Mit zehn Nominierungen und drei Auszeichnungen bei den Oscars 2019 (u.a. für den besten Regisseur) war es Alfonso Cuarón, der für Netflix mit „Roma“ einen Meilenstein erzielte – und damit klarstellte, dass im Rennen um den begehrten Goldjungen in Zukunft auch mit Eigenproduktionen der Streaming-Plattform zu rechnen ist.
Und während Mexiko schon immer ein Land außergewöhnlicher Filmemacher war – von Luis Buñuel bis Alejandro González Iñárritu –, ist es Netflix und Co. zu verdanken, dass wir gewisse Filme heutzutage leichter und vor allem schneller denn je zu sehen kriegen. Auf Filme wie „I’m No Longer Here“ hätten wir vor der Streaming-Ära womöglich noch jahrelang warten müssen, bis sich ein deutscher Verleih findet – wenn man Glück hat.
Dank Netflix gibt es „I’m No Longer Here“ nun aber auf einen Schlag in diversen Ländern – auch in Deutschland. Und wenn ihr glaubt, der könnte was für euch sein, braucht ihr nichts weiter zu tun, als euren Fernseher oder Computer anzuschmeißen – vorausgesetzt, ihr habt ein Abo (wobei es „Roma“ mittlerweile auch auf DVD und Blu-ray* gibt, vielleicht also bald auch „I’m No Longer Here“).
Darum geht's in "I'm No Longer Here"
Monterrey, Mexiko: Der 17-jährige Ulises (Juan Daniel Garcia Treviño) ist Anführer der kleinen Straßengang Los Terkos – und als solcher ist es unter anderem seine Aufgabe, seine Freunde vor dem brutalen Drogenkrieg zu schützen. Doch das gelingt nur solange, bis er eines Tages doch ans örtliche Kartell gerät – und ihm letztlich nichts anderes übrig bleibt, als unterzutauchen.
Mit Hilfe von Bekannten gelingt es ihm, über die US-Grenze zu kommen und schließlich in New York zu landen, wo er in Lin (Angelina Chen) schon bald eine erste Freundin findet. Doch es fällt ihm schwer, in seiner neuen Heimat Fuß zu fassen – und während er im Internet verfolgt, wie es seinen Freunden zuhause ergeht, wächst das Heimweh in dem Teenager immer mehr...
Regisseur Fernando Frias ist mit 34 Jahren ein noch sehr junger und recht unerfahrener Filmemacher, der im Vergleich zu Landsmann und Regie-Meister Alfonso Cuarón noch verhältnismäßig grün hinter den Ohren ist. Umso mutiger fällt sein erst zweiter Spielfilm aus – eine stimmungsvolle, elektrisierende Momentaufnahme des Großstadtlebens in Mexiko (ganz ähnlich wie „Roma“, nur eben in einem völlig anderen Setting) –, mit dem er dank Netflix nun die große Bühne bekommt. Und auf der dürften wir den Mexikaner in Zukunft öfter sehen.
Der Film lohnt sich, wenn ihr...
... Originalton prinzipiell bevorzugt: „I’m No Longer Here“ ist eine mexikanisch-amerikanische Koproduktion, in der allerdings vor allem Spanisch gesprochen wird. Ihr solltet also Spanisch können oder nichts dagegen haben, Untertitel mitzulesen.
... mit Filmen gerne in andere Kulturen abtaucht. Abgefahrene Frisuren, Gang-Rituale, Cumbia (Musik und Tanz) als Alltagskatalysator: Die teils atemberaubend schönen und gleichzeitig authentischen Aufnahmen lassen den Zuschauer direkt in die beschwingte, aber auch gefährliche Welt auf den Straßen Mexikos eintauchen.
... „A Day in the Life“-Geschichten mögt. Denn der Film baut keine große Geschichte langsam auf, die er dann von Anfang bis Ende erzählt. Fernando Frias’ Film ist vor allem eine Momentaufnahme – nicht linear erzählt.
... mit der harten Realität klarkommt. Auch wenn jetzt nicht drauf los gefoltert wird und Gewaltexzesse zum Besten gegeben werden, kann man eben schon mal draufgehen, wenn man hier in die falsche Straße abbiegt – und das zeigt der Film auch genau so. Fast schon beiläufig, dass es einem kalt den Rücken runterläuft.
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