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    Lohnt sich "House Of The Dragon"? So gut ist die neue "Game Of Thrones"-Serie
    Julius Vietzen
    Julius Vietzen
    -Redakteur
    Seit er bei Staffel 8 mit seiner Kollegin Annemarie sechs Wochen lang in Westeros gelebt hat, gehört Julius zu den "Game Of Thrones"-Spezialisten der Redaktion und stürzt sich nun auch begeistert auf "House Of The Dragon" & Co.

    Mit „House Of The Dragon“ startet am 22. August 2022 die Vorgeschichte zu „Game Of Thrones“. Wir haben die ersten 6 Folgen gesehen und verraten euch in unserer Kritik, warum das Prequel bei „GoT“-Fans gleichermaßen für Freud und Leid sorgen wird.

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    Bei aller – teilweise berechtigten, teilweise überzogenen – Kritik an den späteren Staffeln bleibt eines unbenommen: Game Of Thrones“ war ein absolutes Phänomen, ein globaler Serien-Megahit, auf den sich fast alle einigen konnten. Wie folgt man also darauf? Der US-Sender HBO hat sich die Antwort auf diese Frage nicht leicht gemacht. Ein erstes „GoT“-Prequel mit dem inoffiziellen Titel „The Long Night“ wurde trotz gedrehter Pilotfolge wieder eingestampft und ähnlich erging es auch einigen weiteren Projekten in Entwicklung.

    Nun steht jedoch mit „House Of The Dragon“ die erste Nachfolger-Serie zu „Game Of Thrones“ in den Startlöchern – oder besser gesagt: die erste Vorgänger-Serie. Denn „House Of The Dragon“ spielt viele Jahre vor „Game Of Thrones“ auf dem Höhepunkt der Targaryen-Dynastie. Die Showrunner Miguel Sapochnik (Regisseur einiger der besten „GoT“-Folgen) und Ryan Condal, der die Serie zusammen mit George R.R. Martin entwickelt hat, können in den ersten sechs Episoden allerdings noch nicht ganz an die Qualität der Mutterserie anknüpfen. Schuld daran sind vor allem das sprunghafte Erzähltempo und die blassen Figuren abseits des zentralen Targaryen-Trios.

    Die Handlung von "House Of The Dragon"

    172 Jahre vor der Geburt von Daenerys Targaryen und der Bedrohung durch die Weißen Wanderer herrscht Viserys I. Targaryen (Paddy Considine) über Westeros. Es ist eine Zeit des Friedens und des Wohlstands, doch es braut sich langsam ein Konflikt zusammen: Viserys wurde einst als Thronfolger bestimmt, obwohl seine Cousine Rhaenys (Eve Best) den direkteren Anspruch auf die Krone gehabt hätte.

    Nun droht sich die Geschichte zu wiederholen: Denn weil er keinen männlichen Erben hat, ernennt Viserys seine ambitionierte Tochter Rhaenyra (Milly Alcock) zur Thronfolgerin und hält auch daran fest, als er Alicent Hightower (Emily Carey), Rhaenyras Jugendfreundin und die Tochter der Hand des Königs, heiratet und mit ihr einen Sohn bekommt. So steuern Rhaenyra und Alicent unaufhaltsam auf einen Konflikt zu, während die Häuser von Westeros ihre Intrigen spinnen und in der zwischen Westeros und Essos gelegenen Inselkette der Trittsteine ein Krieg heraufzieht...

    Die erste Folge „House Of The Dragon“ erinnert – sicherlich nicht zufällig – sehr stark an „Game Of Thrones“, und das (überwiegend) im Guten wie (teilweise) im Schlechten: Drachen fliegen majestätisch durch die Lüfte, bei einem Turnier werden blutspritzend Gesichter zerschmettert und die Figuren spinnen bereits so fleißig Intrigen, dass Littlefinger vor Neid erblassen würde. Und im Hintergrund erstrahlen die vertrauten Kulissen von King's Landing (Deutsch: Königsmund) und dem Eisernen Thron in neuer Pracht.

    Gleichzeitig feiert aber etwa auch die „Sexposition“ ihr unnötiges Comeback in „House Of The Dragon“ – also das aus „Game Of Thrones“ bekannte Mittel der Serien-Verantwortlichen, erklärende Dialoge und Handlungsdetails mit Sexszenen und nackter Haut vermeintlich schmackhafter zu machen. Davon hatte man sich in späteren Staffeln „Game Of Thrones“ aber eigentlich schon erfolgreich emanzipiert.

    "House Of The Dragon": Kein "Game Of Thrones 2.0"

    Ab Folge 2 präsentiert sich „House Of The Dragon“ dann jedoch schnell als eigenständiges Werk – und das dürfte nicht allen „Game Of Thrones“-Fans passen. Während in der Mutterserie noch Targaryens, Starks, Lannisters und andere Häuser als gleichberechtigte Hauptfiguren agierten, liegt der Fokus im Prequel zunächst fast ausschließlich auf den Targaryens, während die Angehörigen der meisten anderen Familien komplett blass bleiben und fast wie Statisten wirken.

    Ein gutes Beispiel dafür ist Larys Strong (Matthew Needham), der aufgrund einer körperlichen Behinderung nicht wie sein Bruder Harwin (Ryan Corr) als Krieger Ruhm und Ehre ernten kann. In einigen Momenten blitzt hier eine Figur auf, die über ein ähnliches Geschick und eine ähnliche Intelligenz wie ein Tyrion Lannister (Peter Dinklage) oder Petyr Baelish (Aidan Gillen) verfügt. Doch weil Larys in den ersten Episoden nur in zwei oder drei Szenen zu sehen ist, bleibt das Potenzial der Figur lange unausgeschöpft.

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    Ähnlich ist es bei Mysaria (Sonoya Mizuno), deren Rolle als wichtige Vertraute von Viserys' unberechenbarem Bruder Daemon (Matt Smith) pure Behauptung bleibt, weil sie (obwohl offiziell eine Hauptfigur!) nur hier und da mal für eine Szene auftritt und die Figur so komplett unterentwickelt bleibt – anders als die ähnlich gelagerte Figur Shae (Sibel Kekilli) aus „Game Of Thrones“.

    Zeitsprünge und Zeitebenen

    Ein weiterer großer Unterschied zu „Game Of Thrones“: Während in der Mutterserie pro Staffel etwa ein Jahr verging (und Arya Stark so vom 11-jährigen Mädchen zur 18-jährigen Frau heranwuchs), springt die Handlung in „House Of The Dragon“ von Episode zu Episode um Monate und Jahre vorwärts. Ein interessantes Konzept, vor allem mit Hinblick auf die weiblichen Hauptfiguren, die sich vor unseren Augen von Jugendlichen zu jungen Frauen und schließlich Müttern wandeln.

    Doch die Zeitsprünge sorgen auch immer wieder für Ungereimtheiten in der Handlung und Figurenentwicklung – entweder, weil zwischen zwei Folgen jahrelang gar nichts passiert, sodass man sich wundert, was die Figuren eigentlich die ganze Zeit gemacht haben. Oder aber, weil man das Gefühl hat, einen wichtigen Schritt in deren Entwicklung verpasst zu haben (etwa im Verhältnis von Daemon und Mysaria).

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    Der Grund für das überhastete Erzähltempo in den ersten Folgen dürfte sein, dass die Serienmacher Condal, Sapochnik und Martin so versuchen, die Lücke zwischen den zwei Zeitebenen der Serie so schnell wie möglich zu schließen und den älteren Versionen von Alicent (Olivia Cooke) und Rhaenyra (Emma D'Arcy) ihren Auftritt zu ermöglichen.

    Erzählerisch sinnvoller wäre es aber wohl gewesen, die komplette erste Staffel der Jugend der beiden Frauen zu widmen. Denn das Wissen, dass Alicent, Rhaenyra und andere Figuren später als ältere Version noch einmal auftreten, untergräbt auch immer wieder die Spannung – man weiß ja schließlich, dass sie überleben werden, was bei „Game Of Thrones“ noch alles andere als eine Selbstverständlichkeit war.

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    Ein eigenständiges Werk

    Doch womöglich ist das zu einem gewissen Grad sogar die Absicht der Serien-Verantwortlichen: „House Of The Dragon“ ist lange Zeit merklich weniger auf Spektakel, Schockmomente und Cliffhanger ausgerichtet als „Game Of Thrones“. Als einfacher Vergleich taugt hier das Ende der jeweils ersten Folgen:

    Am Ende der „GoT“-Pilotfolge wurde Bran Stark (Isaac Hempstead-Wright) von Jaime Lannister (Nikolaj Coster-Waldau) aus dem Fenster geschubst und stützte scheinbar in den Tod. Am Ende der „HotD“-Pilotfolge fliegt Daemon hingegen einfach nur mit seinem Drachen Caraxes aus King's Landing weg, während Rhaenyra zur Thronerbin ernannt wird.

    Das kann man gut oder schlecht finden, auf jeden Fall sorgt es für einen merklichen Unterschied zwischen den beiden Serien – und es schafft Platz für einen klareren thematischen Fokus. Denn auch wenn nicht alles in den ersten sechs Folgen „House Of The Dragon“ gelungen ist, bedeutet das nicht, dass es sich dabei um eine schlechte Serie handelt – im Gegenteil.

    Wie "House Of The Dragon" die Hauptserie übertrifft

    Condal, Sapochnik, Martin und ihr Team arbeiten in den ersten Episoden geschickt den zentralen Konflikt der Serie heraus, der (noch) wesentlich kleiner und intimer als das große Spiel der Throne in der Mutterserie ist. Eigentlich dreht sich „House Of The Dragon“ nämlich um Rhaenyra und Alicent, um ihre langsam zerbrechende Freundschaft und ihre sich langsam verschärfende Rivalität.

    Dass zwei Frauen im Mittelpunkt einer solchen Serie stehen, ist – vor allem, weil „Game Of Thrones“ immer wieder wegen des Umgangs mit Frauenfiguren kritisiert wurde – eine willkomme Abwechslung. Und wenn Rhaenyra immer wieder die ungleiche Behandlung von Männern und Frauen in Westeros anklagt, ist das nicht nur eine Parallele zu Daenerys' Schicksal viele Jahre später, sondern auch zu unserer sehr realen Gegenwart.

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    Bereits in der ersten Folge unterstreicht Sapochnik, der nicht nur als Showrunner, sondern auch als Regisseur fungiert, dieses zentrale Thema in einer grandiosen Szene: Während sich die Männer auf einem Turnier die Schädel einschlagen und die jungen Alicent und Rhaenyra von der Tribüne aus zusehen, schneidet Sapochnik immer wieder zu Viserys' erster Frau Aemma (Sian Brooke), die gerade bei einer blutigen und schmerzhaften Geburt ihren ganz eigenen Kampf ausficht.

    Gleichzeitig treiben die Serien-Verantwortlichen das Geschacher um Gunst und Einfluss am Hof in „House Of The Dragon“ immer wieder geschickt auf die Spitze, was in keiner Szene prägnanter gelingt als in Folge 2, wenn Viserys mit der zwölfjährigen (!) Laena Velaryon (Nova Foueillis-Mosé) verkuppelt werden soll. Während das Mädchen brav aufsagt, dass sie ihm eine gute Ehefrau sein werde, zerbricht Viserys beinahe an der Situation – ein wahnsinnig unangenehmer Moment für den König wie für das Publikum.

    Viserys-Darsteller Paddy Considine erweist sich mit seiner warmherzigen Präsenz in dieser und in vielen anderen Szenen als eine der drei Säulen, auf denen „House Of The Dragon“ in den ersten Folgen ruht. Die anderen sind Milly Alcock als junge Rhaenyra, in deren feurigem Temperament und eiserner Entschlossenheit viele Anklänge von Daenerys zu entdecken sind, und Matt Smith, der seinem Daemon eine diabolische Präsenz verleiht und sich wie ein Loki oder Joker immer wieder als unberechenbares Element entpuppt.

    Fazit: „House Of The Dragon“ ist (noch) kein zweites „Game Of Thrones“ – und das ist eigentlich auch gut so.

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