Das Ziel des Taiwan Film Fest ist es weiterhin, Berlin und Taipeh auch kulturell miteinander ins Gespräch kommen zu lassen – aber das geht, nachdem das Festival schon vergangenes Jahr online stattgefunden hat, auch in diesem Jahr leider pandemiebedingt noch immer nicht von Angesicht zu Angesicht.
Deshalb muss auch die dritte Ausgabe des jungen Festivals wieder online stattfinden. Trotzdem sind nicht einfach nur die Filme aus dem Programm nun online bei Vimeo zu sehen (12 Euro für das komplette Programm). Stattdessen wird es darüber hinaus auch 2021 wieder viele Interviews mit den Filmschaffenden sowie weitere Specials als Begleitprogramm geben.
Keine Angst vor dem Meer
Los geht es heute Abend mit dem Eröffnungsfilm, der als einziger Film aus dem Programm tatsächlich nur zu einem bestimmten Termin gestreamt werden kann – alle anderen Beiträge kann man hingegen frei innerhalb des Festivalzeitraums anschauen: „Whale Island“ (Start um 20 Uhr) von Huang Chia-chun handelt von der Angst der Taiwanesen vor dem Meer, das viele Bewohner*innen der Insel aus politischen, historischen oder auch religiösen Gründen fürchten gelernt haben.
Der Autor Liao Hong-ji und der Unterwasser-Fotograf Ray Chin versuchen diese Spannungen zwischen einem Staat und seinem alles umschließenden Meer aufzulösen…
Menschenrechte, Künstler*innen und Reisen
Das eigentliche Programm konzentriert sich in diesem Jahr auf drei Schwerpunkte. In der Sektion „Road To Freedom: Human Rights in Taiwan“ geht es um den Kampf für den Erhalt der Menschenrechte auf dem Weg zu einer vollwertigen und nachhaltigen Demokratie. Besonders spannend ist dabei der Dokumentarfilm-Klassiker „Super Citizen Ko“ („Die große Schuld des Bürgers Ko“) von 1994, der zum ersten Mal seit einem Vierteljahrhundert in Deutschland gezeigt wird.
Vor dem Hintergrund der politischen Geschichte Taiwans nach der Einführung der Kriegsrechts 1947 erzählt der Film von Ko, der wegen seiner angeblich zu linken Gesinnung mehr als 30 Jahre in Gefängnissen und sonstigen Institutionen zubrachte, während sein bester Freund Chen in den Fünfzigern sogar exekutiert wurde. Nach seiner Freilassung begibt sich Ko auf eine Suche nach der Wahrheit – und damit auch nach sich selbst…
In den vier Dokumentationen der Sektion „Portraits Of Artists“ werden so verschiedene Künstler*innen wie die Tanz-Choreografin Lin Lee-Chen (in „The Walkers“), der Comic-Zeichner Chen Uen (in „Chen Uen“) oder der Geräuschemacher Hu Ding-Yi (in „Foley Artist“) beleuchtet, während die Sektion „The Explorer And The Yearn For Travel“ ein Verlangen aufgreift, dem wir alle gerade noch immer nicht wie gewünscht nachkommen können – nämlich das Reisen.
Wang & Liu auf den Spuren von Dick & Doof
Hier läuft auch meine persönliche Entdeckung des diesjährigen Festivals: Nämlich eine restaurierte Fassung des taiwanesischen Comedy-Klassikers „Brother Wang And Brother Liu Tour Taiwan“ aus dem Jahr 1959. Der stark übergewichtige und immer schläfrige Wang und der schmächtige, auch nicht viel schlauere Liu sind beste Freunde – und stolpern als asiatische Antwort auf die offensichtlich als Vorbilder dienenden US-Vorbilder Laurel & Hardy alias Dick & Doof regelmäßig von einem Schlamassel ins nächste.
Aber dann sagt ein Hellseher ihnen die Zukunft voraus: Wang soll in drei Tagen im Lotto gewinnen – und Liu in 44 Tagen das Zeitliche segnen. Als Wang tatsächlich den Jackpot knackt, ist die Freude deshalb nur von kurzer Dauer. Schließlich scheint es plötzlich sehr wahrscheinlich, dass der Wahrsager dann wohl auch mit der Todesvorhersage recht haben könnte.
Um seinem besten Freund seine letzten Tage zu versüßen, lädt Wang ihn mit seinem Gewinn zu einer Reise durch Taiwan ein – wobei sie nicht nur an vielen der spektakulärsten Tourismusattraktionen des Landes vorbeikommen, sondern auch eine Nacht in einem verfluchten Spukhaus zubringen…
Alle weiteren Infos zum Taiwan Film Festival 2020, das vom 20. – 29. August 2021 online veranstaltet wird, findet ihr auf der offiziellen Homepage des Festivals.