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    Hat "Tribes Of Europa" das Zeug zum neuen "Dark"? So gut ist die Netflix-Endzeitserie aus Deutschland

    Eine groß angelegte Science-Fiction-Serie aus Deutschland – kann das (nochmal) gut gehen? Wir haben die komplette erste Staffel von „Tribes Of Europa“ vorab gesehen und verraten es euch in unserer Kritik.

    Netflix

    Noch vor wenigen Jahren wäre es wohl undenkbar gewesen, dass die deutsche Serienlandschaft hoch budgetierte Genrestoffe hervorbringt, die auch im Ausland für Furore sorgen. Doch der unaufhaltsame Vormarsch der Streaminganbieter macht es möglich. Vor allem Netflix ist ganz vorne mit dabei, wenn es darum geht, hiesigen Serienmacher*innen die Mittel für eine aufwändige Umsetzung ihrer kühnen Ideen bereitzustellen, sei es nun das Zeitreise-Mysterium „Dark“, die Historien-Keilerei „Barbaren“ oder nun die Endzeit-Serie „Tribes Of Europa“ – und das mit durchschlagendem Erfolg!

    Nachdem „Dark“ und „Barbaren“ sich nicht nur in Deutschland riesiger Beliebtheit erfreuten, sind wir uns sicher, dass auch „Tribes Of Europa“ den Netflix-Abrufzähler wieder zum Glühen bringen wird. Das sagt aber natürlich noch nicht zwingend etwas über die Qualität aus...

    Postapokalypse made in Germany

    Ende 2029 stürzt ein globaler Blackout die gesamte Welt ins Chaos. Fast 50 Jahre später hat sich auch in Europa das Leben drastisch gewandelt. Länder gibt es nicht mehr, stattdessen kämpfen verschiedene Stämme, die sogenannten Tribes, um die Vorherrschaft auf dem Kontinent. In diesen blutigen Konflikt werden eines Tages auch der in Abgeschiedenheit lebende Tribe der Origines und mit ihm die drei Geschwister Kiano (Emilio Sakraya), Liv (Henriette Confurius) und Elja (David Ali Rashed) hineingezogen, als ein Flugobjekt in der Nähe ihrer Siedlung abstürzt.

    Der sterbende Pilot überreicht ihnen nämlich einen geheimnisvollen Würfel, der zum Schlüssel für das Überleben der Menschheit werden könnte. Dumm nur, dass es auch die brutalen Crows auf das mächtige Artefakt abgesehen haben und dafür über (viele!) Leichen gehen. Bei einem Angriff auf die Origines werden Kiano, Liv und Elja getrennt und müssen sich fortan auf eigene Faust in der gefährlichen postapokalyptischen Welt durchschlagen...

    "Mad Max" trifft "Die Tribute von Panem"

    „Tribes Of Europa“ ist ein Original-Stoff von „Outside The Box“-Macher Philip Koch, der auf keiner direkten Vorlage basiert (und nach dem geerdeteren „Dark“ nun vollends in Sci-Fi-Gefilde abtaucht). Und doch wirkt vieles in der neuen deutschen Netflix-Serie seltsam vertraut. Wenn es die jungen Hauptfiguren in der trostlosen Zukunft mit einem kriegerischen Stamm und dessen wahnsinnigen Anführer*innen zu tun bekommen, die vor einem Kampf gerne mal aufputschende Drogen inhalieren, trifft „Mad Max“ auf Young-Adult-Abenteuer wie „Divergent“ oder „Die Tribute von Panem“.

    Die Origines und Protagonistin Liv scheinen derweil ein wenig vom Videospiel „Horizon: Zero Dawn“ inspiriert zu sein. Und mit der Szene nach dem erwähnten Überfall auf ihren Stamm wird sich fast schon dreist bei der berüchtigten Negan-Tribunal-Szene aus dem Finale der sechsten Staffel „The Walking Dead“ bedient.

    Das sind bei Weitem nicht die schlechtesten Vorbilder, doch kann man den Eindruck tatsächlich nur schwer abschütteln, dass Showrunner Koch und sein Team all diese Elemente einfach nur recht aufgesetzt kopieren, ohne daraus wirklich eine stimmige eigene Welt zu erschaffen.

    L(i)ebloses Europa

    Details zum großen Ursprung der Apokalypse werden bewusst noch im Dunkeln gelassen und als großes Mysterium für potentielle weitere Staffeln aufgebaut. Aber auch abgesehen davon mangelt es an Details, die das Europa der Zukunft runder machen und mit Leben erfüllen (was schade ist, weil gerade die kurze Einführung des Hauptfiguren-Trios noch so wunderbar funktioniert).

    Was sich hier (in recht kurzer Zeit) wie und warum herausgebildet hat, ist selbst nach sechs Folgen noch nicht wirklich greifbar – ebenso wenig wie die Tatsache, wieso auf der einen Seite ausgerechnet Deutsch und Englisch die beiden einzigen dominanten Sprachen zu sein scheinen, während uns auf der anderen Seite klargemacht wird, dass es keine Länder mehr gibt und wild durchmischte Stämme an ihre Stelle getreten sind. Da bekommt man schon heute bei einem kurzen Spaziergang durch deutsche Großstädte weit mehr sprachliche Varianz geboten.

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    Zumindest in Staffel 1 wirkt dieses „Ju-Ropa“ – wie die Kontinentbezeichnung aus dem Serientitel dann auch „passend“ Denglisch ausgesprochen wird – noch nicht allzu ausgereift. Immerhin werden die narrativen Versäumnisse beim World Building aber ein Stück weit durch die tolle Ausstattung und die Effekte wettgemacht, die der Dystopie einen gelungenen visuellen Rahmen geben. „Tribes Of Europa“ demonstriert einmal mehr, dass auch deutsche Produktionen in dieser Hinsicht den internationalen Vergleich kaum scheuen brauchen – solange sie Netflix-Geld im Rücken haben.

    B-Movie-Spaß vs. Sci-Fi-Drama

    Auch tonal findet „Tribes Of Europa“ noch nicht so richtig in die Spur. Wenn die Held*innen und Schurk*innen mit albernen Nonsens-Begriffen und pseudocoolen englischen Wortfetzen um sich werfen, fällt es schwer, das Ganze genauso bierernst zu nehmen wie die Charaktere in diesen Momenten (das hat beim zum bedeutungsschwangeren Philosophieren neigenden, aber wesentlich cleverer konstruierten „Dark“ noch weitaus besser funktioniert).

    Dem gegenüber stehen allerdings auch Figuren wie der windige Schrottsammler Moses (hat sichtlich Spaß: „Dark“-Star Oliver Masucci) oder der völlig überzogene Crows-Anführer Ivar (Sebastian Blomberg), der für so viel trashiges Vergnügen sorgt, dass man sich hin und wieder wünscht, „Tribes Of Europa“ würde sich vollends derartig spaßigem Irrsinn verschreiben.

    Netflix

    So aber stehen dieser B-Movie-Einschlag und die meist vergeblich auf große Gefühle abzielenden Charaktermomente einander immer wieder im Weg – obwohl zumindest der emotionale Punch beim perfiden Dreh im Showdown von Kianos Staffel-1-Handlungsbogen halbwegs sitzt.

    Wucht haben definitiv auch einige der actiongeladeneren Szenen. Besonders das Einfallen der Crows bei den Origines besticht durch atemlose, lange Einstellungen und plötzliche Gewaltspitzen, die die Hilflosigkeit des gnadenlos unterlegenen Stammes eindringlich bebildern und so am ehesten einen Eindruck davon vermitteln, in was für einer rauen und dreckigen Welt wir uns hier eigentlich befinden.

    Fazit

    Mit dem ambitionierten „Tribes Of Europa“ hat man sich ein wenig übernommen. Die aus verschiedenen Sci-Fi-Versatzstücken zusammengewürfelte Welt überzeugt zwar optisch und macht streckenweise mehr Spaß, als es die verbissenen Trailer im Vorfeld vermuten ließen, der Mangel an originellen Ideen und das ungelenke Jonglieren mit verschiedenen Tonfällen lassen jedoch noch viel Luft nach oben.

    Dass es überhaupt so ein Projekt aus Deutschland gibt und es nicht völlig an die Wand gefahren wurde, ist und bleibt aber eine schöne Entwicklung. Und wer weiß: Mit etwas mehr Genre-Übung gelingt es in späteren Staffeln vielleicht doch noch, in „Dark“-Sphären vorzudringen.

    Alle sechs Folgen der ersten „Tribes Of Europa“-Staffel können ab sofort bei Netflix abgerufen werden.

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