+++ Meinung +++
„Ich möchte für das Kino das sein, was Shakespeare für das Theater, Marx für die Politik und Freud für die Psychologie war: jemand, nach dem nichts mehr so ist, wie es einmal war“, sagte das Multitalent Rainer Werner Fassbinder über sich selbst. Das mag zuerst selbstgefällig wirken, zeugt jedoch von einer immensen Sehnsucht danach, etwas zu bewirken, verändern und hinterlassen zu können. Und das ist dem Filmemacher zweifelsohne gelungen:
Obwohl er nur 37 Jahre alt wurde, hinterließ er über 40 Filme und zwei Dutzend Theaterstücke – und man kann im deutschen Kino definitiv eine Trennlinie zwischen „vor Fassbinder“ und „nach Fassbinder“ ziehen. Zu den Bewunderern seiner Arbeit zählen unter anderem Martin Scorsese, „Annette“-Regisseur Leos Carax und „Carol“-Macher Todd Haynes sowie „Toni Erdmann“-Regisseurin Maren Ade. Und damit der Kreis derer wächst, die Fassbinders Schaffen präsent in Erinnerung haben, zelebriert nun der Arthouse-Streamingdienst LaCinetek das deutsche Enfant terrible:
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Am 10. Juni jährt sich zum 40. Mal Fassbinders Todestag – doch schon heute beginnt das Portal seinen Fassbinder-Schwerpunkt. Im Rahmen dessen können zehn seiner denkwürdigsten Filme sowie seine Mammutserie „Berlin Alexanderplatz“ gestreamt werden. Somit bekommen alle Filmfans die Möglichkeit, einen Querschnitt an passionierten, unangepassten Regiearbeiten (erneut oder erstmals) zu erleben, wie sie die Filmindustrie nur selten hervorbringt.
Fassbinders Facetten
Fassbinders Filme begehen häufig einen Spagat zwischen der Widerspiegelung seiner eigenen, intimen Gefühle und Bestandsaufnahmen des politischen Klimas in Deutschland. Meistens wird dies mittels Figuren in vertrackten Beziehungen erzählt und durch prägnante Schauplätze visualisiert. Herausragend ist weiter, dass er zwar viele melodramatische Filme drehte, doch selbst diesem oft schleppendem Genre schöpferisches Feuer verpasste.
Einen treffenden Einblick in Fassbinders Werk bietet seine thematisch verbundene „BRD-Trilogie“, die komplett in der Fassbinder-Selektion bei LaCinetek zu finden ist: „Die Ehe der Maria Braun“ über eine unglücklich verliebte Frau während der Nachkriegsjahre. Der vom realen Schicksal der Schauspielerin Sybille Schmitz inspirierte Kriminalfilm „Die Sehnsucht der Veronika Voss“ über einen verglühten Filmstar, der etwas mit einem Sportreporter anfängt. Und die satirische Dramödie „Lola“ über eine Dreiecksgeschichte zwischen einem Baukommissar, einer Bordellarbeiterin und einem korrupten Bauträger.
Eng mit der BRD-Trilogie verwandt: Das Sozialdrama „Angst essen Seele auf“ über das Lebensgefühl sogenannter „Gastarbeiter“, das ebenfalls bei LaCinetek zu finden ist. Aus Fassbinders früherem Schaffen sind der Impro-Film „Warum läuft Herr R. Amok?“ (dessen Dreharbeiten er nach wenigen Tagen verlassen hat) und „Händler der vier Jahreszeiten“, dessen glücklose Hauptfigur Fassbinder einem Verwandten nachempfunden hat, Teil des Portfolios.
Die sexuelle Offenheit Fassbinders repräsentieren in der LaCinetek-Retrospektive wiederum der visuell äußerst exzentrische Film „Martha“ über eine SM-Beziehung und das Transgender-Drama „In einem Jahr mit 13 Monden“, das Fassbinder zu den größten Favoriten unter seinen eigenen Filmen zählte. Abgerundet wird das Aufgebot durch die stilistisch verbundenen queeren Filme „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ und „Faustrecht der Freiheit“, die beide mit paradoxen Elementen kokettieren: „Faustrecht der Freiheit“ ist plakativ gefilmt und voller ironischer Sprache, aber melodramatisch und ehrlich in seinen Emotionen.
„Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ wiederum ist zwar ein beengendes Kammerspiel, aber ausladend und exzessiv in seiner Sprach- und Bildgewalt. Der Film ist zudem das heimliche Centerpiece der Retrospektive: Er ist ab dem 6. Juli 2022 unter dem Banner „Ciné-Club“ bei LaCinetek abrufbar und dann vorübergehend rabattiert verfügbar. Dann wird auch eine Einführung vom französischen Regisseur François Ozon online gestellt, der kürzlich mit „Peter von Kant“ eine Fassbinder-Hommage inszenierte.
LaCinetek: So geht's
Ein paar der hier genannten Fassbinder-Arbeiten sind derzeit auch an anderer Stelle via Flatrate abzurufen: Auf Netflix ist „Berlin Alexanderplatz“ erhältlich, beim Prime Video Channel Arthaus+* sind „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“, „Angst essen Seele auf“ sowie „Die Ehe der Maria Braun“ zu finden, und via Sky Go könnt ihr „Lola“ sehen.
Die Streamingplattform LaCinetek dagegen hat kein Abo-Modell, sondern nutzt für ihre Inhalte ein Pro-Titel-Zahlmodell. Dabei gelten (außerhalb der Ciné-Club-Aktion) Einheitspreise: Leihtitel kosten 2,99 Euro in SD und 3,99 Euro in HD. Um Titel digital zu erwerben, müsst ihr 7,99 beziehungsweise 9,99 Euro bezahlen. Aktuell gibt es über 650 Produktionen auf der Plattform.
Peter von Kant*Bei diesem Link handelt es sich um einen sogenannten Affiliate-Link. Bei einem Kauf über diese Links oder beim Abschluss eines Abos erhalten wir eine Provision. Auf den Preis hat das keinerlei Auswirkung.