+++ Meinung +++
Als B-Film geplant, aber so hervorragend, dass er zum umjubelten Klassiker wurde: „Katzenmenschen“ ist ein Paradebeispiel dafür, wie die Kombination aus den richtigen Leuten am richtigen Ort zur richtigen Zeit filmische Glanzlichter hervorbringen kann. Der erotisch aufgeladene Hybrid aus Film noir und Horror führte zu Nachahmern, bekam ein Sequel, ein halboffizielles Spin-off sowie ein mit Nastassja Kinski besetztes Remake von Paul Schrader.
Während Schraders Neuaufguss schon länger auf Blu-ray erhältlich ist, mussten sich Fans des Originals und alle, die sich ihr erstes Mal mit ihm für eine HD-Auswertung aufgehoben haben, bislang gedulden. Jetzt sorgt das Label Filmjuwelen dafür, dass sich endlich was tut: „Katzenmenschen“ erscheint am 19. August 2022 erstmals auf Blu-ray – und erneut auf DVD.
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Neben einem Audiokommentar und mehreren Interviews auf der Disc enthält die Filmjuwelen-Auflage von „Katzenmenschen“ auch haptisches Bonusmaterial in Form eines 20-seitigen Booklets.
"Katzenmenschen": Mit heißer Nadel gefilmt...
Irena Dubrovna (Simone Simon) fällt ihrem frisch angetrauten Ehemann Oliver Reed (Kent Smith) zur Last: Sie ist voller Furcht, dass eine Sage aus ihrer alten Heimat Serbien wahr ist, und sie sich bei großer sexueller Erregung in eine tödliche Raubkatze verwandelt. Als es in ihrer neuen Heimat New York zu einer unerklärlichen garstigen Mordserie kommt, vertraut sich Irena auf Anraten ihres bemüht verständnisvollen Gatten dem Therapeuten Dr. Louis Judd (Tom Conway) an. Oliver wiederum sucht Trost bei seiner Assistentin und alten Freundin Alice Moore (Jane Randolph). Das mörderisch-tragische Ende scheint unausweichlich...
Neu im Heimkino: "Trouble Every Day"Die Entstehung von „Katzenmenschen“ klingt wie Trivia, die Oliver Kalkofe und Peter Rütten zu Beginn von „Die schlechtesten Filme aller Zeiten“ teilen, nicht wie der Ursprung eines Klassikers: Nachdem sich der studierte Journalist Val Lewton mit Groschenromanen und skandalträchtiger Erotikliteratur einen Namen machte, heuerte ihn das Studio RKO an, um als Produzent preisgünstig deren B-Movie-Fließband am Laufen zu halten.
Als Initialzündung für seine erste Produktion ließ er sich von seiner Angst vor Katzen leiten und setzte dem erfolglosen Schauspieler DeWitt Bodeen den Titel „Katzenmenschen“ vor. Neben Bodeen, der sich schon länger als Autor behaupten wollte, holte Lewton Regisseur Jacques Tourneur ins Boot. Ihm sagte man nach, dass er schnell und effizient arbeitet – und währenddessen jedes noch so maue Skript ausbessert. Aufgrund des sehr schmalen Budgets musste er bei „Katzenmenschen“ allerdings besonders findig vorgehen:
Um Geld zu sparen, wurde der Drehplan absurd kurz gehalten: Täglich arbeiteten zwei Filmcrews, um tagsüber sowie nachts drehen zu können. Mehrere Szenen wurden am Set anderer RKO-Filme gedreht, wo der Regisseur auf ungewöhnlich stark reduzierte Beleuchtung setzte. Das hatte sogleich zwei Gründe: Tourneur war überzeugt, dass alles, was sich das Publikum in seinem Gedanken ausmalt, grafischer ist als das, was er zeigen könnte. Außerdem wollte er die Stromkosten drosseln, um das Budget nicht auszureizen.
Es gelang: Er lieferte „Katzenmenschen“ unterhalb des abgesprochenen Budgets ab. Und das, obwohl die Produktion vier Tage nach Drehbeginn in Trubel geriet, weil sich RKO-Supervisor Lou Ostrow das bislang gedrehte Material anschaute. Ostrow befand, dass das Bild zu dunkel sei und im Film zu wenig Drastisches passieren würde. Also wurde Produzentenneuling Val Lewton aufgefordert, Tourneur zu feuern. Lewton weigerte sich – und wurde mit großem Erfolg entlohnt, was noch weitere Horrorklassiker zur Folge hatte.
...und dabei so sinnlich wie schaurig
Zugegeben: Jacques Tourneur würde mir auf's Dach steigen, weil ich seine Regiearbeit in die Nähe des Genrebegriffs „Horror“ stelle. Denn der Regisseur gab einst entnervt zu Protokoll, den Terminus zu verabscheuen. Dann nennen wir „Katzenmenschen“ halt einen lasziv-prickelnden Film-noir-Thriller, der greifbar die Folgen unterdrückter Sexualität symbolisiert. Er wird dabei nie konkret – sowohl narrativ als auch visuell lässt er Interpretationsspielraum offen. Genau deshalb geht das in die A-Liga katapultierte B-Movie so nah und fühlt sich so intim an: Es gibt dem eigenen Kopfkino makabere wie auch pikante Anstöße, während es selbst stilvoll und elegant bleibt.
„Katzenmenschen“ sieht nicht aus, als hätten Tourneur und sein Kameramann Nicholas Musuraca unter Zeitdruck gestanden und unter Geldmangel gelitten. Stattdessen erweckt ihre imponierende Lichtsetzung (oder besser gesagt: Schattensetzung) den Eindruck, sie hätten volle Kontrolle: Die Bildästhetik ist charakteristisch, nahezu expressionistisch. Und das, ohne die unter die Haut gehende Erotikgeschichte aus dem Alltag zu rücken. Selbst 80 Jahre später bleibt „Katzenmenschen“ relevant: Irenas, Olivers, Louis' und Alices Verstrickung aus Scham, Eifersucht, Sehnsucht, Verlangen und Selbstunterdrückung bleibt ein nachvollziehbarer, erschreckend allgegenwärtiger Konflikt.
Die Performance von Simone Simon ist voller Persönlichkeit, inklusive ihres markanten und oftmals harsch kritisierten Akzents. Allein schon zu beobachten, wann und weshalb sich die buchstäblich wie sprichwörtlich zugeknöpfte Irena gehen lässt, ist immens spannend. Smith, Conway und Randolph wiederum tänzeln in ihrem Spiel beeindruckend, zuweilen geradezu verführerisch zwischen Suspense, Beziehungsdrama und Film noir. Ein derart brisanter Balanceakt in einem Film voller sexuell arg unterdrückter Figuren? Das ist ein ganz spezieller Nervenkitzel, den man erlebt haben sollte...
In diesem Skandalfilm trifft Mafiakino auf Pornografie – jetzt kommt der Klassiker uncut zurück ins Heimkino*Bei den Links zum Angebot von Amazon handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diese Links erhalten wir eine Provision.