2019 war privat dermaßen turbulent, dass ich die heiligste der mir selbst auferlegten Regeln nach Jahren zum ersten Mal ausgiebig missachtet habe: Jeden Tag einen Film zu gucken – das war neben Arbeit erledigen, neue Beziehung führen, neue Wohnung suchen und neues „Star Wars“-Spiel „Fallen Order“ zocken einfach nicht drin. Verpasst habe ich darum potentielle Filmperlen wie „Porträt einer jungen Frau in Flammen“, von denen mir dafür meine Kollegen immer wieder ausgiebig vorschwärmen.
Und trotzdem finde ich meine Top 10 echt gut! Da ich selbst weniger sichten konnte, war ich umso mehr auf die Tipps von Freunden und Kollegen angewiesen, die mich bestens versorgt haben. „Star Wars 9“ (Platz 3) hätte ich vielleicht auch ohne Tipp gesehen, okay, aber die Plätze 1 und 2 ganz bestimmt nicht. Von meinem Top-Film 2019 hatte ich wenige Stunden vor Kinobesuch sogar exakt gar nichts gehört – bis ich plötzlich im für mich besten Film des Jahres saß, einer Doku über Haare.
Meine besten Filme 2019 – Platz 1: „Get Me Some Hair“
In einem Moment tiefer Sonntagnachmittagsmelancholie wurde ich überraschend gefragt, ob ich spontan mitkommen möchte zu einem mir vorher komplett unbekannten Dokumentarfilm namens „Get Me Some Hair“. Es folgte der beste Sonntagnachmittag des Jahres.
„Get Me Some Hair“ ist ein überraschender, erhellender, magischer Film. Regisseur Lars Barthel, geboren in der DDR, ist mit der Jamaikanerin Antoinette verheiratet – und versteht einfach nicht, warum es für sie so wichtig ist, ihre natürlichen, vollen Haare durch eingekaufte lange Haare zu verlängern. Lars wird es auch am Ende seines Dokumentarfilms nicht verstanden haben. Aber bis dahin hatte ich viel gelernt über jamaikanische Haarkultur, das globalisierte Geschäft mit Haaren, Haar-Schamane und vor allem die Liebe.
Meine besten Filme 2019 – Platz 2: „Das melancholische Mädchen“
Mein lieber Scholli, ging mir „Das melancholische Mädchen“ auf den Zeiger – das gilt für die Komödie genauso wie für die titelgebende junge Autorin (Marie Rathscheck). Und so soll es sein! Denn das melancholische Mädchen ist eine wahre Rebellin.
Es ätzt mit spitzer Zunge gegen alles, was in der gegenwärtigen intellektuellen Großstadtwelt Sinn und Glück stiften soll: Babys, Yoga, Sex, Beauty-Produkte! Denn das alles führt ohnehin zu nichts, außer vielleicht noch tiefer in den Kapitalismus. Konsequenterweise ätzt das melancholische Mädchen auch gegen mich, den Zuschauer – indem es mit seiner ganzen überheblichen Affektiertheit gewaltig nervt.
Das melancholische Mädchen geht zu allem auf Distanz. Passend dazu inszeniert Regisseurin Susanne Heinrich ihre Satire als Tableau von Theaterszenen mit spartanischen Kulissen und gestelzten Dialogen. Brillant.
Meine besten Filme 2019 – Platz 3: „Star Wars 9: Der Aufstieg Skywalkers“
Rückblick 2009: Der Abspann von J.J. Abrams‘ „Star Trek“-Reboot läuft – und ich denke mir im Kinosessel, dass bitte mal jemand „Star Wars“ so inszenieren soll. Mit dieser Energie, mit diesem Schwung, mit diesem Spaß am Speed. Zehn Jahre musste ich warten, bis zum zweiten Abrams-„Star Wars“, dann wurde mein Wunsch erfüllt.
„Star Wars 9: Der Aufstieg Skywalkers“ mag der schwächste Teil der Sequel-Trilogie sein, mag längst nicht die Bildgewalt und Sensibilität von „Star Wars 8“ erreichen. Aber das ist mir wumpe, solange J.J. aufs Tempo drückt. Einen Plotpunkt nach dem anderen durch eine wilde Jagd zu verbinden, das hätten andere Regisseure richtig vergeigt, aber unter Abrams macht „Star Wars 9“ sehr viel Freude – wie ein Hyperraumflug im Cockpit des Millennium Falken, den ein gut gelaunter Chewbacca komplett mit Kaffee betankt hat.
Die weiteren Platzierungen
Platz 4: „Free Solo“
Platz 5: „Wintermärchen“
Platz 6: „They Shall Not Grow Old“
Platz 7: „Systemsprenger“
Platz 8: „Synonymes“
Platz 9: „Born in Evin“
Platz 10: „Marriage Story“