Auch wenn er dank Filmen wie „Slither“ und „Super“ bereits vorher einige treue Fans hatte: Seit „Guardians Of The Galaxy“ und „Guardians Of The Galaxy Vol. 2“ steht der Name James Gunn für eine ganz bestimmte Art von Film, für eine Mischung aus schrägem Humor und noch schrägeren Figuren, die in eine Superheldengeschichte eingebettet sind.
Bevor er sich dann mit „Guardians Of The Galaxy Vol. 3“ um den Trilogie-Abschluss kümmern wird, machte Gunn erst mal „The Suicide Squad“ für die Konkurrenz bei Warner und DC – und damit könnte er die beiden tollen „Guardians“-Filmen (von FILMSTARTS gab es 4,5 und 3,5 von 5 Sternen) sogar noch in den Schatten stellen. Denn „The Suicide Squad“ ist einfach James Gunn pur, so wie es ihn im familienfreundlichen Marvel Cinematic Universe nicht geben kann.
Das versprechen nicht nur die ersten Trailer, die bereits veröffentlicht wurden. Auch bei unserem Besuch am Set von „The Suicide Squad“ im November 2019 deutet alles darauf hin, dass Gunn hier sein Meisterwerk abliefern könnte.
Typisch James Gunn
„The Suicide Squad“ hat alles, was Fans von einem typischen James-Gunn-Film erwarten: Einen Eindruck vom schrägen, aber äußerst zielsicheren Humor des Films lieferten bereits die ersten Trailer und wer immer noch nicht überzeugt ist, muss nur mal einen Blick auf das Figurenarsenal werfen – wie wir es von James Gunn eben kennen, sind die Figuren vielseitiger, als man auf den ersten Blick denkt.
„Mir macht es eine Menge Spaß, Figuren Tiefe zu verleihen, die als albern oder blöd gelten“, verrät uns Gunn beim Interview am Set. Und wie gut er darin ist, zeigt der Umgang mit auf den ersten Blick vielleicht albernen Marvel-Figuren wie einem Baumwesen, das immer denselben Satz sagt, oder einem waffenvernarrten Waschbären.
In „The Suicide Squad“ gibt es den humanoiden Marder Weasel (übrigens wie Rocket gespielt von James Gunns Bruder Sean Gunn) und King Shark, einen sprechenden Hai mit Beinen, der uns als neuer Groot angepriesen wird.
Doch das Highlight dürfte die Figur Abner Krill alias Polka-Dot Man (David Dastmalchian) werden, auf die Gunn laut eigener Aussage bei einer Internetsuche nach „der dümmsten DC-Figur aller Zeiten“ stieß – und sie kurzerhand zu einer Figur machte, die depressiv ist, weil sie von allen für unfähig gehalten wird, und die eine wirklich tragische Hintergrundgeschichte hat, wie uns Gunn sagte (dazu später mehr).
Und natürlich werden die skurrilen Figuren in „The Suicide Squad“ auch zu einem Team beziehungsweise einer Ersatzfamilie zusammenwachsen, wie man es eben von den Guardians kennt. „Gibt es irgendjemanden, der besser als James Gunn darin ist, ein Team von verschiedenen Figuren zusammenstellen und auf eine Mission zu senden?“, bringt es „Suicide Squad“-Produzent Peter Safran („Aquaman“) auf den Punkt.
Nicht DCs "Guardians Of The Galaxy"
Wird „The Suicide Squad“ dann also einfach DCs „Guardians Of The Galaxy“? Diese Frage haben wir am Set natürlich ebenfalls gestellt – und uns wurde versichert, dass das nicht der Fall ist, trotz aller Gemeinsamkeiten in Sachen Genre und skurrilen Figuren.
Denn zum einen sollen „Guardians Of The Galaxy“ und „The Suicide Squad“ zwei sehr unterschiedliche Filme sein, wenn sie auch beide im Gewand eines Superheldenfilms daherkommen: Die „Guardians Of The Galaxy“-Filme beschreibt Produzent Peter Safran als Dramen über eine dysfunktionale Familie, „The Suicide Squad“ ist für Gunn und Safran hingegen übereinstimmend ein „war caper movie“, also auf Deutsch etwa „Kriegs-Heist-Movie“ oder „Kriegs-Gaunerfilm“. Vorbilder sollen Titel wie „Das dreckige Dutzend“, „Agenten sterben einsam“ und „Stoßtrupp Gold“ sein.
Außerdem erklärt Produktionsdesignerin Beth Mickle („Drive“) ausführlich, dass „The Suicide Squad“ auch ganz anderes gedreht wurde als die Hochglanz-Superheldenfilme von Marvel und Co., ohne große Heldenmomente, ohne Panoramabilder, dafür mit Handkamera und in einem „dreckigen“ Stil, ähnlich wie ein Dokumentarfilm.
"Mehr praktische Effekte als alle MCU-Filme zusammen"
Und wohl noch viel wichtiger: „The Suicide Squad“ soll einen im bestmöglichen Sinne handgemachten Look haben. Gleich mehrmals hören wir während unseres Besuchs am Set, dass der DC-Film mehr praktische und damit nicht am Computer entstandene Effekte haben soll als alle MCU-Filme zusammen.
Diese Aussage stammt von jemandem, der es wissen muss, nämlich von dem zehnfach Oscar-nominierten Special-Effects-Supervisor Daniel Sudick, der an insgesamt 15 MCU-Filmen von „Iron Man“ bis „Avengers: Endgame“ (und auch bei den MCU-Serien ab „WandaVision“) als SFX-Supervisor an Bord war.
Im Klartext bedeutet das: Wenn es irgendwie ging, wurde in „The Suicide Squad“ vor echten Kulissen und Sets gedreht. Laut Produktionsdesignerin Beth Mickle wurde bei diesem Film nur an drei von 90 Drehtagen (!) ausschließlich vor Bluescreens gedreht, während es bei Produktionen dieser Größenordnung normalerweise ein Drittel der Zeit sei.
Am Set sehen wir Konzeptzeichnungen von der Eröffnungsszene von „The Suicide Squad“, in der das Selbstmordkommando an einem Strand des fiktiven Inselstaats Corto Maltese landet und sich ein Gefecht mit Soldaten liefert. Die Szene wurde auf einem riesigen Set gedreht, an dem ein echter, mit einer Wellenmaschine ausgestatteter Strand aufgeschüttet und ein Dschungel mit tausenden Bäumen errichtet wurde, wie uns Produzent Safran erklärt.
Es geht aber auch eine Nummer kleiner und davon können wir uns am Set sogar selbst überzeugen: Wir sehen ein Video mit Probeaufnahmen vom oben bereits erwähnten David Dastmalchian als Polka-Dot Man. Der trägt einen hellen Anzug mit knallbunten (Polka-)Punkten, die aber nicht etwa am Computer entstehen, sondern in den Anzug eingebaut sind und von den Lichttechniker*innen am Set gesteuert werden können.
„Das macht vielleicht keinen Unterschied, aber es war James Gunn einfach wichtig“, kommentiert Safran das. Aber wir sind uns sicher: Auch für die Schauspieler*innen am Set und für das Publikum im Kinosaal macht es – vor allem in der Summe – eben doch einen Unterschied, wie viele (oder wenige) Elemente des Films am Computer entstanden sind.
Und ohne zu viel über die angedeutete tragische Hintergrundgeschichte des Polka-Dot Man zu verraten: Die Punkte sind in „The Suicide Squad“ das Symptom eines interdimensionalen Virus und müssen von Polka-Dot Man regelmäßig ausgestoßen werden. Tut er das nicht, sieht er aus wie die Titelfigur aus „Der Elefantenmensch“, nur halt in bunt. Und auch hierbei kommt kein CGI, sondern praktische (und ganz schön gruselige) Make-up-Effekte zum Einsatz.
Nur für Erwachsene
„The Suicide Squad“ wird sich auch noch in einem anderen, wesentlichen Punkt von Marvel unterscheiden: der Altersfreigabe. „The Suicide Squad“ wurde von James Gunn von Anfang an für das sogenannte R-Rating konzipiert, also die US-Altersfreigabe für Erwachsene, die auch brutale, blutige Gewalt, Schimpfwörter und nackte Haut erlaubt.
Dadurch hebt sich „The Suicide Squad“ nicht nur von „Guardians Of The Galaxy“ ab, das R-Rating dürfte auch dafür sorgen, dass sich James Gunn noch ein kleines bisschen wohler als Regisseur fühlt – schließlich macht er seine ersten Schritte in der Filmbranche bei den für ihre trashig-brutalen Filme bekannten Troma Studios („Tromeo & Julia“) und auch die eingangs erwähnten „Slither“ und „Super“ sind nicht gerade zimperlich.
Dass „The Suicide Squad“ sich sein R-Rating redlich verdient hat, deutete nicht nur der erste Trailer an. Auch Rick-Flag-Dasteller Joel Kinnaman erklärte bereits vor einer Weile, dass das neue Abenteuer der Task Force X „superbrutal“ sei.
James Gunn darf machen, was er will
Außerdem durfte Gunn bei „The Suicide Squad“ angeblich schalten und walten wie er wollte, ohne sich über Querverbindungen zum ersten „Suicide Squad“ von 2016 oder zum restlichen DCEU Gedanken machen zu müssen und ohne Einschränkungen bei der Figurenauswahl zu haben (anders als zuletzt etwa Zack Snyder, der einen für „Zack Snyder's Justice League“ geplanten Green-Lantern-Auftritt wieder streichen musste).
Gunns Bedingungen für „The Suicide Squad“ seien eine komplett leere Leinwand gewesen, also keinerlei Story-Fesseln, und das Studio habe ihn dabei unterstützt, erklärt uns Produzent Peter Safran am Set. Daher übrigens auch der Titel „THE Suicide Squad“ statt „Suicide Squad 2“: Es handele sich dabei um James Gunns Vision für das Suicide Squad, nicht um eine Fortsetzung, auch wenn dem ersten Teil nicht explizit widersprochen werde.
Es scheint also ganz so, als sei „The Suicide Squad“ ein Herzensprojekt für James Gunn, worauf auch die Aussagen von zwei Cast-Mitgliedern am Set hindeuten, die wir hier abschließend aufführen wollen: „Ich habe bei ‚Guardians Of The Galaxy Vol. 2‘ und ‚Super‘ mit James zusammengearbeitet und er war dort schon großartig, aber es scheint fast so, als hätte er hier noch mehr Spaß“, versichert uns etwa Steve Agee, der in „The Suicide Squad“ die Figur King Shark am Set spielt (als Sprecher ist hingegen Sylvester Stallone an Bord).
Und John Cena, dessen Figur Peacemaker bei allen Beteiligten so gut ankam, dass Gunn aktuell an einer eigenen DC-Serie über den fanatischen Pazifisten arbeitet, findet eindrucksvolle Worte dafür, wie detailversessen Gunn die Dreharbeiten vorbereitet hat:
„Als ich das erste Mal in [James Gunns] Büro kam, habe ich dort den Film gesehen. Denn er hat den ganzen Film von vorne bis hinten durchgeplant, im Flur, im Büro. […] Ich hatte also zwei Möglichkeiten: Ich kann selbst über meine Figur recherchieren […]. Oder ich kann dem Typen vertrauen, der den ganzen Film fast schon wie ein zwangsneurotischer Psycho-Mörder durchgeplant hat.“
Das lassen wir jetzt einfach mal so stehen und blicken voller Vorfreude voraus: „The Suicide Squad“ kommt am 5. August 2021 in die deutschen Kinos.