+++ Meinung +++
„Dancer In The Dark“ gehört für mich in eine sehr seltene Kategorie von Filmen, nämlich: „Lieblingsfilme, die ich kein zweites Mal sehen möchte“. Das Musical-Drama von Lars von Trier hat mich zwar einerseits extrem begeistert, weswegen ich es zu meinen absoluten Favoriten zähle, andererseits hat es mich aber auch emotional so dermaßen zerstört, dass ich es mir ungern nochmal antun möchte.
Für alle, die „Dancer In The Dark“ aber noch nicht gesehen haben, kann ich nur eine unbedingte Sehempfehlung aussprechen – zumindest dann, wenn ihr es abkönnt, wenn euch Filme mitsamt ihrer Hauptfigur in den Abgrund reißen. Aber Achtung: Der Film ist nur noch bis 30. April 2021 im Abo von Amazon Prime Video enthalten.
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„Dancer In The Dark“ handelt (wie so oft bei Lars von Trier) von einer Frau, die ein extrem tragisches Schicksal erleidet. Denn wo andere Filmemacher*innen an ihre Schmerzgrenze gelangen, fängt der dänische Skandal-Regisseur erst so richtig an, und statt Aussicht auf Erlösung bekommen wir nur unerträgliches Leid vor den Latz geknallt. „Dancer In The Dark“ sorgt aber mit einem einzigartigen Kniff für eine bizarre Form der Auflockerung, die ihn für mich von einem sehr guten Film zu einem Meisterwerk macht.
Darum geht es in "Dancer In The Dark"
Selma (Björk) hat in ihrem Leben kein gutes Los gezogen. Als tschechische Einwanderin ist sie in den USA ohnehin schon Außenseiterin und muss für einen Hungerlohn in einer Metallfabrik schuften. Obendrein beginnt sie, ihr Augenlicht zu verlieren, und als wäre das nicht schon schlimm genug, wird ihr zwölfjähriger Sohn das gleiche Schicksal erleiden, wenn er nicht operiert werden sollte.
Der nötige Eingriff kostet natürlich eine Menge Geld und so spart Selma schon seit Jahren wie verrückt für die OP, alles nur, um ihren Jungen vor dem Erblinden zu retten. Ihr einziger Ausgleich zu ihrem qualvollen Leben sind Musicals. Immer wieder flüchtet sich Selma in Tagträume, in denen sich die Welt um sie herum in einen Wirbelsturm aus Tanz und Gesang verwandelt.
"Dancer In The Dark" ist ein meisterhaftes Anti-Musical
Schon die Grundidee von „Dancer In The Dark“ ist einmalig: Der Film ist zum Teil ein Musical und trotzdem wirkt fast alles darin wie das krasse Gegenteil von dem, was man sonst aus dem Genre gewohnt ist. Musicals bieten in der Regel Eskapismus, sind gefüllt mit Spektakel und bersten vor positiver Energie.
Wenn Gruppen von Tänzern in bunten Kostümen über Bühnen jagen und dabei choreograpische Kaleidoskope auf die Leinwand zaubern, dann soll uns das von alltäglichen Sorgen ablenken. Realismus wird dabei meist völlig über Bord geworfen.
Doch „Dancer In The Dark“ ist der krasse Gegensatz dazu. Wenn Lars von Trier übliche Musical-Elemente aufgreift, dann nur, um sie zu pervertieren. Die wenigen und nichtsdestotrotz toll inszenierten Gesangseinlagen finden in einer dreckigen Fabrik oder auf einer verrosteten Eisenbahn statt. Das sorgt für ein trostloses, aber auch hochinteressantes Seherlebnis, das man in dieser Form sonst nirgends bekommt.
Dancer in the DarkAuch Sängerin Björk, die in „Dancer In The Dark“ einen ihrer wenigen Auftritte als Schauspielerin hat, besitzt keine typische Musical-Stimme. Die isländische Pop-Ikone ist bekannt für ihren fremdartigen, melancholischen Gesang, bei dem Leid und Hoffnung gemeinsam in jeder Note mitschwingen.
Ein Unschuldslamm in der Hölle des Schicksals
Björks eigentümliche Art passt perfekt in die einzigartige Atmosphäre des Films, bei dem Selma wie auch wir als Zuschauer stets auf einen Ausweg aus der Misere hoffen. Zumal die Sängerin neben gestandenen Schauspieler*innen wie Catherine Deneuve, Peter Stormare und David Morse ebenfalls zu überzeugen weiß und der Hauptfigur mit ihrer unschuldigen Aura eine noch höhere Fallhöhe gibt.
Die überzeugenden Darbietungen sind aber nur ein Grund, weshalb „Dancer In The Dark“ mehr ist als ein düsterer Film mit einem spannenden Gimmick. Denn die Handlung des Films ist abgesehen von Selmas Musical-Tagträumen sehr realistisch und in ihrem tragischen Ausmaß absolut glaubwürdig.
Unglückliche Umstände sorgen dafür, dass die Protagonistin einen Schicksalsschlag nach dem anderen verkraften muss. Zwar handeln die übrigen Figuren ihr gegenüber meist völlig ungerecht, aber aus deren jeweiligen Perspektive auch sehr nachvollziehbar, was die ganze Situation noch ergreifender und schmerzhafter macht. Selma ist allein auf der Welt. Nur wir als Zuschauer kennen ihr Leid und nur wir könnten ihr Trost spenden. Doch dieser Wunsch bleibt natürlich unerfüllt.
„Dancer In The Dark“ ist ein Film, der mich aufgrund seiner trostlosen Musical-Einlagen, seinem packenden zentralen Konflikt und seiner besonderen Hauptdarstellerin extrem fasziniert hat. Auch wenn er mir das Herz zerissen hat, denke ich gerne an ihn zurück.
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