertal drehte Tykwer anschließend das ruhige Liebesdrama „Der Krieger und die Kaiserin“ (2000), in dem neben Benno Fürmann erneut Tykwers damalige Lebensgefährtin Franka Potente auftrat. Im Jahr 2002 folgte mit „Heaven“ der erste englischsprachige Film Tykwers. Die Adaption eines Drehbuchs des polnischen Filmemachers Krzysztof Kieslowski war eine Koproduktion von X Filme und dem US-Studio Miramax und eröffnete die Berlinale 2002. Als Hauptdarsteller traten Cate Blanchett und Giovanni Ribisi auf.
„Das Parfum“ und „The International“
Auf den Kurzfilm „True“ (2002) mit Natalie Portman und Melchior Beslon, ein Teil des Kompilationsprojektes „Paris, Je T´Aime“, ließ Tom Tykwer mit „Das Parfum - Die Geschichte eines Mörders“ (2006) seine bis dahin aufwändigste Produktion folgen. Die von Bernd Eichinger produzierte Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Patrick Süskind wurde trotz mäkeliger Presse zu Tykwers größtem Kassenerfolg: In ganz Europa, Asien und Südamerika lief der Blockbuster erfolgreich im Kino. Auf der Besetzungsliste standen neben Hauptdarsteller Ben Whishaw große Namen wie Dustin Hoffman und Alan Rickman, was nochmals unterstrich, dass Tykwer im internationalen Kinogeschäft angekommen war. Folgerichtig arbeitete er für den Thriller „The International“ (2009) mit Columbia Pictures und damit erstmals mit einem Hollywoodstudio. Clive Owen deckt als Interpol-Agent Louis Salinger und mit Hilfe einer New Yorker Staatsanwältin (Naomi Watts) eine Verschwörung in der Welt der Hochfinanz auf. Mit Drehorten in Berlin, Istanbul, Mailand und New York, einer gradlinigen Inszenierung und einer spektakulären Schießerei im Guggenheim-Museum erwies sich Tykwers erster Hollywoodfilm, der auch wegen seiner aktuellen Thematik die 59. Berlinale eröffnete, als durchaus gelungen.
„Drei“
Mit dem Kurfilm „Feierlich reist“ (2009), einem Beitrag zur Kurzfilm-Kompilation „Deutschland 09 - 13 kurze Filme zur Lage der Nation“, und der Tragikomödie „Drei“ (2010) kehrte Tom Tykwer nach Deutschland zurück. Der mit Sophie Rois, Sebastian Schipper und Devid Striesow hochkarätig besetzte „Drei“ erzählt ein vertracktes Beziehungsdrama vor dem Hintergrund der Berliner Kunst- und Intellektuellenszene, das gängige Beziehungsmodelle hinterfragt und filmästhetisch so verspielt daherkommt wie Tykwers erste Filme. Für 2012 steht jedoch wieder eine amerikanische Produktion an: An der Seite von Andy und Lana Wachowski inszeniert Tykwer den Science-Fiction-Film „Der Wolkenatlas“, der mit Tom Hanks, Halle Berry, Susan Sarandon, Hugh Grant und weiteren überaus prominent besetzt ist – keine Frage, Tom Tykwer hat den Sprung auf die Weltbühne des Kinos geschafft.
Bis 2002 war Tom Tykwer mit Franka Potente liiert. Seit 2009 ist der Filmemacher mit Marie Steinmann verheiratet.