+++ Meinung +++
„The Raid“ war ein geradliniges Baller-Feuerwerk, „The Raid 2“ ein Martial-Arts-Epos in Anlehnung an die Undercover-Cop-Filme aus Hong Kong – für „The Raid 3“ hatte ich mir schon immer einen Abschluss der Reihe gewünscht, der noch einmal eine Schippe drauf legt, noch epischer ist, noch verrücktere Action bietet und in dem von mir aus auch noch mehr Blut vergossen wird. Doch daraus wird wohl nichts mehr.
"The Raid 3" wird wohl nicht kommen – und das ist gut so!Regisseur Gareth Evans hat die Hoffnungen auf „The Raid 3“ längst zerschlagen. Der 40-jährige Waliser will die Reihe nicht ausschlachten und sich stattdessen mal etwas anderen Projekten widmen – lobenswert. Und doch freue ich mich, dass Evans nach seinem Netflix-Horrorfilm „Apostle“ mit „Gangs Of London“ nun wieder in actionreichere Gefilde zurückkehrt. Denn im Grunde ist die seit 23. Juli auf Sky bzw. Sky Ticket* laufende Serie nichts anderes als ein weiteres, extragroßes „The Raid“-Kapitel.
Von Gangster-Söhnen und Undercover-Cops
Im Zentrum der Geschichte steht der impulsive Sean Wallace (Joe Cole), dem nach dem Tod seines Vaters keine Zeit zu trauern bleibt – denn er soll das kriminelle Imperium an seiner Stelle weiterführen. Wie gut, dass ihm ausgerechnet am Tag der Beerdigung der geheimnisvolle Elliot (Sope Dirisu) über den Weg läuft, der Seans Vertrauen im Handumdrehen gewinnt und es direkt zu dessen Handlanger bringt. Was Sean allerdings nicht weiß: Elliot ist ein Undercover-Polizist, der die Wallace-Familie samt ihrer mächtigen Partner ein für alle Mal drankriegen will!
Aus dieser Grundpärmisse resultiert die exakt gleiche Grundspannung wie in „The Raid 2“: Dort ist es Polizist Rama (Iko Uwais), der sich das Vertrauen von Gangsterboss-Sohn Uco (Arifin Putra) erschleichen soll, um das Syndikat dessen Vaters zu Fall zu bringen. Während es die indonesischen Verbrecher unter anderem mit einem japanischen Klan zu tun kriegen, streiten sich in der englischen Metropole neben der Wallace-Familie etwa Albaner und Pakistani um die Vorherrschaft in der Unterwelt.
Genau wie in „The Raid 2“ sieht sich auch unser Held in „Gangs Of London“ stets der Gefahr ausgeliefert, jeden Moment aufzufliegen – und das wär's dann gewesen. Gleichzeitig wird er zunehmend zu Gräueltaten gedrängt, um seine Loyalität unter Beweis zu stellen, was am Ende genauso gut dafür sorgen könnte, dass Elliot die Seiten wechselt.
Gareth Evans nutzt den Umfang der Serienstaffel vor allem, um mehrere Parteien ins Spiel zu bringen, die den Rahmen eines Spielfilms schlicht sprengen würden. „Gangs Of London“ ermöglicht das umso komplexere Verstrickungen. Eine Meisterleistung: Einzelne Figuren lösen mit ihrem Handeln oft regelrechte Kettenreaktionen tragischer Ereignisse aus, die stets nachvollziehbar bleiben – und derart packend inszeniert sind, dass die neun Folgen wie im Flug vergehen.
Die Serie funktioniert als stark geschriebenes und überzeugend gespieltes Gangster-Drama ganz wunderbar, weil Gareth Evans nie die Übersicht verliert – weder inhaltlich noch bei der Action. Und ja, actiontechnisch geht es in „Gangs Of London“ Gareth-Evans-typisch wieder so richtig zur Sache.
Ein Splatter-Fest für Action-Fans
Eines gleich vorweg: Ein Martial-Arts-Feuerwerk bekommt ihr hier nicht zu sehen. Denn auch wenn vor allem zu Beginn einige stark gefilmte, brachiale Nahkampfeinlagen mit dabei sind (die aber weniger tänzerisch choreografiert sind, sondern eher als hammerharte Bar-Schlägereien in Erinnerung bleiben), darf man eben nicht vergessen, dass sich hier die größten Verbrecherbanden Londons bekriegen – und die hauen sich eben nicht auf die Mütze, bis eh keiner mehr von ihnen stehen kann, sondern ballern alles und jeden über den Haufen, der ihnen im Weg steht.
Zugegeben, ich habe nach einer mehrjährigen Pause erst vor kurzem wieder begonnen, Serien zu gucken. Zumindest episodenweise kenne ich trotzdem so einiges, vor allem wenn’s mal was „Extremes“ ist – das bringt der Job als FILMSTARTS-Redakteur auch einfach mit sich. Und als solcher kann ich wohl ohne allzu große Bedenken behaupten: „Gangs Of London“ ist eine der härtesten Serien, die es je gab.
Da werden schon mal ganze Häuser völlig zerschossen, nur um die paar Leute, die sich gerade darin verstecken, auch auf jeden Fall zu erwischen. Scherben, Späne und weiß der Kuckuck was fliegen in bester John-Woo-Manier durch die Bude, während die Gegner scharenweise niedergemäht werden. Jedes Mal, wenn man denkt, krasser geht’s nun wirklich nicht mehr, legt Evans doch noch einmal nach – und die Kamera hält voll drauf. „Raid“-typische Kamerafahrten sorgen dabei für eine unglaubliche Dynamik und einige spektakuläre Bilder, wenn sich letztlich aber wohl vor allem der Härtegrad ins Gedächtnis brennt.
Nur um ein paar Beispiele zu nennen, die veranschaulichen, wie brutal es in „Gangs Of London“ zur Sache geht (Achtung, Spoiler!): Neben klassischen Schießereien, denen mehr Leute zum Opfer fallen als man während dem Gucken zählen könnte, werden Knochen mit Hämmern zertrümmert, offene Wunden zugetackert, Fingernägel rausgerissen, Zungen rausgeschnitten und Augen eingedrückt – und wer Pech hat, wird binnen eines Augenblicks nicht nur abgeknallt, sondern auch noch abgestochen und verbrannt. Sicher ist sicher. Andere wiederum explodieren einfach nur.
Fazit: Eines der Serien-Highlights 2020
„Gangs Of London“ ist modernes Gangster-Kino par excellence: absolut kompromisslos, packend vom Anfang bis zum Schluss – und ein Must-See für alle Fans von „The Raid“ & Co.
Allzu viele und vor allem nicht aufwändig choreographierte Nahkampfduelle wie in den „Raid“-Filmen gibt’s hier zwar nicht zu sehen, die wären aber ohnehin etwas Fehl am Platz. Sowohl in Sachen Action als auch inhaltlich ist die Handschrift von Regisseur Gareth Evans aber auch in „Gangs Of London“ mehr als deutlich erkennbar – teilweise sogar so sehr, dass sich die Serie tatsächlich wie eine Erweiterung des „Raid“-Universums anfühlt.
Hätte ich „The Raid 3“ insgeheim immer noch gerne? Klar! Aber während sich Iko Uwais („Mile 22“) mittlerweile durch halb Hollywood prügelt, kann ich sehr gut damit leben, wenn Gareth Edwards Teil drei tatsächlich sein lässt – solange er „Gangs Of London“ noch ein paar Jahre fortführt oder mit einem neuen Actionkracher um die Ecke kommt. Jetzt freue ich mich aber erst einmal auf die bereits bestätigte zweite Staffel.
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