Wohl wenige Filmfans hätten darauf getippt, dass ein von Kultregisseur Quentin Tarantino gefeierter Action-Thriller in Deutschland ausgerechnet auf Disney+ abrufbar ist. Doch dem ist so: Das Portfolio des Maushaus-Streamingdiensts umfasst Tony Scotts „Unstoppable – Außer Kontrolle“. Und in den Augen Tarantinos ist der knackig-kurze Thriller mit Denzel Washington und Chris Pine ein absolutes Highlight der 2010er-Jahre!
Darum geht es in "Unstoppable"
Lokführer-Azubi Will Colson (Chris Pine) hat einen schweren Einstand in seinen neuen Job: Seine Kollegen lassen an ihm nämlich den Zorn über die Eisenbahngesellschaft aus, die aus Kostengründen die alte Garde gegen junges Blut austauschen will. An seinem ersten Tag als Zugführer gerät Will zudem ausgerechnet an Frank Barnes (Denzel Washington), eine lokale Legende im Eisenbahngeschäft. Der packt Will beim gemeinsamen Dienst hart an.
Will steht kurz davor, zu explodieren – denn was Frank nicht weiß: Wills Ehe mit Darcy (Jessy Schram) steht kurz vor dem Aus, und daher hat er keine Geduld mehr für Franks Platzhirschverhalten. Doch ein Unglück zwingt die Beiden dazu, sich zusammenzureißen: Weil ein schusseliger Rangierarbeiter einen katastrophalen Fehler begeht, setzt sich eine Kettenreaktion in Gang, in deren Folge eine Lok mit 39 Waggons führerlos losrast und droht, nicht nur Will und Frank zu rammen, sondern obendrein in einem bevölkerten Gebiet zu entgleisen…
» "Unstoppable" bei Disney+*
Die Tarantino-Tony-Scott-Connection
Quentin Tarantino hat eine Verbindung zu Tony Scott: Denn der „Top Gun“-Regisseur verfilmte einst sein Drehbuch zu „True Romance“. Und anders als im Falle von Oliver Stone, dem Tarantino übelnahm, was er aus seinem „Natural Born Killers“-Skript gemacht hat, war Tarantino zufrieden mit dem Ergebnis. Darüber hinaus polierte Tarantino (ohne dafür eine Nennung im Abspann zu erhalten) das Drehbuch zu Tony Scotts U-Boot-Thriller „Crimson Tide“ (ebenfalls auf Disney+) auf. Aber auch abseits dieser Zusammenarbeiten hat der Kult-Regisseur eine Schwäche für Ridley Scotts jüngeren Bruder.
Einerseits auf menschlicher Ebene: Wie Tarantino 2012 verriet, wandte er sich nach dem Kassenflop von „Grindhouse“ in einem emotionalen Tief an Tony Scott, der ihm wieder Mut zugesprochen hat. Doch auch für Scotts Filme hat Tarantino ein Faible – schon mehrmals nutzte der „Once Upon a Time in Hollywood“-Macher die Gelegenheit, etwa den als „Top Gun“-Abklatsch verschrienen „Tage des Donners“ zu verteidigen oder zu beichten, dass ihn „Mann unter Feuer“ zu Tränen rührte.
Angesichts dessen kommt es vielleicht deutlich weniger überraschend, dass Tarantino dem Kassenflop „Unstoppable“ mehr Beachtung schenkt, als es viele andere Filmfans tun. Denn über den Action-Thriller, der bei geschätzten Kosten von 85 bis 100 Millionen Dollar global nur 167,8 Millionen Dollar an den Kassen eingenommen hat, sagte Tarantino im The Rewatchables-Podcast: „Er hat mich einfach umgehauen!“
Rattern, rasseln und rasen
Darauf lässt es der berühmte Regisseur und Autor jedoch nicht beruhen: Er holt weiter aus und behauptet, dass der Film zunächst auf Rang zehn seiner liebsten Filme der 2010er-Jahre landete – bis er seine Meinung änderte. „Er sollte höher sein“, so Tarantino, in dessen Augen der Action-Thriller Tony Scott „auf der Höhe seiner Kraft zeigt, das zu tun, was er tut.“
Darüber, ob sich Scott wirklich bei diesem Film an der Spitze seines Schaffens befand, lässt sich streiten – allerdings lassen sich sehr gute Argumente dafür finden, dass das Kinopublikum „Unstoppable“ 2010 nicht die verdiente Beachtung geschenkt hat. Denn dieser temporeich erzählte Actioner, in dem tonnenschwere Züge durch's Bild brettern und Tony Scott so wenig Computereffekte wie möglich verwendet, ist einfach eine Wucht.
Denn echte Züge auf realen Strecken in Szene zu setzen, ist ein logistischer Albtraum, und die Stuntleute, die auf ihnen herum kraxeln, begeben sich in Lebensgefahr. Diese produktionstechnischen Anstrengungen und Gefahren zu meistern, und dabei auch noch einen rasanten Film zu erschaffen, der seiner simplen Prämisse konstant treu bleibt, ist eine denkwürdige Leistung.
Scotts Schnittgewitter in „Unstoppable“ mag im ersten Augenblick irritieren („Wieso braucht ein Film über einen Zug so viele Cuts?!“), doch sukzessive wird klar, dass er so auf visuelle Ebene das Rattern, Knarzen und Rasseln spiegelt, das die Tonspur des Films durchzieht. Man fühlt sich nicht etwa in einen Zug versetzt, sondern zwischen die Gleise einer viel befahrenen Strecke. Und das ist deutlich abenteuerlicher, als es vielleicht scheint!
*Bei diesem Link zu Disney+ handelt es sich um einen Affiliate-Link. Mit dem Abschluss eines Abos über diesen Link unterstützt ihr FILMSTARTS. Auf den Preis hat das keinerlei Auswirkung.