Als wir vor dem Interview mit „Bad Banks“-Autor Oliver Kienle im ZDF-Hauptstadtstudio offenbaren, dass wir von FILMSTARTS kommen, weiß der sofort, dass bei uns eine der wenigen negativeren Besprechungen zur ersten Staffel seiner Serie erschienen ist.
Für angespannte Stimmung im folgenden Gespräch sorgt das aber keineswegs – ganz im Gegenteil. Kienle ist absolut vertraut damit, dass wir auf FILMSTARTS mit unserer Meinung durchaus mal anecken (ja, auch die 2 Sterne für „Joker“ kommen zur Sprache), steht uns dann aber sehr offen und freundlich Rede und Antwort.
So erklärt er uns etwa, dass die brisanten Geschehnisse in „Bad Banks“ echte Banker absolut nicht schocken. Doch geht er nicht nur auf die Fortsetzung seines Finanz-Thrillers und deren Schwierigkeiten ein, sondern redet auch über die Vorzüge von Netflix, zeigt sich wegen des Mangels an gelernten Autoren in Deutschland aber auch durchaus skeptisch gegenüber den jüngsten Entwicklungen auf dem hiesigen Serienmarkt.
Staffel 2 auch dank Zuschauer-Feedback
FILMSTARTS: Hast du im Vorfeld der ersten Staffel von „Bad Banks“ damit gerechnet, dass die Serie so hohe Wellen schlagen wird?
Oliver Kienle: Nein. Ich habe bei „Bad Banks“ von Anfang an eine schlechte Quote erwartet. Ich mag es gar nicht, dass man es in Deutschland immer allen recht machen will und eigentlich keine Zielgruppe hat. Wenn ich was mache, will ich aber eine bestimmte Zielgruppe vor Augen haben. Und bei „Bad Banks“ gab es eine, auch mit internationalem Anspruch. Und deswegen dachte ich, dass es im ZDF eigentlich nicht funktionieren kann. Daher war ich total happy und überrascht, dass es dann doch funktioniert hat.
FILMSTARTS: Gab es bei Staffel 2 einen besonderen Erfolgsdruck, nachdem die erste Staffel so eingeschlagen ist? Oder hat es das Ganze vielleicht sogar leichter gemacht?
Oliver Kienle: Für mich hat es das wahnsinnig erleichtert. Als die erste Staffel rauskam, hatte ich schon vier Drehbücher für die zweite Staffel. Ich war also mitten in der Arbeit und ehrlich gesagt etwas betriebslind. Ich hatte ja nie eine Pause. Mir hat der Durchbruch gefehlt. Das hat sich mit der Ausstrahlung geändert, weil du auf einmal ganz viel Feedback bekommst. Ich habe dadurch das Erzählgespür zurückbekommen und realisiert, was die Leute an der Serie toll finden und was sie im Kern ist.
Deswegen habe ich dann alles nochmal komplett umgeschrieben. Der Druck kam dann eher, als es mit den Büchern wirklich final wurde, es mit der Vorbereitung losging und wir den Regiewechsel hatten. Das war viel Arbeit, weil man auch Angst hatte, die Kontinuität nicht wahren zu können.
FILMSTARTS: Gab es denn etwas ganz Bestimmtes, das du aus der ersten Staffel gelernt hast und nun bei Staffel 2 anwenden konntest?
Oliver Kienle: Ja, zum Beispiel dass es ein Finanz-Thriller ist. Wenn man die ganzen Reaktionen bekommt, reden alle über diese wahnsinnig tollen Figuren und die menschlichen Abgründe dahinter. Und man vergisst ein bisschen, dass es im Kern ein klassischer Finanz-Thriller ist. Leute haben die Drehbücher gelesen und sich mitunter gefragt, wo die menschlichen, die persönlichen Geschichten sind. Die Erfahrung war aber: Erst wenn der Thriller-Plot funktioniert, dann spüren die Leute auch das Menschliche und die Figuren. Es gibt die unsichtbare Geschichte und die sichtbare Geschichte.
Nah an der Realität
FILMSTARTS: Vielleicht geht es nur mir so, aber irgendwie hat man das Gefühl, dass die letzte Finanzkrise – obwohl deren Auswirkungen ja immer noch zu spüren sind – zum Zeitpunkt der ersten Staffel noch ein größeres Thema war als jetzt. Was bringt die zweite Staffel nun mit, damit es ähnlich relevant bleibt?
Oliver Kienle: Es war ein großes Bedürfnis von mir, ein wenig aus dem klassischen Investmentbanking der ersten Staffel rauszukommen, das es genauso ja auch schon vor der Krise gab. Das war auf Dauer langweilig. Ich wollte in die Zukunft schauen. Und tatsächlich sind auch mehrere unserer Fachberater sukzessive in die FinTech-Branche gewechselt [Fintech steht für Finanztechnologie und damit für Methoden und Unternehmen zur Weiterentwicklung der Finanzbranche, Anm. d. Redaktion]. Da hat sich plötzlich etwas ganz Neues aufgetan und die aktuellen Herausforderungen der Bankenbranche wie Digitalisierung und das europäische Bankensystem stecken da ja auch voll drin.
Aber auch der Konflikt Jung gegen Alt spielt eine Rolle, der ja nicht nur ein Thema in der Gesellschaft allgemein, sondern auch in vielen Branchen ist. Überall gibt es die Herausforderung, dass sich ein Betrieb schneller häuten muss, als es bisher der Fall war und du die jungen Leute hast, die was ändern wollen, und die alten, die eher auf Stabilität setzen. Das waren für mich relevante Themen, die in die zweite Staffel mussten.
FILMSTARTS: Wie übertrieben ist eure Serie eigentlich? Musstet ihr das Ganze nach euren Recherchen überhaupt noch groß überspitzen, um eure Geschichte zu erzählen?
Oliver Kienle: Nichts, was in der Serie passiert, ist so noch nicht vorgekommen. Bei uns passieren die Dinge natürlich in sehr komprimierter Form, aber es gab mehrere Leute, die sich teilweise auch inkognito nach der Serie bei mir gemeldet und gesagt haben: „Das ist ja alles ganz süß, was ihr da erzählt, aber noch völlig harmlos.“
Teilweise war es auch ein bisschen gruselig. Ein Gesprächspartner wollte sich in einem bestimmten fremdsprachigen Restaurant treffen, damit keiner was vom Gespräch mitbekommt. Da hatte ich das Gefühl, ich bin noch mal in einen ganz anderen Topf getreten, das hat schon gar nichts mehr mit Banking zu tun, das ist irgendwie größer.
Andererseits ist es so, dass manche Banker auch total langweilige Menschen sind. Die Balance zu finden, diesen Berufsalltag zu erzählen, und trotzdem eine sich steigernde kriminelle Energie reinzukriegen, das ist die Herausforderung. Aber nichts, was da passiert, ist frei erfunden oder abwegig.
Regiewechsel bei der 2. Staffel "Bad Banks"
FILMSTARTS: Nachdem noch Christian Schwochow die erste Staffel inszeniert hat, war diesmal „Lammbock“-Regisseur Christian Zübert dafür verantwortlich. Wie ist es eigentlich zu diesem Regiewechsel gekommen?
Oliver Kienle: Christian Schwochow ist kurz nach der Premiere der ersten Staffel abgesprungen. Das war für mich ein sehr ungünstiger Zeitpunkt, zudem hatten mehrere Schauspieler gesagt, sie machen nur mit Schwochow eine zweite Staffel. Da hatte ich schon ein Jahr lang dran gearbeitet. Du bist als Autor nun mal der Einzige, der ein Risiko hat. Natürlich habe ich Geld dafür bekommen, aber lange nicht das, was ich bekomme, wenn es auch wirklich gemacht wird - unter anderem weil Autoren in Deutschland bis zum ersten Drehtag nur 50 Prozent bekommen. Du hast aber nicht nur das finanzielle Risiko, sondern auch das Risiko, ein Jahr umsonst an etwas gearbeitet zu haben.
Es war dann auch schwer, den richtigen neuen Regisseur zu finden – jemanden, der sich mit Genre auskennt und trotzdem gut mit Schauspielern arbeitet. Das ist in Deutschland manchmal ein Widerspruch. Außerdem musste es jemand sein, der uneitel genug ist, die Stilistik zu übernehmen. Regisseure haben üblicherweise große Egos, weshalb sie versuchen, ihren eigenen Stempel aufzudrücken und was ganz anderes zu machen.
Mein Wunsch war dann Christian Zübert, der genau wie ich aus Würzburg kommt. Deswegen verstehe ich mit ihm vielleicht auch auf Anhieb so gut, aber ich hatte auch ansonsten das Gefühl, dass er der Richtige ist. Es war dann auch eine super Zusammenarbeit. Mit beiden Christians war es super.
FILMSTARTS: Gab es denn auch mal die Idee, dass du einfach selbst die Regie übernimmst? Erfahrung hättest du ja auch jede Menge.
Oliver Kienle: Mehrere aus der Produktion wollten das. Das fand ich aber nicht gesund. Ich weiß ja, was es bedeutet, das alles vernünftig vorzubereiten, und das wäre nicht gegangen. Ich musste während der Vorproduktion so viel arbeiten, ich hätte weder das eine noch das andere zu 100 Prozent machen können. Deswegen wollte ich einen Regisseur. Und dass ich nur so ein, zwei Folgen mache, das funktioniert einfach nicht bei dieser Produktion, weil wir so achronologisch drehen. Da hätte ich hier mal zwei Stunden, da mal drei Stunden inszenieren müssen. Da hatte ich keine Lust drauf. Es war für mich zwar auch so sehr anstrengend, weil du auch ständig jemanden in alles einarbeiten musst, aber ich glaube, für die Serie war es einfach das Beste.
Kommt eine 3. Staffel "Bad Banks"?
FILMSTARTS: Du meintest, dass du während der ersten „Bad Banks“-Staffel die 2. schon vorbereitet hast. Wie sieht das nun im Hinblick auf eine dritte Staffel aus? Auf wie viele Staffeln ist die Geschichte denn ausgelegt?
Oliver Kienle: Es steht noch nicht fest, ob es weitergehen wird. Aber wenn dann eher drei. Langsam spürt man, dass es jetzt Richtung Showdown geht. Für mich war die Arbeit an der zweiten Staffel wirklich sehr anstrengend. Viele Risiken und ich habe viele Leute überzeugen müssen, wieder mitzumachen. Das will ich nicht mehr machen. Deswegen habe ich jetzt auch erstmal „Isi & Ossi“ gedreht [der erste deutsche Netflix-Film, erscheint am 14. Februar 2020, Anm. d. Redaktion], um da mal rauszukommen. Ich will nicht der Einzige sein, der arbeitet, und dann schauen wir mal, wie es läuft. Diesmal schauen wir zuerst, wie es läuft, und gucken erst dann, wie es weitergeht.
Die deutsche Serienlandschaft und Netflix
FILMSTARTS: Wie stehst du denn generell zur Entwicklung der Serienlandschaft in Deutschland? Da hat sich in den letzten Jahren ja so einiges getan, unter anderem auch dank Serien wie „Bad Banks“ oder Streamingdiensten wie Netflix.
Oliver Kienle: Ich bin gespannt, wie es weitergeht, weil die Branche in Deutschland im Moment ziemlich überfordert scheint. Alle wollen ganz viel von dem machen, was in Deutschland erst seit Kurzem gemacht wird. Wenn wir ein Land wären, das seit zwei Jahrzehnten hochqualitative Serien rausgehauen hätte und auch viele Autoren hätte, die das längst könnten, dann würde das funktionieren. Sind wir aber nicht. Und trotzdem herrscht ein wahnsinniger Druck. Viele Produzenten machen meines Erachtens den Fehler, dass sie Ideen verkaufen. Eine gute Idee ist nämlich selten ein gutes Drehbuch.
Ich verkaufe keine Ideen, ich schreibe keine Konzepte und keine Exposés mehr. Wenn man als Autor nämlich eine Idee verkauft, dann musst du das machen. Und dann schreibst du zwei Folgen und merkst vielleicht erst dann, dass das überhaupt keine richtige Serie ist. Ich will nicht in die Situation kommen, was machen zu müssen, obwohl ich nicht hundertprozentig davon überzeugt bin.
Auch bei „Bad Banks“ haben erst die eigentlichen Drehbücher die Leute überzeugt. Je schneller du dich hinsetzt und die Drehbücher schreibst, desto schneller kommst du auch ans Ziel – auch wenn das die unangenehmste Arbeit ist. In Deutschland werden viele Ideen verkauft und dann erst die eigentliche Arbeit gemacht. Darum bin ich ein bisschen skeptisch, ob die Qualität wirklich besser wird. Wir haben jetzt ein paar echt gute Serien hinbekommen, aber wenn ich so mitbekomme, wie entwickelt und produziert wird, habe ich nicht so ein gutes Gefühl.
FILMSTARTS: Gerade bei den Streamingdiensten hat man ja das Gefühl, dass die im Moment alle Ideen wegkaufen, die sie in die Finger kriegen.
Oliver Kienle: Ich habe ja viel mit Netflix zu tun und die reden da auch sehr offen drüber. Die sind einfach etwas anderes gewohnt. Wenn ein amerikanischer Produzent eine Idee verkauft und sagt „nächstes Jahr können wir drehen“, dann weiß der, wovon er spricht. Wir in Deutschland sind aber daran gewöhnt, ständig Projekte zu verschieben, auch mehrere Male. Da musste man auch bei Netflix erst merken, dass es hier ein bisschen anders läuft, das wird sich noch einpegeln. Aber ich weiß nicht, wo auf einmal die ganzen Autoren herkommen sollen.
Ich habe letztens von einer großen Filmhochschule gehört, dass es nur 30 Bewerber für den Drehbuchstudiengang gab. Dabei sind Autoren das Einzige, was wir momentan wirklich in der Filmbranche brauchen. Und du kannst auch richtig Kohle machen als Autor. Das wissen viele nicht. Die wollen alle Regisseur werden. Aber wir brauchen nicht noch mehr Regisseure, wir brauchen Autoren. Die kommen aber erst, wenn es endlich eine wirkliche Wertschätzung für die Kunst des Erzählens gibt. Es wäre mir lieb, wenn sich daran endlich etwas ändert, dass die Leute kapieren, wie anspruchsvoll und wichtig es ist, gute Drehbücher zu schreiben.
FILMSTARTS: Hat denn Netflix auch schon versucht, dich für eine Serie zu rekrutieren?
Oliver Kienle: Schon im Jahr 2017, nach der Premiere von „Die Vierhändige“. Da saß ich aber bereits an „Bad Banks“. Als ich dann „Isi & Ossi“ machen wollte, der eigentlich als klassischer Kinofilm geplant war, habe ich den einfach mal Netflix vorgeschlagen. Eine Stunde später kam die positive Antwort. Am Freitag haben wir das Drehbuch geschickt, am Montag kam die Zusage. Und eine Woche darauf war das komplette Projekt finanziert, wofür ich ansonsten ein bis zwei Sender, fünf Förderungen und einen Verleih hätte überzeugen müssen. Das ist schon toll.
Nach der TV-Premiere bei Arte ist die zweite Staffel von „Bad Banks“ vom 8. bis zum 10. Februar 2020 in Doppelfolgen nun auch im ZDF zu sehen (am Samstag ab 21.45 Uhr, am Sonntag und Montag ab 22.15 Uhr). Außerdem können die sechs neuen Episoden auch schon komplett in der ZDF-Mediathek abgerufen werden.