+++ Meinung +++
Es braucht nicht immer Millionen, Superstars und Explosionen (okay, Explosionen vielleicht doch). Manchmal reichen auch schon die schiere Begeisterung fürs Kino, ein paar Freunde und Bekannte, die jeden Scheiß mitmachen und 200 Dollar – genau so viel soll der erste ugandische Actionfilm „Who Killed Captain Alex?“ gekostet haben.
Sein Budget dürfte der Film mittlerweile allein auf YouTube wieder eingespielt haben, wo der Film seit 2015 komplett verfügbar ist und knapp 5,5 Millionen Klicks generierte (Stand vom 10. Oktober 2020). Damit wir euch aber nicht gleich mit dem Gesamtwerk direkt erschlagen – das kann einen nämlich schon mal umhauen –, hier zum Rantasten erst einmal der Trailer zu dem vermeintlichen Machwerk, das zum Kult-Phänomen wurde:
Nehmt euch ruhig Zeit, um mal zu verarbeiten, was ihr in der Vorschau gerade gesehen habt. Denn auch wenn ihr euch im ersten Moment vielleicht fragt, warum es so etwas überhaupt gibt und ob das einfach nur schlecht ist oder vielleicht doch so schlecht, dass es schon wieder gut ist, lohnt sich das Reinschauen für alle, die fernab von Hollywood mal Lust auf was Neues haben.
Denn „Who Killed Captain Alex?“ wird euren Horizont ohne Frage erweitern. Vor allem, wer von der Traumfabrik langsam die Schnauze voll hat, dürfte sich über die außergewöhnliche Indie-Perle freuen. Viel „weiter weg“ von Hollywood-Hochglanz geht’s jedenfalls nicht mehr.
Begeisterung, die aufs Publikum überspringt
Als ich 2011 während meines Sozialarbeitsstudiums selbst für ein paar Wochen in den Slums von Kampala lebte, dauerte es einige Tage (!), bis ich in der Millionenstadt die erste Ampel gesehen habe.
Ganz im Gegensatz zur Wärme, die mir die Menschen dort entgegenbrachten – denn die hat mich ähnlich überrumpelt wie „Who Killed Captain Alex?“. Und zwar im besten Sinn. Beim näheren Kennenlernen fand ich es dann umso bemerkenswerter, wie die Menschen dort teilweise zu zwölft auf engstem Raum in Wellblech-Hütten leben und dabei eine Begeisterung und Euphorie ausstrahlten, als gehörte ihnen die Welt.
Es ist dieser Geist, der auch „Who Killed Captain Alex?“ so besonders macht. Denn das Team um Regisseur Nabwana I.G.G. zeigt mit seinem Film, was es buchstäblich heißt, etwas aus dem Nichts zu erschaffen. Keine ausgebildeten Schauspieler, keine erfahrene Filmcrew, keine Filmförderung. Kein gar nichts. Was sie allerdings haben, ist ihre Begeisterung und Leidenschaft fürs Kino. Und die hat drei ganz entscheidende Vorteile: Sie kostet nichts, sie ist hochansteckend und niemand kann sie ihnen nehmen.
Man kann sich der Begeisterung einfach nicht entziehen, die vor allem Off-Kommentator V.J. Emmie alias Video Joker versprüht, wenn er das Gezeigte im Film stets selbstironisch kommentiert: „Expect the unexpectable!“
So irre ist der Kritiker- und Publikumsliebling
„Who Killed Captain Alex?“ wird von Fans und Kritikern gefeiert (Wertungen zur groben Einordnung: 8.2/10 bei IMDb und 4.1/5 bei Letterboxd) – und das ist auch kein Wunder.
Immerhin hat er praktisch alles, was einen Film überhaupt erst gut macht: Martial-Arts-Action, weil „jeder in Uganda Kung-Fu kann“, eine mit Abba untermalte Musicalszene, fiese Seitenhiebe auf die Konkurrenz aus Nollywood, deutsches Essen (lies: gekochte Deutsche) und legendäre Bösewichte – „They walk slow, 'cause they think slow.“
Hier könnt ihr den kompletten Film anschauen – hervorragend geeignet für einen spaßigen Filmabend mit Freunden:
Das Phänomen Wakaliwood
Während Ottonormal-Kinogänger hier wohl nur den Kopf schütteln können, hat sich die ugandische Produktionsschmiede Wakaliwood aus Wakaliga mittlerweile einen echten Ruf aufgebaut.
„Captain Alex“ zog in den vergangenen Jahren nämlich bereits den einen oder anderen Nachfolger nach sich: Den nicht weniger großartigen „Bad Black“ findet ihr seit Anfang des Jahres beispielsweise ebenfalls auf YouTube. „Crazy World“ hingegen lief 2019 sogar auf dem renommierten Toronto International Film Festival und war dieses Jahr außerdem Teil des weltweiten We Are One Film Festivals.
Übrigens: Da Wakaliwood mittlerweile Fans aus aller Welt hat, hat die Firma mittlerweile sogar einen eigenen Merchandise-Store (wer wollte nicht schon immer ein handgemaltes Poster eines ugandischen Actionfilms im Wohnzimmer hängen haben?). Außerdem könnt ihr die Filmemacher auch bei ihrer Patreon-Kampagne unterstützen – und damit aktiv dazu beitragen, dass ugandische Kinder die technischen Aspekte des Filmemachens lernen und uns womöglich in Zukunft mit noch viel mehr Wakaliwood-Action versorgen.