Obwohl man Sam Raimi heutzutage entweder dem Horror- oder dem Comic-Kino zuschreibt, hat sich der Regisseur seit jeher immer dagegen gewehrt, in Schubladen gesteckt zu werden. Seine bisher größten Erfolge feierte er zwar mit der „Spider-Man“-Trilogie und der „Tanz der Teufel“-Reihe, während „Doctor Strange In The Multiverse Of Madness“ momentan drauf und dran ist, zum größten Box-Office-Hit in Raimis Schaffen zu avancieren. Es sind jedoch die kleinen, unscheinbaren Filme „zwischendurch“, die seine Vita so interessant machen.
Neben dem brillanten Schuld-und-Sühne-Thriller „Ein einfacher Plan“, dem Fantasy-Actioner „Darkman“ sowie dem Western „Schneller als der Tod“ mit Leonardo DiCaprio gibt es hier auch den düsteren Mystery-Grusel „The Gift – Die dunkle Gabe“ zu entdecken, der heute, am 12. Mai um 22:15 Uhr auf Servus TV ausgestrahlt wird. Die viel zu unbekannte Genre-Perle überzeugt nicht nur durch einen grandiosen Cast, sondern auch durch die wirklich wendungsreiche Geschichte.
Übrigens: „The Gift“ solltet ihr euch im TV auf gar keinen Fall entgehen lassen, da es den Film weder als VOD, noch auf DVD oder Blu-ray bei Amazon gibt. Zurzeit sind die Discs nämlich offenbar vollkommen vergriffen und nur noch bei Gebrauchtwarenhändlern (wie zum Beispiel Medimops) zu erwerben.
Darum geht’s in The Gift – Die dunkle Gabe
Annie Wilson (Cate Blanchett) ist nach dem Tod ihres Ehemanns nun ganz allein für ihre drei kleinen Söhne Mike (Lynnsee Provence), Miller (Hunter McGilvray) und Ben (David Brannen) verantwortlich. Anne arbeitet als Medium, hat sogar den Tod ihres Gatten vorhergesehen und kämpft nun gegen extreme Schuldgefühle an. Doch sie bekommt von den Bürgern ihrer Kleinstadt auch viel Zuspruch für ihre Fähigkeiten.
Der von Wahnvorstellungen geplagte Buddy (Giovanni Ribisi) und Valerie (Hilary Swank), die unter ihrem gewalttätigen Mann Donnie (Keanu Reeves) leidet, suchen Annie immer wieder auf. Donnie ist der festen Überzeugung, dass Annie seine Frau dazu überreden möchte, ihn zu verlassen – und das passt dem Choleriker so gar nicht. Die Kleinstadtquerelen werden jedoch überschattet, als Jessica King (Katie Holmes) verschwindet. Die Polizei sucht vergeblich. Nur widerwillig bittet Sheriff Johnson (J.K. Simmons) Annie um Hilfe...
Ein soghafter und außergewöhnlicher Thriller
Sam Raimi hat ein außerordentliches Gespür für Charaktere und zwischenmenschliche Dynamiken. In „The Gift“ erweist sich diese Kompetenz als besonders eindrucksvoll, denn hier sticht einem auf den ersten Blick nicht die tolle, oftmals unkonventionelle Inszenierung des Regisseurs ins Auge, sondern der beachtliche Cast, der mit Cate Blanchett, Keanu Reeves, Greg Kinnear, J.K. Simmons, Katie Holmes und Hilary Swank wirklich ganz groß auffährt.
In der offiziellen FILMSTARTS-Kritik gab es für „The Gift“ gute 3,5 von 5 Sternen. Unser Autor Björn Helbig erklärt darin folgendermaßen, warum der Film eine Besonderheit im Schaffen des „Doctor Strange 2“-Regisseurs darstellt: „Raimi-typische Inszenierungsmerkmale sind durchaus vorhanden, trotzdem verschrecken keine zu grellen Ideen das Massenpublikum. Der Schwerpunkt des Films liegt auf einer austradierten Geschichte.“
The Gift - Die dunkle GabeSam Raimi nimmt sich hier wirklich die Zeit, um die Protagonist*innen vorzustellen und ein Gefühl für das Klima in der schwülen Kleinstadt zu erschaffen. Dabei ist vor allem die Ambivalenz vieler Charaktere entscheidend, um der Handlung immer wieder eine neue Ebene zuzugestehen. Gerade Giovanni Ribisi und Greg Kinnear stellen mit ihren undurchsichtigen Figuren die Zuschauer*innen auf die Probe und verdeutlichen, wie vielfältig „The Gift“ letztlich doch ist.
Dass „The Gift“ kein Erfolg wurde, liegt wohl daran, dass die Genre-Mixtur für ein großes Publikum dann doch zu uninteressant ist – gleiches hat Raimi bereits mit „Schneller als der Tod“ erfahren müssen. Doch auch wenn der Film die Massen nicht angelockt hat: Für alle Anhänger*innen des Regisseurs und diejenigen, die wendungsreiches, packendes und hervorragend gespieltes Mystery-Thriller-Kino zu schätzen wissen, ist „The Gift“ auf jeden Fall eine klare Empfehlung.